Wie die Schweiz nach illegalen Medikamenten fahndet
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Blick TV begeleitet Swissmedic:Wie die Schweiz nach illegalen Medikamenten fahndet

Interpol-Aktion gegen «Pussykilla» & Co.
Ruth Mosimann fahndet nach falschen Potenz-Pillen

Jedes Jahr macht Interpol gezielt Jagd auf Medikamentenfälscher. Auch am Schweizer Zoll werden Pillen aus dem Verkehr gefischt, in denen nicht das drin ist, was draufsteht.
Publiziert: 20.07.2022 um 14:13 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2022 um 17:51 Uhr

Die Halle ist riesig und gefüllt mit Laufbändern, auf denen Päckli in allen möglichen Grössen vorbeirattern. Tanja Brunner (51) Chefin vom Zoll Zürich, nimmt eines in die Hand und drückt ein wenig darauf herum. «Sicher kein Medikament drin», sagt sie und legt es zurück aufs Laufband.

Päckchen mit Medikamenten sind aber das, was Zöllner und Postpersonal an diesem Tag im Briefzentrum Zürich-Mülligen suchen. Inzwischen zum 15. Mal nimmt die Schweiz an der Aktionswoche «Pangea» von Interpol teil, bei der es darum geht, dem illegalen Medikamentenhandel im Internet das Handwerk zu legen. 94 Länder nahmen dieses Jahr daran teil, insgesamt drei Millionen Einheiten von illegalen und gefälschten Arzneimitteln wurden sichergestellt.

Wie man gefälschte Medikamente erkennt

Sechs Stockwerke über Brunners Kopf, weit weg von den ratternden Päckli-Maschinen, herrscht eine Geschäftigkeit der ganz anderen Art. Hier arbeiten die Mitarbeitenden der Arzneimittelbehörde Swissmedic: Sie öffnen jene 948 Päckli, welche die Zöllner unten herausgefischt haben. Wegen des Postgeheimnisses muss jeweils jemand vom Zollpersonal dabei sein.

Im Reich der Päckli: Fliessbandarbeit im Paketzentrum Zürich Mülligen.
Foto: Gianna Blum
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Es ist heiss und stickig, weil unten kein Platz ist, findet die Auspack-Aktion quasi auf dem Gang statt. Mittendrin ist Ruth Mosimann (54), Chefin der Abteilung illegale Arzneimittel bei Swissmedic. Stirnrunzelnd untersucht sie ein Pillenfläschchen. «Hier, das Etikett ist nicht ganz gerade aufgeklebt», sagt sie, und deutet auf zwei Aufkleber, die nicht haargenau auf gleicher Höhe sind, vermutlich also von Hand aufgeklebt wurden.

Nach Bern ins Labor

Das sei ein Hinweis, dass es sich um gefälschte oder illegale Medikamente handeln könnte, erklärt Mosimann. Um dem Verdacht nachzugehen, wird das Mittel nun beschlagnahmt, und nach Bern ins Labor geschickt.

Solange eine bestimmte Menge nicht überschritten wird, ist es nicht illegal, sich Medikamente aus dem Ausland zu bestellen. Wenn das der Fall ist, werden die Pillen wieder verpackt, und – mit einem Zettel von Swissmedic, der vor dem Medikamentenkauf im Internet warnt – wieder der Post übergeben.

Im Schnitt ist allerdings jedes zweite importierte Medikament gefälscht oder illegal. Für den Empfänger bedeutet das eine kostenpflichtige Vernichtung der Ware, für den Absender ein Strafverfahren – wenn man ihn dann erwischt. Und bei der überwältigenden Mehrheit davon handelt es sich um Potenzmittel – dieses Jahr auffällig viele mit Herkunft Hongkong.

Alte Bekannte im Umlauf

«Manche Mittel sehen wir immer wieder», sagt Mosimann. Sie hat einige Beispiele mitgebracht: Potenzmittel, welche den Originalverpackungen deutlich ähnlich sehen, oder aber Mittel mit erfundenen Markennamen sie «Libidoforte» oder «Pussykilla».

«Die können sehr gefährlich werden», sagt Mosimann, denn oft sind nicht die Wirkstoffe drin, die draufstehen, oder die Dosierung ist falsch angegeben. Die «Pillen voller Liebe», die das Etikett bewirbt, können zum Beispiel Männern mit Herzproblemen gefährlich werden. Bei anderen Mitteln drohen wiederum Schwindelanfälle oder Herz-Kreislaufprobleme.

«Die Hersteller sind skrupellos», sagt Mosimann. Da werde häufig irgendetwas gemischt, in irgendeiner Dosierung. «Ich begreife nicht, wie man die eigene Gesundheit riskieren kann, damit man nicht beim Arzt etwas mehr bezahlen muss.» Vermutlich, sagt Mosimann, habe es auch mit Scham zu tun – und nicht nur bei den Männern. Das zeige sich auch daran, dass nach Potenzmitteln am häufigsten Schlankheitsmittel importiert werden. Auch davon hat sie eines mitgebracht. «100 Prozent Herbal», steht darauf, dabei sei eine nicht deklarierte chemische Substanz drin, von der bekannt sei, dass sie schwere Psychosen oder Herzrasen auslösen könne. Und die deshalb in Europa längst aus dem Verkehr gezogen wurde.

Die Händler reagieren schnell

Was in Zürich-Mülligen passiert, passiert parallel in 93 weiteren Ländern. Produziert werden die Billig-Medikamente weitgehend in Asien, die Vertriebsländer in Europa ändern aber – meist im Anschluss an die Pangea-Aktion. Denn sobald die internationalen Behörden den Händlern auf die Schliche gekommen sind, ändern diese blitzschnell die Absatzkanäle. Dieses Jahr waren auffällig viele Medikamente dabei, die aus Hongkong und China und Polen verschickt worden sind. Nächstes Jahr dürften die Lager schon wieder woanders stehen.

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