Hier kommt die Exoten-Liste
DAS ist Gaga-Wahlkampf

Sie kämpfen für einen Sitz im Bundeshaus – ohne Aussicht auf Erfolg. Ein kleiner Streifzug durch den Exoten-Dschungel bei den Nationalratswahlen.
Publiziert: 23.09.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:23 Uhr
Ex-SVP-Frau Sarah Bösch kandidiert als «das Original» für den Nationalrat.
Foto: zvg
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Von Ruedi Studer

Auf nach Bern! Gegen 4000 Kandidaten versuchen im Herbst den Sprung ins Bundeshaus. Darunter finden sich nicht nur Exponenten etablierter Parteien, sondern auch jede Menge Aussenseiter, Einzelmasken, Juxkandidaten und sonstige Hitz-, Witz- und Wirrköpfe.

Fast in jedem Kanton gibt es sie, die Chancenlosen, welche die Polit-Plattform aber nutzen wollen, um wenigstens etwas Aufmerksamkeit zu erheischen und das eine oder andere Anliegen in der Öffentlichkeit zu platzieren.

Bier-Bösch und Hanf-Ueli

Auffallend ist etwa die Reihe von Einzelfiguren, die sich in den Wahlkampf stürzt oder zumindest ein wenig das Rampenlicht sucht. In Zürich versucht es das als «Hanf Ueli» bekannte Stadtoriginal Hans Ulrich Flückiger. In Solothurn macht der Psychologe Serkan Yavuz als «el presidente» den etablierten Parteien die Stimmen streitig.

Und in St. Gallen geht Sarah Bösch nicht etwa als «Bier-Bösch», sondern als «das Original» auf Wählerfang. Schweizweite Bekanntheit erreichte sie, weil sie angetrunken Auto fuhr, erwischt wurde und danach öffentlich über die Polizei lästerte – was die heute Parteilose am Ende ihr Mandat als Wiler SVP-Parlamentarierin kostete.

In Neuenburg tritt mit Frédéric Hainard ebenfalls einer an, der sein Amt nicht ganz freiwillig abgab. Der ehemalige FDP-Staatsrat musste 2010 wegen Amtsmissbrauchs zurücktreten. Jetzt will er mit der Neuen Liberalen Partei nach Bern.

Esoterisch angehauchte Wohlfühl-Politiker

Für Schlagzeilen der seriöseren Art sorgte Ecopop. Mit ihrer Volksinitiative zur Zuwanderungsbegrenzung ist die Öko-Gruppe zwar drastisch gescheitert, doch nun köchelt sie mit Kandidaturen in Zürich und Aargau ihr Süppchen weiter.

Als Bewegung versteht sich nicht nur Ecopop, sondern auch die LOVB! Die Abkürzung steht für Lösungs-Orientierte Volks-Bewegung. Ihr Credo: Lösungen finden, bei denen «innere Werte wahrgenommen und die äusseren Strukturen harmonisch danach ausgerichtet werden, so dass wir uns alle wohlfühlen können – in einer sinnvoll organisierten Schweiz». Esotherisch angehauchte Wohlfühl-Politiker also! Ob das das Volk bewegt? Jedenfalls die die LOVB nur im Aargau an.

Noch gspüriger wird es bei der humanistisch-spirituell angehauchten Integralen Politik, welche immerhin in vier Kantonen (AG, GE, LU, SG) antritt. Die Bewegung steht etwa für «Sinnhaftigkeit», «Achtsamkeit durch Stille» oder «Intelligenz des Herzens».

Im Kanton Bern wiederum tritt das rechts-esotherische Alpenparlament an. Zu seinem Forderungen gehören etwa die Förderung des Vegetarismus oder entkriminalisierte TV-Programme. Und vor allem will es die «Diffamierungspresse» stoppen.

Zürich als Tummelplatz der Exoten

Andere schmücken sich mit dem Partei-Label. In Zürich tritt die Tierpartei an, die sich den «Kampf für das Tierwohl» auf die Fahnen geschrieben hat. Ebenfalls nur in Zürich tritt die Unabhängigkeitspartei an, welche sich als einzige wirklich liberale Partei der Schweiz sieht und die Biersteuer abschaffen möchte.

In Zürich – dem grössten Tummelplatz der Exoten – finden sich aber noch weitere witzige Listen: Etwa die Anti-PowerPoint-Partei, die Autofahrer-Liste mit ihrem Slogan «Stopp Stau und Blitzerterror» oder «Die Unpolitischen».

Letztere gehören übrigens zu jener Gruppe, die sich als eigentliche Anti-Politiker verstehen oder zumindest mit den etablierten Parteien nichts am Hut haben wollen. Dazu gibt es etwa im Aargau auch eine «Nichtwähler»-Liste oder in der Romandie die Liste «du vote blanc» (leere Stimme). In St. Gallen tritt die Gruppe «Parteifrei» an und in Luzern die Liste «Parteilose Schweizer».

Rechtsaussen-Listen

Obwohl die SVP das politische Feld bis weit nach rechts abgegrast hat, gibt es auch noch jene, die ganz rechts aussen und darüber hinaus politiseren. Gleich in drei Kantonen tritt die Direktdemokratische Partei Schweiz an, welche quasi als Schweizer Pegida-Ableger gegen die «Islamisierung» der Schweiz vom Leder zieht.

In der Waadt tritt zudem die Nationalistische Partei Schweiz an. Mindestens ebenso weit rechts versucht der Basler Grossrat Eric Weber mit seiner Volks-Aktion gegen zuviele Ausländer und Asylanten in unserer Heimat als Liste «Ausländerstopp» den Sprung in den Nationalrat.

Piraten ohne Beute

Weiterhinzu den Exoten zählen auch die Piraten. Zwar treten sie – durchaus beachtlich – in sechs Kantonen mit eigenen Listen an, doch in den letzten Jahren dümpelten sie in erster Linie erfolglos durchs Politikmeer. Die Piraten dürften auch diesmal ohne Beute bleiben!

Immerhin, der kleine, wenn auch unvollständige Streifzug durch den Exoten-Dschungel zeigt: Das Schweizer System ist offen für alle. Sei es, um seine Anliegen bekannt zu machen oder auch nur Dampf abzulassen. Die Wahlteilnahme als Überdruckventil der Demokratie!

Und manche Stimmen sind dabei nicht einmal für die Katz. Dann nämlich, wenn sich die die Exoten in Listenverbindungen wiederfinden, die dann doch den Etablierten den einen oder anderen Sitz sichern.

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