Warum nennen Sie es nicht Völkermord, Frau Sommaruga?
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Vor 25 Jahren:Bosnier gedenken an Völkermord von Srebrenica

Gedenken an Srebrenica
Warum nennen Sie es nicht Völkermord, Frau Sommaruga?

Das Massaker von Srebrenica vor 25 Jahren gilt als der erste Völkermord auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur: Weder Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga noch Aussenminister Ignazio Cassis nannten ihn in ihren Gedenk-Wortmeldungen so.
Publiziert: 12.07.2020 um 20:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2020 um 20:41 Uhr
Sermîn Faki

25 Jahre ist es her, dass Militäreinheiten des bosnisch-serbischen Armeeführers Ratko Mladic (77) im ostbosnischen Srebrenica mehr als 8000 Männer und Jungen ermordeten. Weil sie Muslime waren. Am Wochenende gedachten die Angehörigen an einer Trauerfeier der Opfer des Massakers, Staatschefs aus aller Welt drückten per Videobotschaften ihre Anteilnahme aus.

Auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) sprach anlässlich des 25. Jahrestags des ersten Völkermordes auf europäischem Boden seit 1945. Aber sie nannte das Verbrechen ebenso wenig Völkermord wie Aussenminister Ignazio Cassis (59), der sich am Samstag mit einem Gastkommentar in der «NZZ» zum Thema zu Wort gemeldet hatte. Sie schrieben und sprachen von «Massaker», «Kriegsverbrechen» und «Gräueltat» – das Wort Völkermord kam ihnen nicht über die Lippen.

Steinmeier glasklar, Schweiz zurückhaltend

Ganz im Gegensatz etwa zum deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (64), der in seiner Videobotschaft unmissverständlich sagte: «Es war Völkermord.» Warum sind die Schweizer Vertreter so zurückhaltend?

Mehr als 8000 muslimische Männer und Buben wurden am 11. Juli 1995 in Srebrenica gezielt getötet.
Foto: Keystone
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Auf BLICK-Anfrage teilen das Aussen- und Sommarugas Präsidialdepartement mit, dass der Massenmord von Srebrenica 1995 «sowohl ein Massaker als auch Völkermord» gewesen sei. Unter anderem habe der Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien festgehalten, dass ohne jeglichen nachvollziehbaren Zweifel nachgewiesen werden konnte, dass Völkermord begangen worden sei. Der Bundesrat teile diese Beurteilung, wie er bereits 2005 festgehalten habe. Dies gelte auch für die Bundespräsidentin und den Aussenminister.

Serbien will von Völkermord nichts wissen

Die Nachfrage, ob die Zurückhaltung damit zu tun habe, dass die Schweiz versuche, die Beziehung zu Serbien nicht zu belasten, beantworteten weder Sommaruga noch Cassis.

In Serbien mehren sich die Stimmen, die den Völkermord leugnen – bis hinauf in höchste Staatsämter. Erst kürzlich relativierte der serbische Präsident Aleksandar Vucic (50) das Massaker, indem er es als als etwas bezeichnete, «auf das wir nicht stolz sein sollten und können». Den Begriff Völkermord vermeidet auch er.

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