Fusionsidee rüttelt GLP und Mitte auf
«Wir lassen uns sicher nicht schlucken»

Ein prominentes GLP-Mitglied schlägt seiner Partei eine Fusion mit der Mitte vor. So könnte man zwei Bundesräte stellen. Eine verlockende Idee für die Machtpolitiker im Bundeshaus. Aber sie hat ihre Tücken.
Publiziert: 12.12.2023 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2023 um 10:55 Uhr

Mitte-Partei und Grünliberale sollen fusionieren. Mit dieser radikalen Idee überraschte Georges Kern (58), Chef des Uhrenherstellers Breitling und Vorstandsmitglied der Kantonalzürcher GLP am Montag im Interview mit dem «Tages-Anzeiger».

Kern glaubt, dass dadurch eine starke politische Kraft im Zentrum entstehen könnte, die auch zwei Bundesratssitze legitimieren würde. In der Tat: Zählt man die Wähleranteile von Mitte und GLP zusammen, würden sie der SP Konkurrenz machen. Eine Aussicht, die auch Mitte-Exponenten hinter vorgehaltener Hand träumen lässt.

Welches Profil kann eine solche Partei haben?

Doch wie sinnvoll wäre ein Zusammengehen, mal abgesehen von der Machtfrage? Für Kern passen beiden Parteien auch kulturell und inhaltlich zusammen, weil sie sich ergänzen. Das kann man so sehen. Die GLP ist allerdings in Umweltfragen und gesellschaftspolitischen Angelegenheiten linker als die Mitte, auch in der Landwirtschafts- und Verkehrspolitik haben die beiden Parteien das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne.

«Als Vertreter der Wirtschaft ist es Kerns gutes Recht, so zu denken», sagt GLP-Chef Jürg Grossen.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Frage ist dann aber: Welches Profil soll so eine Partei haben? Selbst in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, wo beide ähnlich ticken, steckt der Teufel im Detail: So kämpft die GLP seit langer Zeit engagiert für die Individualbesteuerung, die Mitte ist strikt dagegen.

«Das ist sein gutes Recht»

Kommt dazu: Die nicht einmal 20 Jahre alte GLP würde in einem solchen Szenario von der Mitte mit ihrer über 100 Jahre alten Geschichte schlicht geschluckt. In der GLP kommt das Interview denn auch nicht sonderlich gut an. Nicht wenige nerven sich, dass mit Kern ein namhaftes Mitglied der Partei deren Auflösung vorschlägt.

GLP-Chef Jürg Grossen (54) ist diplomatischer: «Als Vertreter der Wirtschaft ist es Kerns gutes Recht, so zu denken.» Er sei stolz, dass es solch starke und moderne Wirtschaftsvertreter in der Partei gebe. Aber: «Wir lassen uns sicher nicht schlucken.»

Man arbeite mit der Mitte «gut» zusammen, eine wichtige Gemeinsamkeit sei, dass beide Parteien lösungsorientierte Politik machten. Aber: «Die GLP ist eine progressive Zentrumspartei, die Mitte eine konservative», so Grossen weiter. 

Moser erhielt einen Korb von der Mitte

Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61), der seit den Wahlen betont, dass es nun neben dem linken und dem rechten Pol wieder eine starke politische Mitte gebe, will sich zu etwaigen Fusionsideen nicht äussern. Sowieso wischt man bei der Mitte – zumindest öffentlich – alle solchen Pläne vom Tisch. Mitte Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (45) sagt bloss: «Kerns Aussagen zeigen vor allem eines: Die Wirtschaft hat realisiert, dass eine starke Mitte unabdingbar ist.» Die Mitte biete Hand dafür.

Wobei es da noch reichlich Luft nach oben gibt. Wie es um die Zusammenarbeit der beiden Zentrumsparteien steht, kann man nur schon daran sehen, dass die neue Zürcher GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser (44) von den Mitte-Ständeräten einen Korb kassierte: Sie wollte sich der Mitte-Gruppe anschliessen. Nun politisiert sie gemeinsam mit den Grünen.

Der nächste Test für die neue Freundschaft bietet sich am Mittwoch. Die GLP wird dann genau beobachten, ob ihr Bundeskanzlerkandidat Viktor Rossi (55) von der Mitte unterstützt wird.

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