Erst jedes fünfte Verdingkind stellte ein Gesuch auf Wiedergutmachung
Guido Fluri appelliert: «Bitte meldet euch!»

Seit 1. April haben ehemalige Verdingkinder Anrecht auf Wiedergutmachung vom Staat. Doch erst ein Fünftel der potenziellen Opfer hat ein Gesuch eingereicht. Eine Informationskampagne soll das ändern.
Publiziert: 06.07.2017 um 14:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:43 Uhr
Bittet die Opfer, sich zu melden: Unternehmer Guido Fluri, Initiant der Wiedergutmachungs-Initiative, die eine Entschädigung für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen forderte. (Archivbild)
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Beim Bund haben bisher 2536 ehemalige Verdingkinder Gesuche um finanzielle Wiedergutmachung eingereicht. Das ist weniger als der Bund erwartet hatte. Gemeinsam mit dem Initianten der zurückgezogenen Wiedergutmachungs-Initiative, dem Zuger Unternehmer Guido Fluri, appelliert Bern nun an die Opfer, sich zu melden. 

«Die Politik hat mit dem Gesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen einen grossen Schritt gemacht», sagt Fluri. «Jetzt müssen wir alles unternehmen, damit die Betroffenen von der Möglichkeit Gebrauch machen, das erlittene Leid auch finanziell anerkennen zu lassen.»

Insgesamt 300 Millionen Franken

Der Bund geht davon aus, dass 12'000 bis 15'000 Opfer noch leben, jeder von ihnen hat Anrecht auf einen Solidaritätsbeitrag von maximal 25'000 Franken, je nach Schwere des erlittenen Unrechts. Insgesamt stehen 300 Millionen Franken zur Verfügung.

Gemäss Luzius Mader, Delegierter des Bundes für die Opfer, gibt es verschiedene Gründe für die noch geringen Gesuchszahlen: Viele Betroffene wüssten nicht, dass sie als Opfer gelten oder wie man ein Gesuch stellt. Andere verzichten, weil sie sich schämen, weitere, weil sie trotz der Zwangsmassnahmen ihr Leben gemeistert haben und auf das Geld nicht angewiesen sind.

Frist läuft im kommenden März ab

Fluri appelliert an diese: «Bitte melden Sie sich trotzdem. Die Zahlungen sind keine Almosen, sondern Anspruch für Wiedergutmachung erlittenen Unrechts. Sie können das Geld immer noch für andere Opfer spenden.» Und die Zeit drängt: Am 31. März nächsten Jahres läuft die Frist für die Einreichung der Gesuche ab. Ab April 2018 werden dann die ersten Auszahlungen erfolgen. 

Mader appelliert: «Die Opfer müssen sich melden, denn die Behörden haben meist keine Kenntnis von den einzelnen Fällen.» Wer sich nicht zutraue, die Formulare auszufüllen, könne sich an eine kantonale Anlaufstelle wenden. Auch Fluri bittet eindringlich, sich zu melden: «Kein Geld der Welt kann durch den Missbrauch verpfuschtes Leben ungeschehen machen. Aber es ist ein starkes Zeichen, dass Unrecht geschehen ist.»

Flyer-Aktion soll informieren

Um sicherzustellen, dass auch jedes Opfer über den Wiedergutmachungsbetrag Bescheid weiss, werden die Guido-Fluri-Stiftung und der Bund in den kommenden Wochen einen Flyer produzieren, der in Arztpraxen, Kliniken und Altersheimen ausgelegt werden soll. 

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