Generika-Hersteller fordern mehr Geld und werfen Bund Planlosigkeit vor
Erst Engpass – jetzt auch noch Preiskampf um Antibiotika

Das beliebte Antibiotikum Amoxicillin ist kaum mehr verfügbar, auch die Herstellung rechnet sich nicht mehr. Die Generika-Hersteller fordern höhere Preise – und werfen dem Bund vor, das Problem nicht ernst genug zu nehmen.
Publiziert: 13.07.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2024 um 10:34 Uhr
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Die Liste der Medikamente mit Lieferengpässen ist lang. Über 100 Arzneimittel sind derzeit laut dem Bund nur beschränkt oder gar nicht verfügbar. Darunter nicht nur gängige Husten- und Schmerzmittel, sondern auch wichtige Antibiotika wie Amoxicillin.

Das Medikament wird bei bakteriellen Infektionen wie Blasen-, Mittelohren- oder Lungenentzündungen verwendet, häufig kommt es auch bei Kindern und Jugendlichen zum Einsatz. Gerade bei ihnen ist der Wirkstoff essenziell, etwa als Sirup zur Behandlung von Scharlach. Nur: Die Regale sind leer.

Eine komplexe Verkettung globaler und wirtschaftlicher Faktoren hat zu diesem Engpass geführt. Um Kosten zu sparen, werden heute immer mehr Medikamente in Billiglohnländern wie Indien oder China produziert. Unerwartete Ereignisse wie die Covid-19-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine können das gesamte Liefernetz beeinträchtigen und die Auslieferung von Medikamenten verzögern.

In der Schweiz gibt es einen Engpass des Antibiotikums Amoxicillin. (Symbolbild)
Foto: AFP
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Generikahersteller fordern höhere Preise

Was tun? Für Intergenerika, den Verband der Generikahersteller in der Schweiz, steht fest: Es braucht eine Anpassung der Preise. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) müsse die Preise für ausgewählte Antibiotika-Wirkstoffe erhöhen, fordert der Verband. Dazu muss man wissen: In der Schweiz definiert das BAG den Preis eines Medikaments und überprüft diesen alle drei Jahre. Die Preise für Generika senkt es regelmässig.

Die Anzahl der Generika-Firmen, die in der Schweiz Antibiotika anbieten, hat drastisch abgenommen. 2005 gab es zehn Anbieter, heute sind es noch vier. Immer häufiger steigen Hersteller aus der Antibiotika-Produktion aus – weil sie unrentabel geworden ist.

Denn auch die Preise für Antibiotika sind drastisch gesunken – im Durchschnitt um 55 Prozent zwischen 2005 und 2024. In Tablettenform kostet heute ein Milligramm Amoxicillin im Schnitt 0.58 Rappen. In Pulverform liegt der Preis für dieselbe Menge im Schnitt bei 0.64 Rappen.

Generikahersteller warnen vor Produktionsstopp

Für die Patientinnen und Patienten klingt das erfreulich. Allerdings nur auf den ersten Blick. Generikahersteller drohen, die Produktion einzustellen, weil es sich für sie nicht mehr rentiert. Denn während die Preise im Keller sind, schossen die Produktionskosten in die Höhe. Die Herstellungskosten stiegen um durchschnittlich 40 Prozent. Hauptsächlich wegen gestiegener Rohstoffpreise, höherer Energie-, Transport- und Lohnkosten.

Blick weiss, dass ein Schweizer Amoxicillin-Hersteller, der nicht namentlich genannt werden will, darum im März vergangenen Jahres beim BAG ein Preiserhöhungsgesuch gestellt hat. Über ein Jahr später ist es noch immer hängig. Im Falle eines Produktionsstopps müsste Amoxicillin teuer im Ausland eingekauft werden – ein Szenario, vor dem auch Gesundheitsexperten warnen. Auch, weil der Einkauf im Ausland mit viel mehr Bürokratie verbunden wäre.

Wie reagiert das BAG?

Das BAG hält auf Anfrage fest, dass gemäss der entsprechenden Verordnung Preiserhöhungen nur erlaubt seien, wenn die Versorgung der Schweizer Bevölkerung gefährdet sei und es keine Therapiealternativen gebe. Entsprechende Abklärungen könnten ein solches Verfahren verzögern.

Auch bei den Preiserhöhungsgesuchen für Amoxicillin-Tabletten und -Suspensionen, also dem Wirkstoff in flüssiger Form, habe das BAG «entsprechende Kriterien geprüft und berücksichtigt sie bei seinem Entscheid, ob eine Preiserhöhung möglich ist». Die Beurteilung der Gesuche sei noch nicht abgeschlossen. Die Chance besteht, dass das BAG bereit ist, den Preis zumindest für die Suspension zu erhöhen, weil die spezifisch bei Kindern eingesetzt wird.

Intergenerika kritisiert die lange Wartefrist. «Es ist unverständlich, dass das BAG über ein Jahr braucht, um über ein Preiserhöhungsgesuch zu entscheiden», ärgert sich Intergenerika-Geschäftsführer Lucas Schalch (60). «Es wirkt rat- und planlos, wie man mit diesem relevanten Problem auf dem Schweizer Gesundheitsmarkt umgeht.» Das tangiere in erster Linie die Patientensicherheit – gerade weil auch Antibiotika für Kinder betroffen seien.

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