FDP-Ständerat Martin Schmid sieht geringe Folgen für unser Land
Schweizer Gas-Präsident gibt Entwarnung

Auch wenn morgen der Gashahn zugedreht würde, müssten wir nicht frieren, verspricht Gaspräsident Martin Schmid. Bis es wärmer wird, kann sein Verband genügend Gasmengen liefern. Man organisiere jetzt schon das Gas für den kommenden Winter.
Publiziert: 09.03.2022 um 13:08 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2022 um 14:03 Uhr

Ein Lieferstopp für russisches Gas wäre für die Schweiz zu verkraften, stellt FDP-Ständerat Martin Schmid (52) klar. Der Bündner ist Präsident des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie.

Die Branche habe das Szenario, dass der Gashahn zugedreht wird, «bereits frühzeitig in unsere Eventualplanung aufgenommen», sagt Schmid im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Dabei sei man zum Schluss gekommen, «dass ein solcher Lieferstopp in der Schweiz kurzfristig keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit mit Gas hätte». Und: «Wir sind überzeugt, dass wir die Versorgung in den Monaten März und April im Griff haben.»

Kein kaltes Wohnzimmer

Im Klartext: Wer eine Gasheizung zu Hause hat, muss nicht fürchten, bis zum Ende der laufenden Heizperiode plötzlich mit einer Winterjacke im Wohnzimmer zu sitzen. Klar sei aber, ein Embargo von russischem Gas und Öl hätte deutlich höhere Preise in Europa zur Folge, so der Freisinnige weiter. Es sei jedoch derzeit sehr schwierig, längerfristige Prognosen zu erstellen. In Absprache mit dem Bundesrat haben die Gasversorger sich zusammengetan. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, die Beschaffung und Versorgung mit Gas für den nächsten Winter abzusichern.

Gaspräsident Martin Schmid macht klar, dass wir nicht frieren müssen, auch wenn Russlands Präsident Wladimir Putin den Gashahn zudreht.
Foto: Keystone
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Import von Flüssiggas

Das Okay des Bundesrats brauchte es, weil es sonst kartellrechtlich nicht möglich gewesen wäre, dass die Versorger gemeinsam Gas beschaffen. Dank der Freigabe durch die Regierung kann die Branche nun aber ausserordentliche Beschaffungen in grossem Umfang organisieren. So sollte es möglich sein, trotz des Konflikts zwischen der EU und Russland wegen des Einfalls in der Ukraine auch kommenden Winter garantiert genügend Gas zu haben.

Etwa 50 Prozent des Schweizer Gases stammt aus Russland, wobei der Gasanteil am hiesigen Energiemix verglichen mit anderen Staaten nicht besonders hoch ist. Zudem bezieht unser Land den russischen Gasanteil nicht direkt aus Russland, sondern von verschiedenen Handelsplätzen in Europa. «Wenn Russland kein Gas mehr liefert oder sich Europa entscheidet, kein Gas mehr zu beziehen, dann wird Europa nach unserer Beurteilung stärker auf den Import von verflüssigtem Erdgas aus verschiedenen Regionen der Welt setzen, besonders aus den USA und Katar», erklärt Schmid der NZZ.

Leitung ist ein Trumpf

Wir befänden uns dabei in der glücklichen Lage, dass eine Nord-Süd-Transitleitung unser Land quert, wodurch die Schweiz sowohl aus Italien als auch aus Deutschland Gas beziehen kann. Hinzu komme die Möglichkeit, über Einspeisepunkte aus Frankreich Gas zu beziehen, so der Gaspräsident.

Die Transitleitung verleihe der Schweiz eine strategisch wichtige Position in der europäischen Gasversorgung, erläutert Schmid. Wir würden ja nur gerade zehn Prozent des durchgeleiteten Gases beziehen. «Deshalb schätze ich die Gefahr als klein ein, dass die EU oder unsere Nachbarstaaten eine Lösung ohne Einbezug unseres Landes treffen werden», sagt der Ständerat.

Es braucht Speicher

Schmid räumt aber ein, dass ein Speicher in der Schweiz unsere Versorgungssicherheit natürlich erhöhen würde. Der Vertreter der Gasbranche erinnert daran, dass man im Grimselgebiet in den Alpen ein Projekt für eine unterirdische Speicherkaverne realisierten möchte, was bislang aber noch nicht geklappt hat. Die Romandie aber kann staatsvertraglich abgesichert auf einen Speicher in Frankreich zugreifen.

Schmid plädiert dafür, vorhandene Projektideen, beispielsweise ein Speicherbau im Goms VS, zu realisieren. Dies auch, weil die erneuerbaren Gase künftig eine immer grössere Rolle spielen würden und man auch dafür inländische Speicher benötige.

Wer zahlt?

Für den Gaspräsidenten muss auch die Frage geklärt werden, wer für die Kosten des Gasspeichers aufkommt – der Staat oder die Haushalte und Kunden. Energieministerin Simonetta Sommaruga (61) will die Mehrkosten für ihre Wasserstromreserve und den Bau von Gaskraftwerken für den Fall einer Stromknappheit bereits den Haushalten aufbürden. Das hat inzwischen bereits den Preisüberwacher Stefan Meierhans (53) auf den Plan gerufen. Dieser stellt nur schon infrage, ob die heutige Strompreisgestaltung rechtens ist. Dass den Konsumentinnen und Konsumenten noch weitere Energiekosten in Rechnung gestellt werden sollen, ist für ihn ein No-Go.

Gaspräsident Martin Schmid hält die Angst davor, dass es in wenigen Jahren im Winter zu Situationen kommen könnte, in denen die Schweiz über zu wenig Strom verfügt, für berechtigt. Mit dem Bau von zwei Gaskraftwerken, die nur dann den Betrieb aufnehmen würden, wenn ein Strommangel droht, trage der Bundesrat zu einer sicheren Stromversorgung bei, findet er. Schmid verlangt nun, dass die Versorgungssicherheit auch beim Gas gewährleistet sein müsse.

Besser Biogas

Der Vertreter der Gasbranche zeigt sich im Interview überzeugt, dass erneuerbare Gase – also beispielsweise aus Biomasse – im künftigen Energiemix, der wohl ohne Verbrennung von herkömmlichen Gas, Öl und Kohle daherkommt, «eine sehr grosse Rolle spielen werden».

Sein Verband will bis im Jahr 2030 die 30-Prozent-Schwelle bei den erneuerbaren Gasen im Wärmemarkt überschreiten. So könnte die Abhängigkeit von fossilen Gasen deutlich vermindert werden. Schon heute können Gas-Kunden auf einen hohen Biogasanteil setzen und damit die Abkehr vom – zu 50 Prozent russischen – fossilen Gas befeuern. (pt)

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