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Gletscher schmelzen, weniger Schnee
Das Wasserschloss Schweiz bekommt Risse

Die Schweiz gilt als Wasserschloss Europas. Doch wie lange noch? Klar ist: Die Probleme dürften nicht kleiner werden.
Publiziert: 11.08.2023 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2023 um 16:35 Uhr

Barfuss rennt der kleine Junge durchs Wasser. Ein Teenager schubst seine Freundin in Richtung der Strahlen, ein Mädchen versucht, den 26 Fontänen auszuweichen. Das Wasserspiel auf dem Berner Bundesplatz ist eine beliebte Abkühlung an heissen Sommertagen. Doch plötzlich stoppen die Fontänen.

Das Wasserspiel vor dem Herzen der Schweizer Politik steht symbolisch für den Umgang unseres Landes mit dem blauen Gold. Die Eidgenossenschaft gilt als das Wasserschloss Europas, rund 150 Milliarden Kubikmeter fliessen durch das Land. Sechs Prozent der europäischen Süsswasserreserven lagern in der kleinen Schweiz.

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Doch die Schlossmauern bekommen Risse. Die Gletscher schmelzen rasant, der Regen bleibt aus und es fällt weniger Schnee. «Übers Jahr gesehen werden wir auch in Zukunft genügend Wasser zur Verfügung haben», sagt Hydrologe Rolf Weingartner (69). Aber: «Es kommt aber zu einer saisonalen Umverteilung des Wassers, mehr im Winterhalbjahr, weniger im Sommerhalbjahr.»

In der Schweiz dürfte sich der Umgang mit dem Wasser verändern.
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Zwei grosse Konfliktfelder

Doch gerade im Sommer müssen die Bauern ihre Felder bewässern. Gleichzeitig sollen die Speicherseen für die Stromproduktion gefüllt werden. Auf dem Rhein muss Mineralöl transportiert werden, und der Tourismus wirbt mit blauen Seen um Hotelgäste – denn für braune Böden bucht niemand die Luxussuite. Währenddessen schwitzt die Bevölkerung, soll mehr trinken und sich abkühlen.

Auch international wird Wasser immer wichtiger

«Es wird in Zukunft auch in der Schweiz zu mehr Nutzungskonflikten ums Wasser kommen», sagt Manuela Brunner, die zum Thema an der ETH Zürich und am WSL Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos forscht. «Es gibt zwei grosse Konfliktfelder: die Energieproduktion und die Landwirtschaft.»

Bei der Energieproduktion geht es hauptsächlich um die Wasserkraft. Damit die überhaupt für die Stromproduktion genutzt werden kann, verteilt die öffentliche Hand den Betreibern Konzessionen. Darin ist geregelt, wie viel Wasser entnommen werden kann. Ein grosser Teil des Wassers darf verstromt werden – aber nicht alles. Ein Teil muss verteilt übers Jahr in die Flüsse eingespiesen werden, um die Restwassermengen zu gewährleisten, sagt Brunner. Diese Restwassermenge ist wichtig, damit die Lebewesen im Fluss, wie zum Beispiel Fische überleben können.

Landwirtschaft gegen Golfplatz

Auch die Landwirtschaft braucht Wasser – und konkurrenziert dabei unter anderem mit Privatpersonen oder Unternehmen, die ihr Auto waschen, den Golfplatz bewässern oder zum Beispiel ein T-Shirt produzieren. Dort sei die Situation aber nicht so einfach, sagt die Expertin. «Die Gemeinden und Kantone müssen entscheiden, wer wie viel Wasser bekommt.» Auch hier spielen ökologische Überlegungen eine Rolle, die Bauern dürfen nicht beliebig viel Wasser nutzen.

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Die Nutzungskonflikte seien sehr ortsabhängig, sagt Brunner. «Im Mittelland ist die Gefahr von Wasserknappheit deutlich höher als in den Alpen.» Dort würden sich auch die Auswirkungen des Klimawandels stärker zeigen, so die Expertin. Aus ihrer Sicht gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten.

  • Das Wasser zeitlich oder örtlich verlagern: «Dafür müsste man zusätzliche Speicher bauen oder künstliche Kanäle anlegen», sagt Brunner. Doch das führt zu weiteren Problemen. «Solche Baumassnahmen sind mit hohen Kosten verbunden und nicht zwingend nachhaltig.»
  • Weniger Wasser verbrauchen: «Wenn die Menge reduziert wird, entlastet das Gesamtsystem. Das ist schon jetzt nötig.»
  • Priorisierung: «Erst wenn die ersten beiden Lösungen nicht realisiert werden können, muss priorisiert werden.» Das kommt schon heute teilweise vor, wenn beispielsweise Gemeinden verbieten, das Auto zu waschen. Auch wenn die Kantone und Gemeinden diese Priorisierung vornehmen müssen, etwas ist klar: «Die Trinkwasserversorgung steht immer an erster Stelle.»

Auf das Grundwasser zurückzugreifen, ist nur bedingt eine Lösung. Denn auch die Qualität des Wassers lässt nach. Pestizide verschmutzen das Trinkwasser, dieses muss aufwendig aufbereitet werden.

Bessere Planung gefordert

Hydrologe Weingartner fordert deshalb eine bessere Planung. «Wir benötigen dringend ein Management des Verbrauchs, insbesondere für Notzeiten.» Künstliche Speicher, wie etwa Stauseen, könnten dazu ebenfalls helfen, dass im Winter reichlich verfügbare Wasser zu speichern, um es dann zur Verfügung zu stellen, wenn es benötigt wird.

Das Wasserspiel auf dem Bundesplatz geht wieder an. Sofort rennen jung und noch jünger wieder los. Spielen mit Wasser. Kühlen sich ab. Noch läuft die Fontäne.

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