Juso-Chefin Tamara Funiciello
«Die SP verrät die Frauen!»

Vor einem Jahr trat die Bernerin Tamara Funiciello (27) das Amt als Juso-Chefin an. Jetzt zieht sie eine erste Bilanz.
Publiziert: 25.06.2017 um 19:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:08 Uhr
Tamara Funiciello: «Die Juso wird nun mal reduziert. Ob das jetzt ein kiffender Präsident ist oder ein BH-Bild – damit kann ich leben.»
Foto: Sabine Wunderlin
Interview: Fabian Eberhard

SonntagsBLICK: Frau Funiciello, wie steht es um die Revolution?
Tamara Funiciello:
Gar nicht so schlecht (Lacht.)!

Sie scherzen.
Überhaupt nicht. Wir erleben in Europa eine Polarisierung. Die populistische Rechte erstarkt, aber auch radikale Linke wie Jeremy Corbyn in Grossbritannien feiern Erfolge. Das zeigt: Die Leute sind hässig, sie wollen Veränderung.

Dann brennen bald die Barrikaden?
Ich glaube nicht an den einen Moment, an dem alles in die Luft fliegt. Das kann ein jahrelanger Prozess sein. Unser Ziel ist es, die Wirtschaft zu demokratisieren. Auf dem Weg dahin kämpfen wir auch für Reformen im Kleinen.

Eine dieser Reformen torpedieren Sie gerade: die Sanierung der Altersvorsorge. Sie stellen sich quer – gegen den Rentenkompromiss und damit gegen die eigene Partei.
Kompromiss? Das ist ein bürgerlicher Durchmarsch! Mit der Vorlage verrät die SP die Frauen, die länger arbeiten müssten.

Ist die Reform nicht einfach der bestmögliche Kompromiss, den die Linke rausholen konnte?
Vergleichen Sie es mit einem Fussballmatch: Am Anfang lagen wir im Parlament mit 5:0 zurück. Dann holten wir auf. Jetzt steht es 5:3. Das ist eine gute Leistung. Eine Niederlage bleibt es trotzdem.

Was wäre denn die Alternative?
Eine Volkspension, also nur noch die erste Säule. Wenn die gleiche Menge Geld in die AHV fliessen würde wie in die Pensionskasse, dann hätten wir Minimalrenten von über 5000 Franken.

Mehrheitsfähig wäre das nicht.
Da bin ich nicht so sicher. Die Pensionskassen bereichern sich seit Jahren und trotzdem zahlen sie immer tiefere Renten. Die Arbeitnehmer haben genug davon.

Bei Ihrem Amtsantritt vor ­einem Jahr zitierten Sie die Freiheitskämpferin Rosa Luxemburg: Es brauche eine «rücksichtslose, grausame, bis auf den Grund gehende Selbstkritik». Wir hören ...
Da denke ich an die interne Bildung, die bei uns noch immer zu kurz kommt. Zudem könnten wir noch mehr Mitglieder gewinnen.

Allzu grausam tönt das nicht.
Sagen wir es so: Man muss die Juso als Teil einer Bewegung sehen und diese als Ganzes kritisieren. Wir müssen endlich wieder wagen zu träumen. Wir müssen zurück zu den kleinen Leuten.

Und wie sehen Sie Ihre persönliche Bilanz?
Ich bin im Amt angekommen. Sie lachen jetzt, aber das ist gar nicht so einfach. Ich wurde von einem Tag auf den anderen von null auf hundert katapultiert.

Hatten Sie damit zu kämpfen?
Ja. Wir sind eine Ein-Prozent-Partei. Ein Grossteil der Leute findet uns doof. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Anfeindungen ich einstecken musste. Heute kann ich damit umgehen.

Politisch bleibt von Ihrem ersten Jahr nicht viel in Erinnerung – abgesehen vom Nacktbild, auf dem Sie Ihren BH verbrennen.
Dann ist die Aktion ja gelungen! Wir haben aber viel mehr geleistet: das Referendum zum Nachrichtendienstgesetz zustande gebracht, die 99-Prozent-Initiative aufgegleist, und in den Medien spricht man von einer Jusofizierung der SP.

Trotzdem werden Sie die nächsten Jahre wohl auf das BH-Bild reduziert werden.
Ach, die Juso wird nun mal reduziert. Ob das jetzt ein kiffender Präsident ist oder ein BH-Bild – damit kann ich leben. Ansonsten müssten wir unseren Politikstil ändern.

Funktionieren solche Aktionen denn überhaupt noch? Heute überbietet Sie ja sogar der US-Präsident mit billigen Provokationen.
Ich würde unseren Stil jetzt nicht mit Donald Trump vergleichen. Aber eine Wirkung erzielen unsere Aktionen noch immer. Nehmen Sie das BH-Bild: Wir haben eine Debatte über Gleichstellung und Bodyshaming losgetreten.

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