Gesetz ändert sich
Diese vier Neuerungen sollen bei Prämienschulden helfen

Vier Systemfehler werden ausgemerzt. Das kommt nicht nur verschuldeten Versicherten, sondern auch den Kassen zugute.
Publiziert: 12.06.2024 um 16:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2024 um 18:30 Uhr
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Julia Gubler
Beobachter

Wer nicht mehr alles zahlen kann, steht meistens auch bei der Krankenkasse in der Kreide: Der zweithäufigste Grund für Schulden sind ausstehende Krankenkassenprämien. Laut Schuldenberatung Schweiz häuften sich im Jahr 2023 rund 44 Millionen Franken an – so viel wie noch nie. Der Schuldenberg hat sich in den letzten acht Jahren fast verdoppelt. Nur Steuerschulden gibt es noch mehr. Verschiedene gesetzliche Bestimmungen haben den Verschuldeten das Leben zusätzlich schwer gemacht und sie noch weiter in die Schuldenspirale getrieben.

Artikel aus dem «Beobachter»

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In vier Punkten wurde das Krankenversicherungsgesetz angepasst – der eine Teil ist schon in Kraft getreten, der andere steht noch an. Die Neuerungen bringen auch den Krankenkassen gewisse Vorteile.

Mit verschiedenen Anpassungen sollen Leuten mit Krankenkassenschulden geholfen werden.
Foto: Keystone/CHRISTIAN BEUTLER
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Diese Situationen sollte es also nicht mehr geben:

1

Schulden der Eltern begleichen

Luis wird nach seinem 18. Geburtstag von der Krankenkasse für 8000 Franken betrieben, weil seine Eltern jahrelang keine Prämien für ihn bezahlt haben.  

Bis vor kurzem war es so, dass die Eltern für ihre minderjährigen Kinder zwar zahlen mussten, das Kind selbst aber rechtlich als Schuldner galt. Die Konsequenz: Das Kind konnte für die Versäumnisse der Eltern betrieben werden, sobald es volljährig wurde. Das Erwachsenenleben konnte so mit einem Schuldenberg starten, für den die Jungen absolut nichts konnten. 

Seit dem 1. Januar 2024 ist aber Schluss damit. Die Krankenkasse kann junge Erwachsene nicht mehr für ausstehende Prämien oder Kostenbeteiligungen betreiben, die die Eltern nicht beglichen haben. Falls sie es trotzdem tut, ist die Betreibung nichtig. 

2

Weniger fürs Existenzminimum

Mia kann ihre Prämien nicht zahlen, weil ihr Lohn gepfändet wird. Das verbleibende Existenzminimum reicht nicht, um alles zu decken. 

Wer in einem Pfändungsverfahren steckt, muss belegen, dass sie oder er die laufenden Prämien regelmässig bezahlt. Nur dann werden diese Kosten im Existenzminimum berücksichtigt. Sprich, nur dann belässt das Betreibungsamt der Schuldnerin mehr vom Lohn, um die Prämien zu bezahlen. Oft ist diese administrative Vorgabe eine grosse Hürde – viele Menschen mit Geldproblemen sind gerade nicht die besten Buchhalter. 

Betroffene können ab dem 1. Juli 2024 neu das Betreibungsamt damit beauftragen, die Prämien zu zahlen. Das führt dazu, dass die Prämien ihren Weg sicher und ohne administrativen Zwischenschritt ins Existenzminimum finden und man unterm Strich mehr Geld übrig hat. Und die Versicherungen müssen weniger oft betreiben.

3

Gebühren wegen häufiger Betreibungen

Die Krankenkasse betreibt Can alle drei Monate erneut, weil er in der Schuldenspirale steckt und die Prämien nicht zahlen kann. 

Krankenversicherungen können ihre Versicherten grundsätzlich so oft betreiben, wie sie möchten. Heisst: Sie dürfen jede Monatsprämie einzeln betreiben – Monat für Monat. Wenn jemand die Kontrolle über seine Finanzen verloren hat, bringt das nichts, um ihn zur Zahlung zu bringen. Sondern macht den Schuldenberg einfach noch grösser: Es fallen mit jeder Betreibung Betreibungskosten an, die am Schluss der Schuldner zahlen muss. 

Ab dem 1. Januar 2025 dürfen Krankenversicherer nur noch maximal zwei Betreibungen pro Jahr gegen dieselbe versicherte Person einleiten. Damit wird die Zahl der Betreibungsverfahren gesenkt, und die Schuldnerin hat mehr Zeit, ihre finanzielle Schieflage wieder geradezubiegen. Und: Es fallen weniger Betreibungsgebühren an, die zusätzlich auf dem Schuldenberg landen.

4

Versicherungswechsel verunmöglicht

Angela kann wegen ihrer Schulden die Krankenkasse nicht wechseln, die die Verlustscheine hortet. 

Wenn jemand betrieben und dann gepfändet wird, aber nichts zu holen ist, gibt es einen Verlustschein. Die Kantone bezahlen den Krankenkassen aktuell 85 Prozent der offenen Beträge, die in Verlustscheinen festgehalten sind. Die Scheine bleiben aber bei der Krankenkasse, sie bleibt die Gläubigerin. Das ist ein Problem: Denn Versicherte können die Kasse nicht wechseln, solange sie nicht alle ausstehenden Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinsen und Betreibungskosten beglichen haben – so steht es im Gesetz. Das führt dazu, dass man auch nicht von günstigeren Prämien profitieren kann. 

Ab dem 1. Juli 2025 können die Kantone die Verlustscheine übernehmen, wenn sie der Krankenkasse 90 Prozent der offenen Beträge bezahlen. Damit schuldet der Versicherte der Krankenkasse nichts mehr und kann zu einem günstigeren Versicherer wechseln. Weil es sich um eine Kann-Bestimmung handelt, bleibt abzuwarten, inwiefern die Kantone davon Gebrauch machen werden.

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