Fliegen wir bald ohne schlechtes Gewissen?
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ETH-Pionierprojekt:Philipp Furler (36) tüftelt am Fliegen ohne CO2

ETH-Start-up produziert Kerosin aus Sonne und Wasser
Fliegen wir bald ohne schlechtes Gewissen?

Fast eine Milliarde Tonnen CO2 verursachte 2018 der weltweite Flugverkehr. Ein Schweizer ETH-Start-up will das ändern. Sein Ziel für das nächste Jahrzehnt: Fliegen soll CO2-neutral werden.
Publiziert: 08.06.2020 um 23:05 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2020 um 00:54 Uhr
Tobias Bruggmann

Südkorea–Berlin–Köln. Nein, Flugscham kennt Philipp Furler (36) nicht. Dabei weiss der promovierte Maschinenbauer nur zu gut, dass der Flugverkehr im Jahr 2018 rund 918 Millionen Tonnen CO2 verursachte. «Ich fliege fast nur beruflich und arbeite dafür, dass Fliegen sauberer wird», rechtfertigt sich Furler. Bereits während seiner Studienzeit an der ETH hat er dazu geforscht – 2016 wurde die Studienarbeit offiziell zum Beruf: Mit seiner Firma Synhelion will Furler Kerosin herstellen, das beim Fliegen nur so viel CO2 ausstösst, wie vorher der Luft entzogen wurde.

Dafür steht auf dem Dach des ETH-Gebäudes in Zürich der Prototyp einer Miniraffinerie. Diese ist in einem mobilen Haus auf Schienen untergebracht. Dahinter verbirgt sich komplizierte Technik: «Mit Solarenergie spalten wir CO2 und Wasser. Das Produkt, Syngas, können wir zu Kerosin weiterverarbeiten», erklärt Furler. So wird bei Herstellung des Kerosins gleich viel CO2 aus der Atmosphäre entzogen wie bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird.

Ein Deziliter pro Tag

Noch ist kein Tropfen des synthetischen Kerosins in einen Flugzeugtank geflossen. Weil die produzierte Menge nicht annähernd reicht. Pro Tag kann die Anlage in Zürich nur einen Deziliter produzieren. Ein Flug von Zürich nach New York benötigt aber 45'000 Liter Kerosin.

Mit dieser Anlage auf dem Dach der ETH Zürich will Philipp Furler die Flugwelt revolutionieren.
Foto: Thomas Meier
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Dennoch ist Furler optimistisch. «In zwei bis drei Jahren können erste Flugzeuge mit synthetischem Kerosin abheben.» Noch keine grossen Jets, aber zumindest Kleinflugzeuge. Und wann wird es ausschliesslich synthetisches Kerosin geben? Furler zögert, verwirft die Hände. «Ich hoffe, dass in zehn Jahren mindestens ein grosser Anteil des Flugzeugtanks mit synthetischem Kerosin gefüllt ist», sagt er schliesslich.

Ab in die Sonne

Das Wissen ist da, das Problem sind fehlende Produktionsanlagen. «Jetzt müssen wir die Anlagen vergrössern und die Produktionskosten senken, um mehr Kerosin herzustellen.» Und nicht zuletzt muss Furler in die Sonne. «In Süditalien, Spanien oder Kalifornien kann man auf einem Quadratkilometer 25'000 Liter Kerosin pro Tag erzeugen.»

Auch die Branche glaubt an das künstliche Kerosin. «Langfristig ist synthetischer Treibstoff die Lösung für die Luftfahrt», sagte Swiss-Chef Thomas Klühr (57) im Interview mit SonntagsBlick. Er mahnte aber auch, dass dafür enorme Anfangsinvestitionen nötig seien.

Auch Flughafen Zürich ist interessiert

Mit der Lufthansa hat Synhelion im Mai eine Absichtserklärung unterzeichnet. Der deutsche Flugkonzern hat sich bereit erklärt, später einmal Abnahmekontingente für nachhaltige Treibstoffe zu vereinbaren. Auch der Flughafen Zürich will ab 2023 die gesamte verfügbare Jahresmenge kaufen, die in einer Testanlage in der Schweiz produziert wird. Noch nicht für Flugzeuge, aber für den Fahrzeugpark oder die Heizzentrale, so Flughafen-Sprecherin Bettina Kunz.

Eine Anschubfinanzierung könnte durch das CO2-Gesetz kommen, das der Nationalrat am Dienstag behandelt. Die Umweltkommission will darin verankern, dass das Geld aus der geplanten Flugticketabgabe auch für die Entwicklung von erneuerbarem Flugzeugtreibstoff eingesetzt werden kann.

Flugtickets könnten teurer werden

Für Vielflieger bedeutet synthetischer Treibstoff, dass sie tiefer ins Portemonnaie greifen müssen. Die Flugticketpreise werden steigen, wenn CO2-neutrales Kerosin den Tank füllt. Herkömmliches Kerosin kostet 50 Rappen pro Liter. «Der Preis für CO2-neutrales synthetisches Kerosin liegt langfristig zwischen 1 bis 2 Franken», muss Furler gestehen.

Darum will er zu Beginn Kerosin auf den Markt bringen, das lediglich 50 Prozent weniger CO2 ausstösst als bisher. Dafür aber auch nur wenig teurer ist als Kerosin aus Erdöl. Vorerst gibts nur eine Klimarettung light.

Der zweite Anlauf

Die Grüne Welle wurde auch auf der Anzeigetafel im provisorischen Ratsaal an der Bernexpo sichtbar. Die SVP in rot kämpfte meistens alleine gegen den Rest des Parlaments in grün. Diese Farbe trägt nun auch das neue CO2-Gesetz. Rot hingegen könnte das Portemonnaie bluten.

Benzin und Diesel werden werden bis ab 2025 um bis zu 12 Rappen teurer. Gemäss TCS lag der Durchschnittspreis Ende April bei rund 1.39 Franken – mit dem neuen Gesetz würde der Preis also möglicherweise auf über 1.50 Franken steigen.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) versuchte, zu beschwichtigen: Bei vielen Massnahmen seien Maximalbeträge angegeben: «Alle, die jetzt bereits die maximalen Aufschläge berechnen und den Leuten irgendwelche Horrorrechnungen vorlegen, verschweigen, dass diese maximale Möglichkeit bisher auch nicht ausgeschöpft worden ist». Tatsächlich könnte der Aufschlag auf Benzin und Diesel schon heute fünf Rappen betragen – er liegt aber bei zwei.

Wer in den Sommerferien von Zürich nach Mallorca oder eben weiter weg fliegen will, muss mit dem neuen Gesetz je nach Kategorie werden 30 bis 120 Franken mehr bezahlen. Beim Aufschlag handelt es sich allerdings um eine Lenkungsabgabe. Das heisst: Ein Teil des Geldes wird zurückerstattet. Wer wenig fliege, bekomme also Geld zurück, so Sommaruga.

Jetzt geht das Gesetz zurück in den Ständerat: Die grossen Linien sind gesteckt, doch zum Beispiel bei der Frage, wie viel CO2 im Inland kompensiert werden soll, herrscht noch Uneinigkeit.

Schlussendlich dürfte das Stimmvolk entscheiden. Bereits letzten Herbst kündigte SVP-Präsident Albert Rösti (52) im BLICK das Referendum gegen das Gesetz an an. Auch jetzt ist für die SVP klar, dass die Stimmbürger das letzte Wort haben müssen. Wie sehr sich die SVP für das Referendum engagiert, ist aber noch offen. Man rechne damit, dass die direkt betroffenen Wirtschaftsverbände das Referendum ergreife. Rösti könnte dennoch mit an Bord sein – schliesslich ist er Präsident von Swissoil, dem Dachverband der Brennstoffhändler.

Die Grüne Welle wurde auch auf der Anzeigetafel im provisorischen Ratsaal an der Bernexpo sichtbar. Die SVP in rot kämpfte meistens alleine gegen den Rest des Parlaments in grün. Diese Farbe trägt nun auch das neue CO2-Gesetz. Rot hingegen könnte das Portemonnaie bluten.

Benzin und Diesel werden werden bis ab 2025 um bis zu 12 Rappen teurer. Gemäss TCS lag der Durchschnittspreis Ende April bei rund 1.39 Franken – mit dem neuen Gesetz würde der Preis also möglicherweise auf über 1.50 Franken steigen.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) versuchte, zu beschwichtigen: Bei vielen Massnahmen seien Maximalbeträge angegeben: «Alle, die jetzt bereits die maximalen Aufschläge berechnen und den Leuten irgendwelche Horrorrechnungen vorlegen, verschweigen, dass diese maximale Möglichkeit bisher auch nicht ausgeschöpft worden ist». Tatsächlich könnte der Aufschlag auf Benzin und Diesel schon heute fünf Rappen betragen – er liegt aber bei zwei.

Wer in den Sommerferien von Zürich nach Mallorca oder eben weiter weg fliegen will, muss mit dem neuen Gesetz je nach Kategorie werden 30 bis 120 Franken mehr bezahlen. Beim Aufschlag handelt es sich allerdings um eine Lenkungsabgabe. Das heisst: Ein Teil des Geldes wird zurückerstattet. Wer wenig fliege, bekomme also Geld zurück, so Sommaruga.

Jetzt geht das Gesetz zurück in den Ständerat: Die grossen Linien sind gesteckt, doch zum Beispiel bei der Frage, wie viel CO2 im Inland kompensiert werden soll, herrscht noch Uneinigkeit.

Schlussendlich dürfte das Stimmvolk entscheiden. Bereits letzten Herbst kündigte SVP-Präsident Albert Rösti (52) im BLICK das Referendum gegen das Gesetz an an. Auch jetzt ist für die SVP klar, dass die Stimmbürger das letzte Wort haben müssen. Wie sehr sich die SVP für das Referendum engagiert, ist aber noch offen. Man rechne damit, dass die direkt betroffenen Wirtschaftsverbände das Referendum ergreife. Rösti könnte dennoch mit an Bord sein – schliesslich ist er Präsident von Swissoil, dem Dachverband der Brennstoffhändler.

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