«Es war sehr emotional - ich bin erschöpft»
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Klima-Seniorin in Strassburg:«Es war sehr emotional - ich bin erschöpft»

Klima-Grosis verklagen die Schweiz
«Zwei Welten, die hier zusammengeprallt sind»

Die Klimaseniorinnen verklagen die Schweiz, weil sie zu wenig für den Klimaschutz tut. Am Mittwoch kam es zum grossen Aufeinandertreffen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Publiziert: 29.03.2023 um 12:49 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2023 um 10:04 Uhr

Zweimal schrillt der Gong. Oda Müller (78) und mit ihr acht weitere Klimaseniorinnen erheben sich von ihren Sitzen im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). «La Cour!» Das Gericht!, schreit ein Weibel. 17 Richterinnen und Richter betreten den Saal.

Sie werden entscheiden, ob die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt, weil sie zu wenig macht, um den Klimawandel zu stoppen. Geklagt haben die Klimaseniorinnen, Oda Müller ist eine von ihnen. «Heute entscheidet sich ganz viel.»

Juristisches Hickhack

Seit 2016 klagt sich der Verein durch die Gerichte. Hinter den Klimaseniorinnen steht Greenpeace, das den Verein finanziell unterstützt.

Klimaseniorinnen wie Oda Müller haben die Schweiz verklagt.
Foto: Matthias Kempf
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«Ein definitives Urteil wird Ende Jahr erwartet»
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Es ist das erste Mal, dass der EGMR eine Klimaklage beurteilt. Medien aus ganz Europa sind nach Strassburg gereist. Gewinnen die Klimaseniorinnen, folgen weitere Klagen. Bekommt aber der Bund recht, ist das ein Rückschlag für hängige Klimaklagen.

Keine Diskussion über Klimaschutzmassnahmen

Im Saal spricht zuerst der Bund: «Der Klimaschutz ist keine juristische Entscheidung, sondern eine politische», sagt Alain Chablais als Schweizer Vertreter. Der Gerichtshof sei nicht zuständig.

Zudem bezweifelt er, dass die Klimaseniorinnen stärker betroffen sind als die anderen Personen auf der Welt. Diese Frage ist entscheidend, ob der Verein vor Gericht überhaupt klagen darf oder nicht.

Paris-Verhandler verteidigt Schweiz

Franz Perrez (56), der Mann, der für die Schweiz das Pariser Klimaabkommen mitverhandelt hat, verteidigt die Schweiz. Er spricht schnell, seine Redenotizen fliegen zur Seite. Perrez betont, die Schweiz unternehme schon viel.

«Sie hoffen darauf, einen Präzedenzfall zu schaffen»
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Während die Schweizer Seite versucht, nicht darüber zu reden, ob die Klimaschutzmassnahmen genügen oder nicht, versuchen die Anwälte der Klima-Seniorinnen das Gegenteil: Die Seniorinnen würden bereits unter den Folgen des Klimawandels leiden, sagt Jessica Simor. Sie ist eine britische Anwältin, extra für die Verhandlung ins Team gekommen.

Oda Müller verfolgt die Verhandlungen in der ersten Reihe. «Ich bin aufgewühlt, es war sehr bewegend», sagt sie in der Pause. «Schade war nur, dass wir uns so zurückhalten mussten und nicht applaudieren durften.»

Hohe Hürden

Wie die Chancen für die Klimaseniorinnen stehen, lässt sich nur schwer abzuschätzen. Auch Experten sind unsicher. «Nur wenige Fälle hatte einen umweltrechtlichen Bezug», sagt Völkerrechtler Johannes Reich zu Blick TV.

Entscheidend wird sein, ob sich das Gericht nur zur Klageberechtigung der Seniorinnen äussert, oder auch zu Klimaschutz-Fragen. Immerhin: Bei der abschliessenden Fragerunde stellten die Richterinnen und Richter auch inhaltliche Fragen.

Doch dass sich neun der 17 Richter für die Seniorinnen aussprechen und der EGMR der Schweiz tatsächlich Vorgaben macht, sei «wenig wahrscheinlich», so Reich. Hingegen sei es durchaus möglich, dass Strassburg die Schweiz stützt. Das EGMR-Urteil wird frühestens gegen Ende Jahr erscheinen.

Oda Müller wirkt erschöpft als sie die Treppen des Gerichtssaal herunterkommt. Das gute Gefühl, dass sie seit der Anreise mitträgt, ist aber geblieben. Dennoch: «Es sind zwei Welten, die hier zusammenprallen.»

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