Knall im Verteidigungsdepartement
Neuer Spitzenbeamter darf Job doch nicht antreten

Mitte September wurde Jean-Daniel Ruch als neuer Staatssekretär für Sicherheitspolitik präsentiert. Nun aber tritt er sein Amt doch nicht an. Unter anderem sein Lebensstil soll ihm in die Quere kommen – und nicht nur ihm.
Publiziert: 25.10.2023 um 07:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2023 um 18:39 Uhr

Beben in Bundesbern: Jean-Daniel Ruch (60) darf seine Stelle als Staatssekretär für Sicherheitspolitik nicht antreten – er wäre ein Sicherheitsrisiko. Und das soll längst noch nicht alles sein: Gleichzeitig räumt der Generalsekretär Toni Eder (62) von Viola Amherds (61) Verteidigungsdepartement (VBS) seinen Schreibtisch. Dieser sass in der Findungskommission zur Suche des Sicherheitsstaatssekretärs. Der Zeitpunkt seines Abgangs sei aber rein zufällig, ist zu hören.

Ruch, derzeit Schweizer Botschafter in der Türkei, hätte sein neues Amt am 1. Januar 2024 antreten sollen. Doch daraus wird nichts, berichtet Radio SRF. Das entspricht Blick-Recherchen. Und Blick weiss noch mehr: Dass daraus nichts wird, hat laut verschiedener Quellen mit Ruchs Lebensstil zu tun. Er könnte offenbar erpressbar sein, heisst es. Das VBS will sich zu Ruchs abruptem Ausscheiden nicht näher äussern.

Amherd wird heute Mittwoch ihre Bundesratskollegen darüber informieren müssen, dass Ruch seine Stelle nun doch nicht antreten kann. Ein herber Rückschlag für die Verteidigungsministerin, der jetzt unmittelbar nach den Parlamentswahlen bekannt wird.

Botschafter Jean-Daniel Ruch sollte ab 2024 das neue Staatssekretariat für Sicherheitspolitik leiten.
Foto: keystone-sda.ch
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Abklärungen im Hintergrund

Seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel hatte es in den Medien mehrfach Kritik an Ruchs Nähe zur Hamas gegeben. Diese rührt aber auch daher, dass er im Auftrag der früheren Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (78, SP) das Gespräch mit der Hamas zu suchen hatte.

Doch aus der Sicht viele Beobachter hatte Ruch diesen Dialog zu einseitig pro Hamas geführt. Als SVP-Nationalrat Alfred Heer (62) Ruch wegen seiner Hamas-Freundlichkeit vor zwei Wochen als untragbar bezeichnete, teilte man beim Bund diese Sicht (noch) nicht.

Im Hintergrund liefen dennoch Abklärungen zum Verhalten des Botschafters, der die Favoritin Pälvi Pulli (52), die Chefin Sicherheitspolitik im VBS, ausgestochen haben soll, die in SVP-Kreisen unbeliebt ist. Aber mindestens auch ein Bewerber, der der SVP angehört, soll gegen Ruch im Auswahlverfahren unter 39 Bewerbungen den Kürzeren gezogen haben.

Ex-Chefspion und Fedpol-Chefin täuschten sich

Ausschlaggebend dürfte dafür die Empfehlung der Findungskommission gewesen sein. Dieser gehörten neben Toni Eder, Mitglied von Amherds Mitte-Partei, auch dessen Stellvertreter im VBS-Generalsekretariat, Marc Siegenthaler (47), an.

Mit dabei war zudem der Generalsekretär im Aussendepartement, Markus Seiler (54, FDP) – der einstige Geheimdienstchef. Aber auch die heutige Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol), Nicoletta della Valle (62, SP), war an Bord. Komplettiert wurde die Findungskommission durch Béatrice Métraux (68, Grüne), ehemalige Regierungsrätin des Kantons Waadt.

Dass sich eine derart hochkarätig zusammengesetzte Kommission mitsamt des früheren Chefs Nachrichtendienst des Bundes (NDB) offenbar fürchterlich in Jean-Daniel Ruch getäuscht hatte, wirft kein gutes Licht auf das Chefpersonal der Bundesverwaltung.

Blick-Informationen zufolge hatte Ignazio Cassis' (62) Aussendepartement (EDA) dem VBS stets signalisiert, dass «alles im grünen Bereich» sei bei ihrem Botschafter in Ankara, der zuvor als Schweizer Botschafter im israelischen Tel Aviv gearbeitet hatte.

Like war nicht der Auslöser

Zu reden gegeben hatte aber bereits, dass Jean-Daniel Ruch bereits kurz nach seiner Ernennung einen Beitrag auf dem Business-Netzwerk Linkedin eines Ex-Diplomaten mit einem Like versehen hatte, der die «Kriegsministerin» Amherd kritisierte.

Zum Abgang vor Amtsantritt soll aber Weitreichenderes geführt haben. Offenbar so weitreichend, dass selbst VBS-Generalsekretär Eder nicht mehr zu halten ist.

Anders als ihr einstiger Vorgänger Samuel Schmid (76, BDP) hat Verteidigungsministerin Amherd ihren Spitzenbeamten noch zurückgezogen, bevor er im Amt war. Schmid war über seinen Armeechef Roland Nef (64) gestolpert, weil er diesen zu wenig durchleuchtet hatte.

Auslöser war der Ukraine-Krieg

Das Staatssekretariat für Sicherheitspolitik (Sepos) soll ab nächstem Jahr seine Arbeit aufnehmen und dem gesteigerten Koordinationsbedarf unter den involvierten Stellen Rechnung tragen. Gemeinsam mit dem Nachrichtendienst des Bundes, dem Bundesamt für Polizei und den zuständigen Stellen im Aussendepartement soll es die nationale und internationale Sicherheitslage analysieren.

Anstoss zum neuen Staatssekretariat habe der Ukraine-Krieg gegeben, hatte Verteidigungsministerin Amherd schon im April erklärt: «Dieser Krieg führt uns vor Augen, dass dringender Handlungsbedarf besteht.» Neben militärischen Mitteln würden Kriege zunehmend mit hybriden Mitteln geführt. Dazu gehörten Cyber-Angriffe, Desinformation, Beeinflussung, Druckversuche oder Erpressung bis hin zu verdeckten Operationen. Auch in der Schweiz ist eine Zunahme von Cyber-Attacken spürbar. Hier gelte es, die Kräfte zu bündeln.

Wie aber das neue Staatssekretariat genau aufgebaut sein und welche Aufgaben es im Detail erfüllen soll, war bis heute nicht bekannt. Mit dem abrupten Abgang Ruchs könnte es hier nun wohl zu Verzögerungen kommen.

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