Eritreerin Veronica Almedom über die Politiker-Reise in ihre Heimat
«Aeschi macht sich zum Instrument des Regimes»

Im BLICK beschrieb SVP-Nationalrat Thomas Aeschi, was er in Eritrea erlebt hat. Sein Fazit: Alles halb so schlimm! Die eritreeische Menschenrechtsaktivistin Veronica Almedom sitzt in der eidgenössischen Migrationskommission – und widerspricht ihm vehement.
Publiziert: 10.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:56 Uhr
SVP-Politiker Thomas Aeschi schrieb im BLICK über den Eritrea-Trip.
Foto: BLICK
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Christof Vuille

BLICK: Frau Almedom, Sie kämpfen gegen die Versklavung Ihrer eritreischen Landsleute. Nun waren Schweizer Politiker vor Ort. Manche sagen, alles sei nur halb so schlimm.
Veronica Almedom:
Grundsätzlich sind solche Reisen eine gute Sache, wenn sie das Ziel haben, neue Fakten ans Licht zu bringen und die Leute objektiv über die Menschenrechtssituation zu informieren. Bei diesem Trip für Schweizer Politiker ist es aber offensichtlich, dass er für politische Zwecke missbraucht wurde. Was SVP-Nationalrat Thomas Aeschi im BLICK geschrieben hat, könnte aus der Feder von Diktator Isayas Afewerki stammen. Es geht ihm offenbar darum, Asylsuchende aus Eritrea zu diskreditieren.

Er hat mit vielen Leuten gesprochen. Diese hätten ihm gesagt, die meisten Eritreer, die fliehen, seien Wirtschaftsflüchtlinge.
Wir sprechen über ein Land, in dem absolute Willkür herrscht. Es gibt keine Institution, die Bürger vor der Regierung beschützt. Die Menschen wissen, was sie sagen müssen, wenn sie eine Gruppe von ­Europäern sehen, die wohl von Agenten herumgeführt werden. Sie haben Todesangst und erzählen Lügen, um am Leben zu bleiben.

Sind die Asylsuchenden nun Wirtschaftsflüchtlinge oder nicht?
Die Untersuchungskommission für Eritrea spricht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wenn es vereinzelte Wirtschaftsmigranten gibt, ist ihr Anteil im Vergleich zu den Tausenden, die jeden Monat das Mittelmeer überqueren, verschwindend klein. Diese Route ist lebensgefährlich. Das nimmt niemand auf sich, bloss um mehr Geld zu verdienen.

Sie setzten sich für die Abschaffung des National Service, der ­nationalen Dienstpflicht, ein, den junge Eritreerinnen und Eritreer leisten müssen. In der Schilderung von SVP-Mann Aeschi tönt das nicht so schlimm.
Das Regime begeht im Rahmen des Service» Menschenrechtsverletzungen. Da ist es logisch, dass ausländische Politiker die dunklen Seiten nicht zu Gesicht bekommen. Mit seinen Anekdoten verharmlost Aeschi das Ganze. Das Regime hat vor Jahren gesagt, der Dienst werde künftig maximal 18 Monate dauern. Passiert ist seither nichts. Wer ins System gelangt, hat keine Ahnung, wann er ­herauskommt. Das ist moderne Sklaverei.

Thomas Aeschi sagt, in den letzten zwei Jahren habe sich das Land ­geöffnet, die Löhne seien gestiegen, und die Regierung suche den Dialog mit anderen Ländern und Organisationen.
Das ist eins zu eins, was das Regime die Welt glauben lassen will. Doch es stimmt einfach nicht, alles ist gelogen. Aeschi macht sich zum Instrument des Regimes. Wenn dieses wirklich mit anderen Ländern zusammenarbeiten möchte, wäre die Migrationskrise längst gelöst.

Ausserdem investiere das Land in Bildung.
Das ist eine absurde Behauptung. Die Regierung offeriert die obligatorische Schulzeit quasi gratis. Doch sobald die Schüler junge Erwachsene sind, bricht alles zusammen. Seit 2011 haben wir in Eritrea keine einzige Universität mehr. Heute gibt es im Land mehr ­Gefängnisse als Schulen. Und erstere sind völlig überfüllt.

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