Ex-Aussenministerin Calmy-Rey teilt wegen Ukraine-Krieg aus
«Der Bundesrat kommunizierte katastrophal»

Die frühere Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat den Bundesrat für seinen Auftritt in der Neutralitätsdebatte zum Ukraine-Krieg harsch kritisiert. «Der Bundesrat kommunizierte extrem schlecht, ja katastrophal», sagte die 76-Jährige in einem Interview.
Publiziert: 08.06.2022 um 16:27 Uhr

Die frühere Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat den Bundesrat für seinen Auftritt in der Neutralitätsdebatte zum Ukraine-Krieg harsch kritisiert. «Der Bundesrat kommunizierte extrem schlecht, ja katastrophal», sagte die 76-Jährige in einem Interview.

Die Schweizer Landesregierung habe es versäumt, die Positionen der Schweiz bei einer Pressekonferenz zu Beginn des Krieges klar darzulegen, sagte die frühere SP-Bundesrätin dem Nachrichtenportal «Blue News» in einem am Mittwoch publizierten Interview. «Niemand verstand etwas.»

Sachverhalt unklar kommuniziert

Die internationale Verwirrung um die Schweizer Neutralität hätte es laut Calmy-Rey nicht gegeben, wenn der Bundesrat besser kommuniziert hätte. «Wir liefern den Kriegsparteien keine Waffen und verbieten ihnen die Nutzung des Schweizer Luftraums. Hätte der Bundesrat diesen Sachverhalt klarer kommuniziert, würden sich die Fragen zum Neutralitätsrecht nicht stellen.»

Die frühere Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey fand das Verhalten des Bundesrates in der Ukraine-Krise gar nicht lustig.
Foto: ANTHONY ANEX
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Die Schweizer Neutralität beruhe auf der Achtung des Völkerrechts. «Man ergreift nicht Partei für ein Land, man ergreift Partei für das Recht, und wer die Regeln nicht einhält, wird verurteilt», sagte Calmy-Rey weiter und forderte eine bessere Definition des Begriffs «Krieg». Kriege würden immer komplexer und es herrsche eine Inkohärenz: Die Schweiz könne Waffen nach Saudi-Arabien schicken, aber nicht in die Ukraine. Gleichzeitig seien Bürgerkriege, Stellvertreterkonflikte und Cyberkriege vom Neutralitätsrecht nicht betroffen.

Nach Ansicht der Alt Bundesrätin muss sich die Schweiz mit Blick auf die geplante Ukraine-Wiederaufbaukonferenz von Anfang Juli in Lugano TI zur Beschlagnahmung von Oligarchengeldern klar positionieren. Das Thema werde ihrer Meinung nach «in Lugano schwer zu vermeiden sein».

Noch kein Ende in Sicht

Die grosse Stunde der Diplomatie im Ukraine-Krieg sah Calmy-Rey noch nicht gekommen. «Sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite besteht die Hoffnung auf einen Sieg. Für Russland geht es darum, mehr Territorium zu gewinnen, und für die Ukraine darum, Russland hinter seine Grenzen zu drängen.» Es sei illusorisch zu glauben, dass Russland sich hinter seine Grenzen zurückziehen und die eroberten Gebiete wieder abgeben werde.

Calmy-Rey war zwischen 2003 und 2011 im Bundesrat. Die SP-Politikerin war Vorsteherin des Aussendepartements. Sie setzte sich unter anderem offen für die kosovarische Unabhängigkeit 2008 ein, was ihr in der damaligen Neutralitätsdebatte Kritik einbrachte. (SDA)

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