GPK-Bericht zur Kampfjet-Beschaffung zeigt
Diesmal haben sich alle Bundesräte verflogen

Ist wirklich alles rundgelaufen beim Entscheid, den amerikanischen Kampfflieger F-35 und kein europäisches Modell zu kaufen? Ja, sagt die Geschäftsprüfungskommission. Doch rund lief es keineswegs.
Publiziert: 10.09.2022 um 08:22 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2022 um 08:44 Uhr
Pascal Tischhauser

Eigentlich ist alles korrekt verlaufen. Die technische Evaluation des neuen Kampfflugzeugs ist nachvollziehbar und transparent. Das hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) am Freitag so festgestellt. Es spricht vonseiten der GPK-N daher nichts gegen den Kauf des Tarnkappenbombers F-35.

Aber ...

Im grossen Konferenzraum des Berner Medienzentrums mochte dennoch kein «Top Gun»-Feeling aufkommen. Wenn ein Filmtitel den Eindruck beschreiben müsste, den der GPK-N-Bericht und die GPK-Mitglieder verbreiteten, dann wäre dies «... denn sie wissen nicht, was sie tun».

Von Beginn weg war sich der Bundesrat laut dem Bericht nicht im Klaren, welche Auswirkungen seine Herangehensweise beim Kampfjet-Geschäft hatte. Schon von Anfang an war es falsch aufgegleist – nämlich so, dass es niemals möglich war, sich aus politischen Gründen für ein Flugzeug zu entscheiden. Das kann man richtig finden, verschiedene Bundesräte fanden es aber falsch – merkten laut Bericht aber nicht, dass die Regierung falsch abgebogen war.

Technisch ist beim Entscheid für das Kampfflugzeug F-35 alles korrekt gelaufen.
Foto: Keystone
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... Amherd merkte nichts

Vor allem der zuständigen Bundesrätin Viola Amherd (60) hätte klar sein müssen, was sie tut. In ihrer Botschaft zum Geschäft, dem sogenannten Planungsbeschluss, stand: «Bei gleichwertigen Angeboten können aussenpolitische Aspekte eine Rolle spielen.» Zumindest in der italienischsprachigen und der deutschen Version stand das so. In der französischen nicht.

Der Bundesrat hat dem Planungsbeschluss und der Botschaft dazu am 26. Juni 2019 laut GPK-N, die sich aufs Beschlussprotokoll bezieht, diskussionslos zugestimmt. Im Dezember 2019 tat dies auch das Parlament.

Spätestens jetzt hätte jedem klar sein müssen: Nur wenn die zur Diskussion stehenden Kampfflugzeuge in der Evaluation gleichauf sind, dürfen politische Aspekte – etwa Gegengeschäfte im EU-Dossier oder in Steuerfragen – für die Typenwahl noch eine Rolle spielen.

Teures Papier

Dennoch hielt Amherds Verteidigungsdepartement (VBS) noch Mitte Oktober 2020 fest, dass die Ergebnisse der technischen Auswertung zwar eine wichtige Grundlage für den Typenentscheid darstellten, der Bundesrat aber grundsätzlich frei und nicht an den Evaluationsbericht gebunden sei. Man sah also noch immer die Möglichkeit, auch politisch zu entscheiden.

Im April 2021 beauftragte das VBS dann laut Bericht die Anwaltskanzlei Homburger mit einer Plausibilitätsüberprüfung. Die Anwälte sollten abklären, ob das technisch und preislich beste Flugzeug gekauft werden muss oder ob es Spielraum gebe. Das Ergebnis: Ein Flugzeug habe technisch und preislich klar am besten abgeschnitten. Man sei zu dessen Kauf verpflichtet. Es war der F-35.

Das Papier kostete inklusive Folgeaufträgen 875'000 Franken, obwohl es laut GPK-Präsidentin Prisca Birrer-Heimo (63, SP) sehr mager ausgefallen war. Im Bundesrat hat es gemäss GPK denn auch kaum eine Rolle gespielt. Erst ein späteres Gutachten des Bundesamts für Justiz, das zum selben Ergebnis kam, war laut den Bundesräten Ueli Maurer (71) und Ignazio Cassis (61) entscheidend. Die GPK-Mitglieder fragen sich, welchen Nutzen das teure Homburger-Papier denn da gehabt habe.

Zu spät informiert

Ebenfalls wenig verständlich ist, dass Amherd seit Mitte März 2021 zwar wusste, dass der F-35 mit Abstand am besten abgeschnitten hatte, sie ihre Kollegen im Justiz- und Aussendepartement aber erst Mitte Mai und die übrigen Bundesräte in der ersten Junihälfte unterrichtete.

Das führte dazu, dass andere Bundesräte bis kurz vor dem endgültigen Entscheid für den F-35 am 30. Juni 2021 mit verschiedenen Herstellerländern noch über politische Gegengeschäfte verhandelten und von Frankreich schriftliche Zugeständnisse verlangten – obwohl die französische Rafale längst aus dem Rennen war. Was in Paris für nachhaltige Verstimmung sorgte.

Kein Sprachproblem

Cassis wie auch Maurer kritisieren, dass der Bundesrat seinen Handlungsspielraum unnötig eingeschränkt habe. Finanzminister Maurer habe sich gar gewünscht, dass der Bundesrat am Schluss auch politisch hätte entscheiden dürfen. Nur: Sowohl in der Muttersprache von Cassis wie auch in jener Maurers stand im von ihnen genehmigten Planungsbeschluss, es gebe nur bei gleichem Abschneiden Möglichkeiten für einen politischen Entscheid.

Sie hätten im Juni 2019 per Mitbericht intervenieren können. Wenn sie beide, all die anderen Bundesratsmitglieder, deren Stäbe und auch das Parlament – einfach alle – die entscheidende Passage überlesen haben, ja dann denkt keiner an den Kampfjet-Streifen mit Tom Cruise (60), sondern eben vielmehr an «... denn sie wissen nicht, was sie tun» – obwohl niemand eine so gute Falle machte wie James Dean (1931–1955) damals.

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