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Gewaltfreie Kindererziehung
Bundesrat will Ohrfeigen verbieten

Der Bundesrat will die gewaltfreie Erziehung ins Gesetz schreiben. Denn heute schützt zwar das Strafrecht Kinder vor Schlägen und anderer Gewalt. Ein eigentliches Züchtigungsverbot gibt es aber nicht.
Publiziert: 23.08.2023 um 11:54 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2023 um 12:18 Uhr
Eine Befragung der Universität Freiburg zeigt: Fast die Hälfte der Schweizer Eltern wendet in der Erziehung körperliche oder psychische Gewalt an.
Foto: SHUTTERSTOCK
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Gemäss einer Umfrage der Universität Freiburg wendet fast die Hälfte der Schweizer Eltern in der Erziehung körperliche oder psychische Gewalt gegen ihre Kinder an: Von rund 1000 befragten Eltern gaben 40 Prozent an, schon einmal eine Körperstrafe angewendet zu haben. 

Die Rechtslage ist unklar: Zwar schützt das Strafrecht Kinder vor Gewalt. Ein eigentliches Züchtigungsverbot gibt es aber nicht. Selbst das Bundesgericht sieht körperliche Züchtigung im Rahmen der Familie nicht als physische Gewaltakte an, wenn sie ein gewisses von der Gesellschaft akzeptiertes Mass nicht überschreitet und die Bestrafung nicht allzu häufig wiederholt wird.

Eltern werden zu gewaltfreier Erziehung verpflichtet

Der Bundesrat will das nun ändern. Er schlägt deshalb vor, den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung explizit im Zivilgesetzbuch (ZGB) zu verankern. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Bestimmung verpflichtet die Eltern explizit, ihre Kinder «ohne Anwendung von körperlichen Bestrafungen und anderen Formen entwürdigender Gewalt» zu erziehen.

Die Bestimmung schreibt keine Erziehungsmethode vor, die Eltern sollen bei der Erziehung ihrer Kinder nach wie vor autonom bleiben. Auch Strafen sind nicht vorgesehen, ebensowenig wie Kinder einen Klageanspruch haben: «Es geht um Sensibilisierung und Unterstützung, nicht um Sanktionierung und Kriminalisierung der Eltern», so der Bundesrat.

Ausserdem soll die Prävention gestärkt werden. Bereits bestehende, aber teilweise noch regional unterschiedliche, niederschwellige Beratungs- und Hilfsangebote für Eltern und Kinder sollen ausgebaut und der Zugang dazu verbessert werden. Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass bei Schwierigkeiten in der Erziehung für die Betroffenen ausreichend Beratungsstellen zur Verfügung stehen.

Schweiz wurde schon mehrfach gerügt

Der Bundesrat setzt damit einen Auftrag des Parlaments um: Die Freiburger Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (63) hatte dies gefordert, sowohl National- als auch Ständerat hatten dem zugestimmt.

Ein Gesetz im ZGB würde Klarheit schaffen und die «nicht mehr haltbare Ansicht, dass es ein notwendiges Mass an Gewalt in der Erziehung brauche, korrigieren», so Bulliard-Marbach Ende vergangenen Jahres zu Blick. Sie ist überzeugt: Wenn körperliche Gewalt explizit verboten würde, würde dies auch zu einer Änderung im Erziehungsverhalten führen. 

«In Nachbarländern sieht man, dass ein solches Gesetz dazu geführt hat, dass die Gewalt an Kindern zurückgegangen ist», bestätigt Regula Bernhard Hug, Leiterin von Kinderschutz Schweiz. Von der Uno wurde die Schweiz wegen Fehlens eines solchen Gesetzes schon mehrfach gerügt: Sie verstosse gegen die von ihr unterzeichnete Kinderrechtskonvention.

Der Gesetzesvorschlag geht nun in die Vernehmlassung. Bis Ende November können sich Parteien, Kantone und Interessierte zum Vorschlag äussern. (sf)

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