Knatsch um neue Öko-Regelung verärgert Bauern
«Dieses Hüst und Hott ist ein Seich»

Viele Landwirte sind verunsichert. Eigentlich sollten für die Bauern schon seit Anfang Jahr neue Vorschriften für Öko-Flächen gelten. Doch nun könnte das Parlament die Einführung erneut um ein Jahr hinauszögern.
Publiziert: 01.10.2023 um 13:33 Uhr
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Bauer Franz-Sepp Widmer (60) aus Steinhof SO hat das Feld schon abgesteckt. 3,5 Prozent seines Ackers – knapp ein Hektar – darf er künftig nicht mehr bewirtschaften, sondern muss es stattdessen Bienen, Marienkäfern und anderen Tieren überlassen. 

Die neue Vorgabe, mit der die Biodiversität gefördert werden soll, gilt ab 1. Januar 2024. Davon gingen die Landwirte bisher jedenfalls aus – und haben sich entsprechend vorbereitet. Doch nun herrscht plötzlich wieder Unsicherheit. 

Bundesrat Parmelin warnte

Vergangenen Donnerstag hat der Ständerat entschieden, die Einführung der umstrittenen neuen Regelung, die Teil des Massnahmenpakets zur Pestizidreduktion ist, erneut um ein Jahr zu verschieben. Er stimmte einem entsprechendem Vorstoss der St. Galler Ständerätin Esther Friedli (46, SVP) zu. Eigentlich hätte der Bund sie auf Anfang 2023 in Kraft setzen wollen, wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs hatte man die Umsetzung dann aber vertagt. Jetzt könnte sie weiter auf die lange Bank geschoben werden. Voraussetzung ist, dass auch der Nationalrat dem Aufschub zustimmt.

Mindestens 3,5 Prozent des Ackers müssen künftig Öko-Förderflächen sein, auf denen Schmetterlinge, Käfer und Bienen daheim sind.
Foto: imago
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Franz-Sepp Widmer nervt sich. «Dieses Hüst und Hott ist ein Seich», sagt der Solothurner. Zwar wäre es dem Bauern am liebsten, die neue Ökoflächen-Pflicht auf offenen Ackerflächen käme überhaupt nie. Doch er hat sich darauf eingestellt. Die kantonalen Landwirtschaftsämter haben Merkblätter verschickt, es fanden Kurse statt, und viele Bauern haben auf den neuen Ökoflächen bereits mit der Aussaat begonnen.

Es würde «fast gegen Treu und Glauben verstossen», mit der Umsetzung noch einmal ein Jahr zuzuwarten, appellierte Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (63) an den Ständerat – vergebens.

«Die Geschichte ist unglücklich»

Auch Markus Ritter (56) hat schon fast alles gesät. Der Mitte-Nationalrat und Präsident des Schweizer Bauernverbands kann seine Berufskollegen verstehen, die über das Hin und Her von Politik und Behörden fluchen. «Die ganze Geschichte ist unglücklich.»

Dennoch ist eine Verschiebung aus seiner Sicht die beste Lösung. Ritter weist darauf hin, dass auch der Verband Bio Suisse darauf pocht – weshalb auch einzelne Grüne im Ständerat für den Aufschub stimmten. Die Biobauern stellen wie auch der Bauernverband nicht die neue Regelung generell infrage, kritisieren aber die konkrete Umsetzung. Das Bundesamt für Landwirtschaft müsse dringend noch einmal über die Bücher, so die Meinung. 

Doch was heisst das jetzt für Bauern wie Franz-Sepp Widmer? Soll er auf dem Ackerstreifen, den er abgesteckt hat, schon jetzt keine Gerste mehr säen, sondern Wildblumen? Bauernverbandspräsident Markus Ritter rät den Landwirten, sich trotz der Unsicherheit für die neue Regel parat zu machen. Definitiv entscheiden wird der Nationalrat nämlich frühestens im Dezember.

Ausserdem: Auch wenn die 3,5-Prozent-Pflicht erst später kommen sollte, erhalten die Bauern bereits heute Direktzahlungen für die Ökoflächen.

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