Geschichte der Frauen
Bundesrat will mit Hexen nichts zu tun haben

Auch wenn es sich um ein dunkles Kapitel der Schweiz handle: Der Bundesrat hat kein Interesse, an die Opfer von Hexenverfolgungen zu erinnern.
Publiziert: 02.09.2022 um 15:59 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2022 um 13:58 Uhr

Unter Folter hatte sie zugegeben, die Kräfte des Teufels zu nutzen. Wegen Hexerei war Anna Göldi 1782 von einem Glarner Gericht zum Tode mit dem Schwert verurteilt worden. Der Vorwurf: Die Dienstmagd soll mehrmals Stecknadeln in die Milch einer Tochter ihres Herrn gezaubert haben. Auch habe die Tochter mehrfach Nägel gespuckt. Göldis Tod war die letzte legale Hexenhinrichtung und rief europaweit Empörung hervor.

«Die Hexenverfolgung ist ein schwarzes Kapitel der Menschheits- und der Schweizer Geschichte», findet der Bundesrat. Trotzdem hat er kein Interesse daran mitzuhelfen, dass über die Geschichte der Gleichstellung offiziell an die Opfer von Hexenverfolgungen erinnert wird. Das sollen andere machen, stellt er auf einen Vorstoss der Grünen-Nationalrätin Léonore Porchet (33) hin klar.

In der Schweiz rund 3000 Personen angeklagt

Porchet hatte daran erinnert, dass zwischen 1430 und 1660 in der Schweiz rund 3000 Personen wegen Hexerei angeklagt worden sind – zum grössten Teil Frauen. Das Thema sei wichtiger Bestandteil der Geschichte der Frauen. Es geht darum, Erinnerungsarbeit zu leisten und die Bedeutung von Gleichheit, Menschenrechten, Unabhängigkeit und Integrität der Justiz bewusster zu machen.

Das Anna-Göldi-Museum in Glarus erinnert an jene Frau, die als letzte in der Schweiz wegen Hexerei hingerichtet wurde.
Foto: Sabine Wunderlin
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«Das Ausmass und die Dauer dieser Periode in unserer Geschichte verdienen es, der breiten Öffentlichkeit bekannter gemacht zu werden», ist Porchet überzeugt. Kommt hinzu: Die französischsprachige Schweiz sei jene Region in Europa, in der verhältnismässig am meisten Menschen wegen Hexerei hingerichtet worden seien.

«Unrecht kolossalen Ausmasses»

Die Schweiz würde keineswegs eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn sie sich diesem dunklen Kapitel ihrer Geschichte annähme. So hat sich die schottische Regierung im vergangenen Frühling nicht nur für das «Unrecht kolossalen Ausmasses» entschuldigt. Auch sollen diejenigen nachträglich begnadigt werden, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wegen Hexerei zum Tode verurteilt wurden. So sollen die Behörden damaliges Fehlverhalten bei der Verfolgung eingestehen.

Das katalanische Regionalparlament habe Anfang Jahr eine Resolution zur Rehabilitierung von mehr als 800 Frauen verabschiedet. Diese waren zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert der Hexerei angeklagt worden.

Der Bund hätte genug Vorbilder

Und auch in der Schweiz selber gäbe es Beispiele, die sich der Bundesrat zum Vorbild nehmen könnte. Porchet nennt etwa den Catherine-Repond-Platz in Freiburg, den Zürcher Hexenrundgang oder das Anna-Göldi-Museum im Kanton Glarus.

Die Regierung und der zuständige Innenminister Alain Berset (50) verweisen darauf, dass im Parlament derzeit die Schaffung eines nationalen Frauenmuseums diskutiert werde. «In diesem Rahmen könnte auch die Hexenverfolgung in geeigneter Weise thematisiert werden», so die Landesregierung. Es sei aber nicht Sache des Bundes zu prüfen, wie die Geschichte der Hexenverfolgung dabei am besten zu vermitteln wäre. Das sollen andere machen. (dba)

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