GLP-Präsident Jürg Grossen reagiert auf Angriffe der Sozialdemokraten
«SPler bezeichnen unsere Neumitglieder als ‹Sondermüll›»

Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen zeigt sich nach dem Bundesratsentscheid zum Rahmenabkommen zufrieden – und gleichzeitig besorgt. Und er hat klare Erwartungen von den Sozialdemokraten.
Publiziert: 09.06.2019 um 13:43 Uhr
Jürg Grossen, der Parteipräsident der Grünliberalen Schweiz, äussert sich zum Krach mit der SP.
Foto: Keystone
1/10
Pascal Tischhauser

Wegen des Parteiwechsels von Nationalrat Daniel Frei (40) schiesst die SP scharf gegen die Grünliberalen. Für GLP-Chef Jürg Grossen (49) ist klar, wer die Schuld am Austritt trägt, welchen Ton er erwartet und was die Genossen nun tun müssten. Schliesslich habe man ein gemeinsames Ziel. BLICK erreicht den Grünliberalen-Präsidenten am Telefon, kurz bevor er sich aufs Bike schwingt. 

BLICK: Herr Grossen, dass der Bundesrat hinter dem Rahmenabkommen steht und nur noch drei Präzisierungen verlangt, stösst auf breite Zustimmung - auch wenn sich die Euphorie bei der GLP in Grenzen hält.
Jürg Grossen: Es ist für unser Land wichtig, dass der Rahmenvertrag rasch unterzeichnet werden kann. Wenn ich aber die Gewerkschaften und die Linken an der Seite der SVP höre, habe ich Zweifel, ob das klappt.

Travail Suisse hat dem Bundesrat doch Unterstützung zugesagt.
Und das habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen. Wenn Sie aber SP-Nationalrat Corrado Pardini in der «Arena» gesehen haben wissen Sie, dass manche Sozialdemokraten das Verhandlungsergebnis nicht akzeptieren, sondern Abänderungen des Vertrags verlangen. Das aber ist wohl ein unrealistisches Luftschloss.

Er hat da mehr als Unia-Gewerkschafter denn als Sozialdemokrat geredet.
Mag sein. Und ich habe auch ein gewisses Verständnis, dass er als Gewerkschafter auf seiner Position beharrt und die Eigeninteressen der Gewerkschaften vertritt. Von der SP erwarte ich jetzt aber schon, dass sie ihren dogmatischen Kurs aufgibt und auf ihren konstruktiven Kurs im EU-Dossier zurückkehrt. Es ist ja offensichtlich, dass viele progressive Sozialdemokraten den Abschottungskurs nicht goutieren.

Sprechen Sie den Wechsel von Nationalrat Daniel Frei zu den Grünliberalen an?
Ich spreche vor allem die Reaktion Christian Levrats darauf an. Wenn die SP die europakritische Haltung aufgeben würde, müssten er und Fraktionschef Roger Nordmann auch kein «Sündenregister der GLP» mehr erstellen, um von den eigenen Problemen abzulenken.

Die Sozialpolitik der Grünliberalen kommt aber schon eher aus dem Kühlregal. Es ist im Wahlkampf doch legitim, darauf hinzuweisen, nicht?
Das stimmt so einfach nicht. Wir stehen zu unseren Sozialwerken, wollen aber beispielsweise Anreize schaffen, um aus der Sozialhilfe zu kommen. Die SP will hingegen mit der Giesskanne möglichst vielen Leute Sozialleistungen auszahlen. Unsere Haltung ist nicht extrem. Anders als die FDP und SVP haben wir uns im Kanton Bern jüngst gegen die Aushöhlung des bestehenden Sozialhilfesystems engagiert. Wir wollen es aber auch nicht ausbauen. Wir waren die einzige Partei mit dieser Haltung. Eine Haltung wohlgemerkt, welche die Mehrheit der Berner Stimmbürger in der Abstimmung unterstützten.

Christian Levrat hat im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» betont, dass er die Mitglieder der GLP-Fraktion schätze ...
... um uns gleichzeitig massiv zu kritisieren. Persönlich schätze ich viele Sozialdemokraten ebenso und arbeite in den Dossiers auch gut mit ihnen zusammen. Wenn unsere Neumitglieder jedoch aus SP-Kreisen als «Sondermüll» bezeichnet werden, geht das zu weit. Auch viele SP-Mitglieder goutieren diesen Ton nicht. Vor allem aber war es ja die Verweigerungshaltung beim Rahmenabkommen mit der EU, die offenbar die Leute verprellte. Wenn die GLP heute plötzlich für Atomkraftwerke wäre statt dagegen, würden uns die Mitglieder auch den Rücken kehren.

So zahlreich sind die Abgänge bei der SP dann doch nicht. Und nach der neusten GfS-Bern-Umfrage legen nicht nur Grüne und Grünliberale bei den Parlamentswahlen zu, sondern auch die SP leicht.
Damit kann ich leben. Wir haben in vielen Themen wie der Ökologie, bei der Landwirtschaft oder der Verkehrspolitik ähnliche Haltungen wie die SP. Vor allem haben wir für die Wahlen dasselbe Ziel: die rechtsbürgerliche Mehrheit zu brechen. Wenn FDP und SVP im Nationalrat nur noch in der Minderheit sind, folgt auf die verlorene wieder eine erfolgsversprechende Legislatur. Gerade gegen die Klimaerwärmung können wir dann rasch wirksame Massnahmen ergreifen.

Reichen Sie Levrat etwa die Hand?
Wenn er sie ergreift, um zusammen mit den weiteren konstruktiven Kräften im Parlament als verlässlicher Partner auf dem bilateralen Weg voranzugehen und die Klimaerwärmung zu begrenzen, gern. Mir sind das Klima und das Verhältnis zur EU jedenfalls zu wichtig, als dass ich mit Gifteleien kostbare Zeit verlieren will.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?