Ex-Botschafter Guldimann über die Flüchtlingskrise
«Der Druck auf Merkel wird erhöht»

Angela Merkel muss den Zustrom von Flüchtlingen schnell senken, meint SP-Nationalrat Tim Guldimann, sonst habe die Kanzlerin bald ein ernsthaftes Problem. Das Resultat der AfD bei den Landtagswahlen werde zu einem Gradmesser.
Publiziert: 07.01.2016 um 17:22 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:12 Uhr
Joël Widmer
Ex-Botschafter Tim Guldimann in seiner Berliner Wohnung.
Foto: Marcus Höhn

Die Flüchtlingsdebatte in Deutschland kocht weiter. Zu den anhaltend hohen Flüchtlingszahlen kommt nun noch die Debatte um den Sex-Mob in Köln und anderen deutschen Städten. Der FDP-Chef Christian Lindner attackierte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern beim Dreikönigstreffen seiner Partei denn auch scharf. Er wirft Merkel vor, mit einseitigen und nicht abgestimmten Massnahmen den ganzen Kontinent «in ein Chaos gestürzt» zu haben.

Den steigenden Druck auf Merkel beobachtet auch Tim Guldimann, der ehemalige Botschafter der Schweiz in Deutschland: «Das Problem von Frau Merkel ist: Sie hat im Sommer eine Willkommens­kultur ausgerufen, ohne gleichzeitig die Absicht zu bekunden, den Zustrom einzudämmen.» Sie hätte laut dem im Oktober für die SP in den Nationalrat gewählten Guldimann hingegen früh sagen müssen, man verhandle dafür mit Ländern wie der Türkei und verstärke die Hilfe in der Region.

Zu den Angriffen von Lindner und der Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer, die Flüchtlingszahlen auf rund 200 000 pro Jahr zu begrenzen sagt Guldimann: «Derzeit wird der Druck auf Merkel wegen der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz im März erhöht.»

Insbesondere die CSU versuche mit ihren Forderungen, der Protestpartei «Alternative für Deutschland» (AfD) das Feld nicht kampflos zu überlassen. «Die geforderte Begrenzung auf 200 000 Flüchtlinge pro Jahr kann man im Frühling bewirtschaften, wenn der Flüchtlingszustrom wohl schon in den ersten Monaten von 2016 diese Zahl erreicht hat», sagt Guldimann.

Doch der Ex-Botschafter sieht nicht nur Wahlkampf-Getöse. Der deutschen Politik sei eigentlich klar, dass man eine Million Flüchtlinge pro Jahr – wie 2015 – künftig kaum verkraften könne.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist vor den Landtagswahlen unter Druck.
Foto: /EPA DPA/JULIAN STRATENSCHULTE

«Wenn Bundeskanzlerin Merkel die aktuellen Flüchtlingszahlen nicht merklich senken kann, hat sie bald ein ernsthaftes Problem», so Guldimann. Die Zustimmung in der Bevölkerung werde schwinden. «So wird das Resultat der AfD bei den Wahlen in Baden-Württemberg ein wichtiger Gradmesser für die politische Zukunft von Merkel.»

Guldimann erinnert daran, dass schon Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder die verlorene Landtagswahl zum Verhängnis wurde.

Nach den verlorenen Wahlen in Nordrhein-Westfalen 2005 setzte Schröder Neuwahlen an. Resultat: Die CDU legte zu und am Ende stand Angela Merkel an der Spitze der Regierung.

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