Liebling Berset, Schlusslicht Cassis
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Vertrauen in die Bundesräte:Liebling Berset, Schlusslicht Cassis

Exklusive BLICK-Umfrage zum Vertrauen in die Bundesräte
Liebling Berset, Schlusslicht Cassis

Trotz Corona-Krise ist das Vertrauen in den Bundesrat gross – am grössten, trotz aller Kritik, bei Gesundheitsminister Alain Berset. Doch das blinde Vertrauen, das Behörden und Regierung noch vor einem Jahr genossen haben, lässt nach.
Publiziert: 12.03.2021 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2021 um 13:58 Uhr
Er hält in der Krise die Fäden in der Hand: Gesundheitsminister Alain Berset.
Foto: Thomas Meier
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Gianna Blum

Er ist der Mann der Krise, so sehr, dass die SVP ihn gerne als Diktator beschimpft – und trotzdem ist das Vertrauen in SP-Bundesrat Alain Berset (48) ungebrochen. Die grosse Corona-Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Link exklusiv für BLICK erstellt hat, zeigt: Der Gesundheitsminister schwingt obenaus.

Ähnlich hohe Zustimmung geniesst nur die Verteidigungsministerin Viola Amherd (58, Mitte). Beide erzielen im Mittel 3 von 4 möglichen Punkten. Allerdings hat Berset die Nase vorn: Er hat den grössten Anteil an Stimmen, die ihm die Bestnote 4 geben und somit «voll und ganz» vertrauen – nämlich 28 Prozent.

Cassis auf den hinteren Plätzen

Obwohl sich SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (60) mit 2,9 Punkten knapp hinter den beiden klassiert, schenken auch ihr fast so viele Leute «voll und ganz» das Vertrauen wie Berset (26 Prozent).

Bei den Bürgerlichen Männern sinkt dieser Anteil: Nur jeder Zehnte gibt Bundespräsident Guy Parmelin (61, SVP) die höchste Punktzahl. Schlusslicht ist FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (59) – bei ihm sind es bloss 8 Prozent. Bei der Schweizer Bevölkerung kann der Aussenminister grundsätzlich kaum punkten: 35 Prozent vertrauen ihm eher nicht oder gar nicht – das Misstrauen ihm gegenüber ist grösser als bei allen anderen Bundesräten.

Wer bei den Frauen punkten kann

Ähnlich wie beim Öffnungstempo gehen die Meinungen abhängig vom Alter auseinander: Je älter jemand ist, desto grösser ist tendenziell sein Vertrauen. Am höchsten ist es somit bei den über 51-Jährigen. Und bei Frauen ist es generell grösser. Vor allem Sommaruga geniesst viel Rückhalt in der weiblichen Hälfte der Bevölkerung. Bei Finanzminister Ueli Maurer (70, SVP) und FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter (57) hat das Geschlecht dagegen keinen Einfluss.

Ob man sich nun eher mit Maurer oder doch mit Berset anfreunden kann: Grundsätzlich geniesst die Landesregierung immer noch grossen Rückhalt bei drei Viertel der Bevölkerung. Und über 70 Prozent sind der Ansicht, dass die Landesregierung im zweiten Lockdown richtig reagiert habe.

Blindes Vertrauen war letztes Jahr

Können sich die Herren und Damen der Exekutive entspannt zurücklehnen? Mitnichten. Das Vertrauen ist grundsätzlich zwar relativ gross – aber es ist längst nicht mehr so bedingungslos wie noch vor einem Jahr. Damals hat das Institut GFS Bern nämlich in einer ebenfalls repräsentativen Umfrage in Zusammenarbeit mit BLICK, «Le Temps» und «Corriere del Ticino» die gleichen Fragen gestellt. Und während der Anteil der Menschen, die der Landesregierung grundsätzlich vertrauen, nur marginal abgenommen hat, haben sich die Anteile innerhalb dieses Zustimmungslagers verschoben: Im Frühling 2020 gab noch ein Drittel der Bevölkerung der Landesregierung die Bestnote, heuer sind dies nur noch 17 Prozent.

Dieses Muster zeigt sich auch beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): Dem Krisenmanagement des BAG geben heute nur noch magere 13 Prozent die Bestnote – vor einem Jahr waren es drei Mal so viele. Zwar ist das Vertrauen grundsätzlich mit 71 Prozent Zuspruch da. Aber eben: «Die Menschen stehen nicht mehr bedingungslos hinter denen, die uns durch die Krise führen», wie Studienleiterin Sabrina Pfister sagt.

Interessant sei dabei auch der Kontrast mit den USA und China, deren Krisenmanagement sehr kritisch beurteilt wird. Ein wertvoller Vergleich, findet Pfister, denn er zeige: «Man glaubt nicht einfach allen Regierungen, sondern die Beurteilung ist differenziert.»

Maulkorb wäre nicht goutiert worden

Zurück in die Schweiz: Gross war die Empörung von bürgerlichen Politikern darüber, dass sich Mitglieder der wissenschaftlichen Corona-Taskforce laufend öffentlich geäussert haben. Manche von ihnen wollten der Taskforce gar einen Maulkorb verpassen. Das hätte die Bevölkerung kaum goutiert: Denn generell geniesst die Wissenschaft sehr grosses Vertrauen – ein höheres als der Bundesrat, das BAG und vor allem auch als die Weltgesundheitsorganisation. Jeder Vierte vertraut der Wissenschaft heute «voll und ganz», und mehr als jede zweite Person vertraut ihr «eher». Im Gegensatz zu den Behörden haben die Epidemiologinnen und die Virologen seit letztem Jahr auch kaum an Rückhalt verloren.


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