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Hemmungen bei Verschärfungen
Berset auf Kuschelkurs mit Corona-Skeptikern

Corona-Verschärfungen und eine Ausweitung der Zertifikatspflicht? Gesundheitsminister Alain Berset ist plötzlich skeptisch. Das dürfte einiges mit der Abstimmung übers Covid-Gesetz im November zu tun haben.
Publiziert: 11.08.2021 um 00:43 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2021 um 08:06 Uhr
Gianna Blum und Daniel Ballmer

Und plötzlich will Gesundheitsminister Alain Berset (SP, 49) von Corona-Verschärfungen nichts mehr wissen. Tritt hier und dort auf die Bremse, zeigt sich trotz steigender Fallzahlen derart zurückhaltend, dass ihn sogar SVP-Vertreter mit ihren Forderungen übertrumpfen.

So ist Bundespräsident Guy Parmelin (SVP, 61) etwa für ein baldiges Ende der Gratistets. «Wenn ich mich nicht impfen lasse, soll dann der geimpfte Steuerzahler meine Tests mitbezahlen? Für mich ist die Antwort klar: Nein», sagt er im SonntagsBlick. So könnten zudem weitere Leute zur Impfung bewegt werden.

Berset hingegen zögert. Er möchte an den Gratistests festhalten – zumindest in den kommenden Wochen, wegen der Ferienrückkehrer. Und das, obwohl unsere Nachbarländer die Corona-Schraube weiter anziehen – und damit Druck auf Ungeimpfte machen.

SVP-Bundespräsident Guy Parmelin möchte die Corona-Schraube anziehen und ein baldiges Ende der Gratistests.
Foto: Thomas Meier
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Zweite Abstimmung kommt

Auch hierzulande läuft die Debatte. So spricht sich der Aargauer SVP-Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (54) nicht nur dafür aus, die Gratistests zu streichen. Er fasst auch eine Ausweitung des Covid-Zertifikats auf Restaurants oder Fitnesscenter ins Auge.

Doch auch hier sträubt sich Berset, bezeichnet die anhaltende Diskussion in der «SonntagsZeitung» gar als «bizarr». Der Bundesrat wolle möglichst wenig in die Privatsphäre eingreifen, argumentiert er nun.

Bersets Zurückhaltung ist nicht nur im Bundesparlament aufgefallen, sondern auch bei den Kantonen. Gleich für mehrere voneinander unabhängige Quellen ist klar: Das dürfte mit der erneuten Referendumsabstimmung über das Covid-Gesetz im November zusammenhängen.

Resultat könnte knapper werden

«Berset scheint zu befürchten, dass er mit weiteren Massnahmen den Widerstand noch zusätzlich anfachen könnte», sagt ein Kantonsvertreter. Immerhin konnte schon die erste Abstimmung über das Covid-Gesetz im Juni nur mit 60,2 Prozent gewonnen werden. Und damals ging es um die verhältnismässig unbestrittenen Wirtschaftshilfen. Nun geht es um das deutlich umstrittenere Zertifikat. Das Resultat dürfte deutlich knapper ausfallen.

«Solange die Fallzahlen keine weiteren Massnahmen nötig machen, scheint Berset Verschärfungen vermeiden zu wollen», sagt Mitte-Nationalrat Lorenz Hess (60). «Immerhin mobilisieren die Gegner sehr stark. Die Gefahr einer Abstimmungsniederlage erscheint nicht völlig unrealistisch.» Das scheine Berset unbedingt vermeiden zu wollen.

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Sorge um Trotzreaktion

«Ich attestiere Alain Berset hier taktisches Fingerspitzengefühl im Hinblick auf die Abstimmung», sagt auch SVP-Gesundheitspolitiker Thomas de Courten (55). «Er versteckt sich jetzt auch hinter seinen Bundesratskollegen, damit er nicht allein in der Verantwortung steht.»

«Eine Ausweitung der Zertifikatspflicht ist heikel und vor allem wenig zielführend – da riskiert man nur Trotzreaktionen», verteidigt dagegen SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (42) das Vorgehen von Parteikollege Berset. «Wie die breiten Proteste im Ausland – etwa in Frankreich – gezeigt haben, kann eine Ausweitung der Zertifikatspflicht auch bei jenen, welche die Massnahmen bisher mitgetragen haben, kontraproduktiv wirken.»

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