Knatsch ums Wasser
Bundesrat will Schutz vor Pestiziden verwässern

Pestizidrückstände im Wasser sind ein Problem. Dennoch wehrt sich der Bundesrat gegen eine handfeste Verschärfung des Gewässerschutzes.
Publiziert: 13.09.2020 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2020 um 12:28 Uhr
Lea Hartmann

Die Zahlen sind Wasser auf die Mühlen jener, die für die Trinkwasser- oder die Pestizid-Initiative kämpfen: Teilweise um ein Vielfaches werden die Grenzwerte von Pestizid-Abbauprodukten im Grundwasser – der wichtigsten Trinkwasserressource im Land – überschritten. Das zeigen Daten der Kantone, die BLICK vor kurzem öffentlich gemacht hat.

Am Montag befasst sich der Ständerat mit den Initiativen, die dem Pestizideinsatz in der Landwirtschaft einen Riegel schieben wollen. Das Ergebnis der Diskussion ist absehbar: Nach dem Nationalrat wird auch das Stöckli die Initiativen ablehnen. Und dennoch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn der Ständerat entscheidet auch über eine Art indirekten Gegenvorschlag zu den Initiativen. Dieser ist deutlich umstrittener.

Pestiziden soll Zulassung entzogen werden

Der Vorschlag der Wirtschaftskommission, der zur Debatte steht, will vor allem gesetzlich verankern, was bisher nur eine unverbindliche Absichtserklärung ist: Der Einsatz von Pestiziden – und damit deren Risiken – muss in den nächsten Jahren erheblich reduziert werden. Allerdings ist nicht festgelegt, wie genau das Ziel erreicht werden soll. Und was passiert, wenn es verpasst wird.

Im Kampf gegen die Pestizid-Initiativen (im Bild Franziska Herren, Initiantin der Trinkwasser-Initiative) will das Parlament, dass Pestiziden, die das Grundwasser belasten, die Zulassung entzogen wird.
Foto: Keystone
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Darum gehts bei den Pestizid-Initiativen

Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.

Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.

Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.

Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.

Franziska Herren ist der Kopf hinter der Trinkwasser-Initiative.
Peter Mosimann

Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.

Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.

Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.

Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.

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Konkreter ist da eine andere Massnahme: Die Kommission schlägt auch vor, das Zulassungsverfahren für Pestizide direkt mit dem Gewässerschutz zu verknüpfen. Wenn in Gewässern, die für die Trinkwassernutzung gebraucht werden, zu hohe Konzentrationen von Pestiziden oder deren Abbauprodukten gemessen werden, soll der Bund die Handbremse ziehen und den Pflanzenschutzmitteln die Zulassung entziehen können.

Nationalrat stimmte für stärkeren Schutz

Eine Ergänzung, die dringend nötig ist, findet SP-Nationalrat Beat Jans (56). Er hat schon vergangenes Jahr einen Vorstoss eingereicht, der genau das fordert. Mit Erfolg: Eine klare Mehrheit des Nationalrats stimmte dafür, dass der Bund Pestiziden die Zulassung entzieht, die nachweislich das Trinkwasser belasten.

Angesichts des deutlichen Ergebnisses nahm die Ständeratskommission Jans' Anliegen in ihre Vorlage auf. Mit der Absicht, den Pestizid-Initiativen damit etwas Wind aus den Segeln zu nehmen.

Bundesrat will Ausnahmeklausel

Doch nun könnte das Gegenteil passieren. Schuld daran ist der Bundesrat. Geht es nach ihm, soll die Stärkung des Gewässerschutzes gleich wieder verwässert werden. Zwar steht auch die Regierung hinter dem Vorschlag, dass Pestiziden die Zulassung entzogen werden soll, wenn sie das Wasser massiv vergiften.

Der Bundesrat machte sich jedoch für ein folgenschweres Aber stark: Die Verschmutzung soll erlaubt bleiben, wenn ohne Pflanzenschutzmittel die Inlandsversorgung «stark beeinträchtigt» würde. Wenn also der Verzicht auf ein Pestizid dazu führen würde, dass gewisse Lebensmittel nicht oder nur noch in viel kleinerer Menge produziert würden.

«Man wird wieder zig Ausreden parat haben»

Die Kommission liess sich auf die Änderung ein. Zwar mit der kleinen Anpassung, dass der Bundesrat nur zeitlich befristet von einem Verbot absehen kann. Was das genau bedeutet, bliebe dann allerdings der Regierung überlassen.

Jans ist deshalb nicht zufrieden. Er fürchtet, dass die auf Initiative des Bundesrats hineingeflickte Ergänzung Ausnahmen Tür und Tor öffnet. «Am Schluss wird man wieder zig Ausreden parat haben, warum die Pestizide doch verwendet werden dürfen», kritisiert er. Für Thomas Weibel (66), Präsident der Gewässerschutzorganisation Aqua Viva und alt GLP-Nationalrat, steht fest: «Mit der Selbstversorgung werden stets Verbesserungen in der Landwirtschaftspolitik verhindert.» Auch hier werde dies zulasten der Umwelt gehen.

Wasserversorger ist besorgt

Vonseiten der Trinkwasserversorger gibt es ebenfalls kritische Stimmen. Für sie sind Pestizide im Wasser ein grosses Problem. Roman Wiget (48) ist Präsident des internationalen Trinkwasserverbands Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR), dem zahlreiche grosse Wasserversorger in der Schweiz angehören. Er sagt: «Gesellschaft und Umwelt werden heute sehr grosse Risiken zugemutet.» Dass man da nicht endlich handle, finde er als Wasserversorger unverantwortlich. «Wir brauchen keine Verbesserungen im Prozentbereich, wir brauchen einen Systemwechsel», so Wiget.

Er wirft dem Bund vor, immer wieder den Gewässerschutz zu unterwandern oder zu verwässern. Hinzu komme mangelnder Vollzug der geltenden Regeln. «Es hat System, dass man in der Schweiz den Gewässerschutz erschwert.» Aus Sicht Wigets führt darum kein Weg an der Trinkwasser-Initiative vorbei – egal, wie das Parlament am Montag entscheidet.

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