Forscher nutzen Abwasser als Frühwarnsystem zur Pandemie-Prognose
Virenjäger in der Kläranlage

Testen, testen, testen: Die Strategie zur Corona-Bekämpfung gilt nicht nur für Menschen, sondern auch fürs Abwasser. Das Bundesamt für Gesundheit spannt mit Wasserforschern der ETH zusammen, um dem Virus auf die Spur zu kommen.
Publiziert: 10.03.2021 um 06:39 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2021 um 21:39 Uhr
Lea Hartmann

Nebst Fallzahlen, Auslastung der Intensivstationen und Positivitätsrate könnte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) künftig auch das Abwasser anschauen, um den Verlauf der Corona-Pandemie abzuschätzen. Denn eine Untersuchung von Wissenschaftlern des ETH-Wasserforschungsinstituts Eawag und der ETH Lausanne zeigt: Sind die Fallzahlen hoch, steigt auch die Virus-Konzentration im Abwasser.

Über Kot und Urin landet das Coronavirus auch in der Kläranlage. Und die Messungen dort dienen als «Frühwarnsystem» für eine nächste Welle oder eine künftige Pandemie, sagte Eawag-Forscher Christoph Ort an der heutigen Corona-Medienkonferenz des Bundes. Er und weitere Forschende untersuchen bereits seit Anfang der Pandemie das Abwasser auf Spuren des Coronavirus. Nun spannen sie mit dem BAG zusammen und erweitern das Covid-Monitoring bei Kläranlagen.

Mit dem Abwasser den R-Wert schätzen

So wollen die Forscher künftig versuchen, anhand der Abwasser-Proben die Reproduktionszahl zu schätzen. Diese zeigt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Heute wird der sogenannte R-Wert anhand der bestätigten Corona-Fälle berechnet. Doch das geht auch übers Abwasser, wie ein Pilotversuch bereits gezeigt hat. Der grosse Vorteil: Statt Zehntausende Tests reichen ein paar Dutzend Wasserproben.

Die Coronavirus-Konzentration im Abwasser entspricht ziemlich genau der Zahl der bestätigten Fälle. Die Abweichung der Kurven zwischen Oktober und Februar könnte die Dunkelziffer zeigen.
Foto: Blick Grafik
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Das Abwasser könnte den Pandemie-Verlauf zudem genauer abbilden. Zwischen Oktober und Februar liess die Virus-Konzentration im Abwasser auf deutlich mehr Fälle schliessen als täglich registriert wurden. Dies könnte laut Ort ein Hinweis auf eine hohe Dunkelziffer sein.

Kein Ersatz für Corona-Tests

Sein Fazit: «Das Abwasser ist ein unabhängiger und relativ kostengünstiger Indikator für die Dynamik der Pandemie.» Zudem könne man im Abwasser auch neue Virusvarianten nachweisen und deren Ausbreitung abschätzen.

Noch nicht möglich ist derweil, anhand der Abwasserproben zu schätzen, wie viele Personen sich infiziert haben. Die Wasseruntersuchungen sind deshalb kein Ersatz, aber eine Ergänzung zum Testen.

Die Kläranlage ist im Übrigen Endstation für das Virus. Derzeit gäbe es keine Hinweise darauf, dass sich das Virus über das Abwasser beziehungsweise das saubere Wasser verbreitet, halten die Forscher fest.


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