Grünliberaler fordert Laizismus
«Kirche und Staat sollten getrennt sein»

Seit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche stellt sich wieder die Frage, welche Beziehung der Staat zu den Religionsgemeinschaften hat. GLP-Nationalrat Roland Fischer fordert nun den Bund auf, Wege für eine Trennung zu prüfen.
Publiziert: 01.10.2023 um 17:41 Uhr
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Sermîn FakiPolitikchefin

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat hohe Wellen geworfen – auch beim Kirchenvolk. Mehrere Gemeinden wollen die Kirchensteuern nicht mehr an die Bistümer überweisen, bis die Schweizer Bischöfe konkrete und wirksame Massnahmen ergreifen, die begangenen Missbräuche aufzuarbeiten und neue zu verhindern.

Roland Fischer (58) geht sogar noch weiter. Der grünliberale Nationalrat, Mitglied der katholischen Kirche, fragt sich, ob es überhaupt richtig ist, dass der Staat die Steuern für die Kirchen eintreibt. «Kirche und Staat sollten getrennt sein», findet er. «So, wie das in vielen anderen Staaten schon lange der Fall ist.»

Nur zwei Kantone kennen die Trennung

Am letzten Tag der Herbstsession hat der Luzerner deshalb einen Vorstoss eingereicht, der den Bundesrat auffordert, zu prüfen, «wie das Verhältnis von Kirche und Staat auf den verschiedenen Staatsebenen entflochten und auf eine klare und transparente Grundlage gestellt werden kann». 

Der Staat treibt für die Kirchen die Steuern ein.
Foto: Keystone
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Für Beziehung von Kirche und Staat sind in der Schweiz – wie könnte es anders sein – die Kantone zuständig. Und eine eigentliche Trennung haben nur zwei: Genf und Neuenburg, wobei auch die nicht ganz so strikt gehandhabt wird.

Landeskirchen sind privilegiert

Fischer findet, dass die Nähe zwischen Kirche und Staat zwar historisch erklärbar, heute aber «aus der Zeit» gefallen sei: «In einem liberalen Staat ist der Staat weltlich. Er muss die Religionsfreiheit garantieren und für ein friedliches Zusammenleben der Religionsgemeinschaften sorgen, sich sonst aber neutral verhalten.»

Doch die Landeskirchen hätten gegenüber anderen Religionsgemeinschaften Privilegien – so übernimmt der Staat bei Ersteren eben beispielsweise das Eintreiben der Kirchensteuer. In anderen Kantonen kommen noch kantonale Direktzahlungen an die Kirchen dazu, bis vor kurzem wurden in Bern sogar die Pfarrerlöhne aus der Kantonskasse bezahlt.

Das ginge so nicht mehr, findet Fischer. Umso mehr, als mit einer so grossen Nähe des Staats zur Kirche auch eine staatliche Verantwortung einhergehe. «Wer zahlt, befiehlt», sagt er und erklärt: «Wenn die Kirchen weiterhin Geld vom Staat erhalten, dann sollte der Staat den Kirchen auch stärker auf die Finger schauen.»

Leistungsverträge statt Steuern eintreiben

Doch was ist mit all den Leistungen, die die Kirchen erbringen – und dadurch ja auch den Staat entlasten? Die Seelsorge in Pflegeheimen, Spitälern und Gefängnissen, die Arbeit im Asylbereich, die Caritas? Fischer bestreitet den Nutzen dieser Angebote nicht. Wenn möglich, sollte der Staat diese Aufträge jedoch ausschreiben und über Leistungsverträge abgelten. «Diese Leistungen werden anerkannt und verdienen Wertschätzung», so Fischer. «Es braucht aber eine klare und transparente Regelung.»

So weit ist nicht einmal der laizistische Kanton Neuenburg: Seit 2001 überweist Neuenburg den drei anerkannten Kirchen jährlich 1,5 Millionen Franken für ihre «Arbeit im öffentlichen Interesse». Auch darum will Fischer das Verhältnis von Kirche und Staat nicht den Kantonen überlassen. «Das Thema betrifft die verfassungsmässigen Grundrechte. Also soll sich der Bund darum kümmern.»

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