Handbuch gegen Drohungen
Wie die SP gegen den Hass kämpft

Politiker brauchen eine dicke Haut. Regelmässig sind sie mit Beleidigungen oder sogar Drohungen konfrontiert. Nun hat die SP für ihre Parteiexponenten eine Broschüre veröffentlicht, wie sie mit Hasszuschriften umgehen sollen.
Publiziert: 19.12.2019 um 15:17 Uhr
Nationalrätin Yvonne Feri war schon oft mit Wut und Häme konfrontiert. BLICK gewährte sie einen Einblick in all die Hasspost.
Foto: Keystone
1/7
Daniel Ballmer

Es ist eine traurige Tatsache: Wer sich exponiert, wird vor allem in der Anonymität des Internets schnell zum Ziel von Hass, Beleidigungen und sogar Vergewaltigungs- und Morddrohungen. Gerade Politiker sind stark betroffen. Und Politikerinnen noch mehr. Beschimpfungen und Einschüchterungen gehören schon fast zum Politalltag: Alleine 2017 wurden dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) 726 Drohungen gegen Bundespolitiker gemeldet.

Die SP gibt ihren Politikern nun in einer Broschüre Verhaltens-Ratschläge: Erhält ein Sozialdemokrat Hasspost, soll er den Brief mit sterilen Einweghandschuhen und sauberem Messer öffnen. Dann fotografiert er den Inhalt und packt ihn wieder ein. Und die SP-Zentrale rät weiter: Er soll den Brief in einem ungebrauchten Plastikmäppchen der Polizei zur Sicherung von DNA-Spuren übergeben und Anzeige gegen Unbekannt erstatten.

«Wir wollten etwas zur Hand haben»

«Umgang mit Hass, Beleidigungen und Drohungen» heisst die 16-seitige Broschüre. Sie enthält zahlreiche Tipps, wie mit Briefen, Mails, Kommentaren oder anonymen Telefonaten umgegangen werden kann.

«Wir erleben immer wieder, dass unsere Leute angegangen werden», sagt Nina Hüsser vom SP-Zentralsekretariat. Das Phänomen nehme eher noch zu. «Und da wir nun relativ viele neue Mitglieder in unserer Bundeshausfraktion haben, die bisher nicht so exponiert waren, wollten wir etwas zur Hand haben.»

Abtauchen, bis der Sturm vorüber ist

Das SP-Handbuch soll einen Überblick bieten über mögliche Massnahmen, und es nennt Ansprechpersonen für den Ernstfall. Aufgelistet sind etwa präventive Massnahmen: Wer zum Beispiel zu einem umstrittenen Thema aufgetreten ist, soll auch mal kurzzeitig seinen Mail-Account deaktivieren, bis «der Sturm vorüber ist».

Treffen dennoch Beleidigungen und Drohungen ein, könnten Mail-Absender oder Telefonnummern blockiert werden. Gleichzeitig gelte es, für den Notfall Beweise zu sichern – in einem eigenen Mail-Ordner oder in einer Archivschachtel. Diese soll «aus Gründen der Psychohygiene wenn möglich im Keller oder auf dem Estrich» gelagert werden.

«Das hat mich stark getroffen»

Wie gross das Problem ist, zeigt das Beispiel der Aargauer SP-Nationalrätin Yvonne Feri (53). Vor einem Jahr hat sie BLICK einen Einblick gewährt in all die Hasspost, die sie als Politikerin bekommt. Ein Beispiel: Nach Äusserungen gegen das Burkaverbot erhielt sie eine anonyme Zuschrift, «dass man Leute wie mich im Zweiten Weltkrieg umgebracht hätte und dass ich gefälligst die Schweiz verlassen sollte», so Feri. «Dass man mir quasi den Tod wünscht, hat mich stark getroffen.»

Auch bürgerliche Politiker erleben solche Angriffe. «Wir wissen, dass Sie eine Tochter haben», erhielt ein bürgerlicher Politiker schon als Drohnachricht. Seinen Namen wollte er deshalb nicht erwähnt haben. Viele Politiker sprechen ungern über Drohungen. Sie fürchten, das könnte Nachahmungstäter anstacheln. Mit Schweigen wollen sie ihre Familien schützen.

«Lass dich nicht abwimmeln»

Ansonsten wird Politikern geraten, Beleidigungen oder Drohungen anzuzeigen. Hier aber erkennt die SP-Zentrale bereits das nächste Problem: «Die Erfahrung zeigt leider, dass beispielsweise ein schwer beweisbares Cyber-Stalking oder diffuse Drohungen von der Polizei nicht immer ernstgenommen werden», ist in dem Leitfaden zu lesen. «Lass dich nicht verunsichern und bestehe auf der Strafverfolgung, auch wenn man dich abwimmeln will.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?