Kommentar von BLICK-Chef Dorer zum wuchtigen Nein zu No Billag
Zuschauer, Zuhörer und Leser haben gesprochen

Das wuchtige Nein zu No Billag ist ein starkes Votum für starke Medien – für SRG und Private. Beides braucht das Land, damit die Medien ihre Aufgabe als vierte Macht im Staat erfüllen können. Ein Kommentar von Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Publiziert: 04.03.2018 um 19:38 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:55 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Die No-Billag-Initiative ist mit aller Härte auf dem Boden der politischen Tatsachen zerschellt. Das überdeutliche Ergebnis von 71,6 Prozent Nein-Stimmen bedeutet mehr, als dass sich die Initianten übernommen haben.

Den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern war klar, dass es um die Existenz der SRG ging. Und eine über jeden Zweifel erhabene Mehrheit hat festgestellt, dass die SRG unverzichtbar ist für die Meinungsbildung, für die sprachliche Vielfalt, für den Zusammenhalt des Landes. Diese Mehrheit war überzeugt, dass dies nicht der geeignete Moment für einen Denkzettel ist.

Die SRG wird gern und häufig kritisiert wie alle nationalen Institutionen – Armee, Post, SBB. Gerade weil sie von eminenter Bedeutung sind und von höchstem emotionalen Wert. Doch wenn es wirklich zählt, dann steht die Schweiz hinter ihnen.

Gleichzeitig verhält es sich mit No Billag wie mit fast allen Initiativen: Sie greifen einen Missstand auf, schiessen aber meilenweit übers Ziel hinaus.

Viele SRG-Journalisten leisten hervorragende Arbeit. Die Institution jedoch, für die sie so vorbildlich wirken, ist aus dem Ruder gelaufen – wie es wohl jedem Unternehmen ergehen würde, das 87 Jahre lang ohne grössere Anstrengung wachsen durfte.

Braucht es für einen angemessenen Service public sieben TV- und 17 Radiosender? 1039 Vollzeitstellen allein für das italienischsprachige Programm? Online dasselbe, was auch private Medien bieten?

Einige der Verantwortlichen kündigten in der Hitze des Abstimmungskampfes Reformen an. SRG-Generaldirektor Gilles Marchand: «Die SRG muss fitter und agiler werden.» Seine Stellvertreterin Ladina Heimgartner: «Wir haben uns von der Bevölkerung entfremdet. Ich verspreche, dass sich die SRG nach einem Nein am 4. März ändern wird.» SRG-Präsident Jean-Michel Cina: «Wir werden uns noch stärker von den Privaten unterscheiden müssen.»

Nun werden sie an ihren Aussagen gemessen. Und die Reformen, die Generaldirektor Marchand gestern angekündigt hat, gehen in die richtige Richtung. Es braucht eine breite Debatte darüber, was der Service public heute bieten muss.

Sparen, abspecken, Überflüssiges kappen alleine genügt nicht. Auch eine weitere Senkung der Gebühren wäre, pardon, zu billig. Die Schweiz steht vor einer viel wichtigeren Frage: Welche Kosten für Radio und Fernsehen muss die Allgemeinheit tragen, weil sie sich anders nicht finanzieren lassen? Was kann man den Privaten überlassen, weil sie ein Geschäftsmodell dafür haben? Welche Rolle muss die SRG spielen, damit das Schweizer Mediensystem als Ganzes seine Aufgabe als vierte Macht im Staat erfüllen kann?

Die Digitalisierung pflügt auch den Markt der Meinungen und Informationen um. US-Giganten saugen bei SRG und Privaten Werbegelder ab. Agenturen, Sender und Redaktionen, die Missstände in Staat und Gesellschaft aufdecken sollen, kämpfen mit brutalen Einsparungen im eigenen Haus. Hochdotierte Public-Relations-Abteilungen in Staat und Wirtschaft versuchen dagegen mit immer mehr Personal, solche Missstände zu vertuschen – siehe Postauto-Bschiss, siehe Raiffeisen-Skandal …

Schönfärbende und vertuschende PR wird stärker, kritische und aufklärende Berichterstattung wird schwächer. Eine starke Demokratie aber braucht starke, finanzkräftige Medien – private wie öffentlich finanzierte.

All das haben die Stimmbürger mit ihrem wuchtigen Nein zu No Billag klargemacht. Wir danken ihnen.

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