Initiative für allgemeine Dienstpflicht
180 Tage sollen alle fürs Land arbeiten

Statt der Wehrpflicht verlangt der Service Citoyen eine allgemeine Dienstpflicht – auch für Frauen. Der Boden für die Initiative, die am Dienstag lanciert wird, ist bereits geebnet.
Publiziert: 26.04.2022 um 09:21 Uhr
Gianna Blum

Beim Dienst am eigenen Land denken die meisten Menschen an den Militärdienst für Männer. Genau das will der Verein Service Citoyen nun aber ändern. Per Initiative, für die ab heute Unterschriften gesammelt werden, soll ein Gemeinschaftsdienst für alle eingeführt werden – sowohl für Frauen als auch Männer.

«Sicherheit betrifft nicht nur die Armee», sagt Noémie Roten (33), Co-Präsidentin des Vereins mit Sitz in der Romandie. Genau das komme aber bei den aktuellen Diskussionen viel zu kurz. Im Initiativtext ist vage von einem «Dienst für die Allgemeinheit und die Umwelt» die Rede. Die Liste, die Roten herunterrasselt, ist aber lang: Einsätze bei Hochwasser, Feuer, natürlich Pandemien, in der Langzeitpflege, für die Biodiversität.

180 Tage Dienst fürs Land

Der Sollbestand der Armee solle aber ebenfalls gedeckt werden. Und da Letzterer auf mehr Köpfe verteilt werden könnte, könnte eine allgemeine Dienstpflicht auch weniger lange dauern, argumentiert Roten.

Militärdienst nur für Männer ist für den Verein Service Citoyen ein überholtes Konzept.
Foto: Keystone
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Drei bis vier Monate Dienstpflicht müssten es schon sein, sagt sie, schliesslich müsste man die Einsatzleistenden jeweils auch schulen. «Ich halte 180 Tage für realistisch», sagt Roten, doch letztlich hänge die Umsetzung vom Parlament ab. Vorstellbar sei auch ein Dienst nach dem Vorbild Norwegens bei dem die Dienstpflichtigen nur nach Bedarf aufgeboten werden.

Im Initiativkomitee sitzen neben Roten auch der grüne Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (59) und die Freiburger FDP-Ständerätin Johanna Gapany (33).

Bund prüfte Idee selbst

Bis vor kurzem hat der Bund selbst zwei Varianten eines Bürgerdienstes geprüft, die Idee letztlich aber fallen gelassen. Und auch auf parlamentarischem Weg scheiterte das Vorhaben. «Es stellt sich die Frage, ob es für alle Dienstleistungen genügend sinnvolle Aufgaben gäbe», hielt Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) im Rat trocken fest.

Schon allein bei der Armee kämen wohl mehr Diensttage zusammen, als gebraucht würden – und ausserhalb des Militärs bestehe die Gefahr, dass Private konkurrenziert würden.

Gute Umfragen machen keine Initiative

Grösser als im Bundeshaus ist das Interesse beim Volk. Selten dürfte ein Anliegen schon derart breit abgefragt worden sein, bevor die erste Unterschrift gesetzt wurde. Umfragen gibt es zuhauf, und die Antworten werden immer positiver: Vergangenen Sommer etwa kam eine Studie der ETH auf eine Zustimmung von 67 Prozent für die allgemeine Dienstpflicht – 14 Prozent mehr als noch 2015.

Gute Voraussetzungen, um eine Initiative zu lancieren, findet Michael Hermann (50), Geschäftsführer der Forschungsstelle Sotomo. Auch Sotomo hat die Einstellungen zur allgemeinen Dienstpflicht schon abgefragt – und kam auf ähnlich befürwortende Antworten.

Trotzdem warnt Hermann vor voreiligen Schlüssen. «Gute Umfragen sind noch lange keine Garantie, dass ein Anliegen später auch Mehrheiten findet», sagt er. Der Bürgerdienst möge als Idee gutgeheissen werden, doch wenn diese Idee konkreter werde und Nachteile diskutiert würden, könne die Zustimmung schnell schwinden.

Intellektueller Ansatz

Hermann vermutet auch, dass langfristig die Einstellungen junger Frauen wichtig würden, da sich für sie mit einer allgemeinen Dienstpflicht am meisten ändern würde.

Stolpersteine sieht er aber auch bei der Unterschriftensammlung. «Service Citoyen könnte in die Quere kommen, dass es sich um ein eher kopflastiges, staatspolitisches Thema handelt.» Das mache es schwieriger, die eigenen Leute über längere Zeit zu mobilisieren.


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