Heiraten allein reicht ihnen nicht
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Sommersession:Heute gibt der Nationalrat das Jawort zur «Ehe für alle»

Lesbische Paare hoffen auf das Recht auf Samenspende
Heiraten allein reicht ihnen nicht

Es ist ein gesellschaftspolitischer Meilenstein: Heute gibt der Nationalrat das Jawort zur «Ehe für alle». Doch lesbische Paare wollen noch einen Schritt weiter gehen. Auch die Samenspende soll für sie legalisiert werden.
Publiziert: 02.06.2020 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2021 um 11:45 Uhr
Lea Hartmann

Für Julia Grassegger (27) und Sarah Gömer (23) gehören Kinder zum Alltag – allerdings nur während der Arbeitszeit. Die beiden gelernten Kinderbetreuerinnen wünschen sich Nachwuchs. Als lesbisches Paar ist der Weg dorthin aber steinig. Samenspende ist in der Schweiz Hetero-Paaren vorbehalten, Adoption – ausser die von Stiefkindern – auch. Die meisten Paare gehen darum ins Ausland, um ihren Kinderwunsch wahr werden zu lassen.

Auch Grassegger und Gömer haben das vor. Obwohl sie sich sehr auf eine eigene Familie freuen, belasten sie die Hürden, die ihrem Kinderwunsch im Weg stehen. «Es macht uns traurig», sagt Grassegger, die in einer Kita tätig ist. Gemeinsam mit ihrer Freundin lebt sie in einem schmalen Häuschen im Stadtkern von Mellingen AG, direkt neben der katholischen Kirche. Ihre Freundin, vor gut zehn Jahren aus Berlin in die Schweiz gekommen, arbeitet als Nanny. «Wenn ich sehe, wie die Kinder abends zu ihren Eltern rennen, stelle ich mir manchmal vor, wie das bei uns wäre», sagt sie.

Mehrheit befürwortet Samenspende

Das Paar hofft nun aufs Parlament. Der Nationalrat entscheidet heute darüber, ob die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden soll. Auch die Adoption würde homosexuellen Paaren damit ermöglicht. Während das Ja dazu angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse schon feststeht, wird eine Frage zu reden geben: Soll mit der «Ehe für alle» auch das Recht auf Samenspende für lesbische Paare einhergehen?

Julia Grassegger (links) und Sarah Gömer sind seit dreieinhalb Jahren ein Paar. Im Herbst lassen sie ihre Partnerschaft eintragen.
Foto: Nathalie Taiana
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Nachdem die zuständige Kommission im Nationalrat letztes Jahr noch ganz knapp dagegen stimmte, sieht jetzt alles danach aus, dass die Grosse Kammer gleich zwei Schritte vorwärtsmacht. SP, Grüne, Grünliberale und FDP haben sich für die Samenspende ausgesprochen. Damit haben die Unterstützer im Nationalrat eine Mehrheit. Anschliessend geht der Vorschlag in den Ständerat. Die Leihmutterschaft für schwule Paare soll weiterhin verboten bleiben.

Formulare liegen schon bereit

Gömer und Grassegger werden die Debatte heute verfolgen. Sie können den Entscheid kaum abwarten. Im September lassen sie ihre Partnerschaft eintragen. Das grosse Fest sparen sie sich aber auf – für die richtige Hochzeit, die «so schnell wie möglich» folgen soll, sagt Grassegger.

Das Paar hat seine gemeinsame Zukunft schon genau vor Augen. Auch was die Familienplanung anbelangt. Sie wollen mit einer Samenspende Eltern werden, eine Klinik in Österreich haben sie bereits ausgesucht, die nötigen Formulare liegen bereit. «Sarah wird das Kind austragen», erzählt Grassegger.

«Wir würden gern in der Schweiz bleiben»

Wie viele andere lesbische Paare mit Kinderwunsch lassen sich die beiden von der fehlenden Gesetzesgrundlage in der Schweiz in ihrem Vorhaben nicht aufhalten. Die Legalisierung der Samenspende würde für sie aber einige Steine aus dem Weg räumen und rechtliche Sicherheit bringen. Das Verfahren sei ein «Megastress», vor allem psychisch, sagt Grassegger. «Am liebsten würden wir dafür in der Schweiz bleiben.»

Aus Sicht der beiden gibt es keinen stichhaltigen Grund, weshalb heterosexuelle Ehepaare per Samenspende Kinder bekommen dürfen, nicht aber homosexuelle. «Auch lesbische Paare haben das Recht, eine Familie zu gründen und Liebe weiterzugeben», sagt Gömer. Nicht zuletzt durch ihren Beruf wüssten sie: «Kinder brauchen Liebe und Geborgenheit. Und kein bestimmtes Geschlecht.»


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