Kommissionsgeheimnis verletzt?
Köppel droht ein Disziplinarverfahren

Vor laufender Kamera hat SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel aus einem vertraulichen Dokument vorgelesen. Das könnte Konsequenzen haben.
Publiziert: 28.03.2022 um 19:54 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2022 um 21:10 Uhr
Lea Hartmann

Ob aus dem heimischen Büro, von unterwegs oder direkt aus dem Bundeshaus: Für sein tägliches Videoformat «Weltwoche daily» ist SVP-Nationalrat und Chefredaktor Roger Köppel (59) wochentags früh auf den Beinen, um seiner Leserschaft pünktlich zum Morgenkaffee den Kommentar zur aktuellen Weltlage zu servieren.

Der morgendliche Monolog könnte dem SVPler nun zum Verhängnis werden. Vergangene Woche hat Köppel vor laufender Kamera vertrauliche Informationen des Aussendepartements (EDA) ausgeplappert. Damit hat er das Kommissionsgeheimnis verletzt, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.

Aus vertraulichem Dokument zitiert

Köppel berichtete von einer Razzia des russischen Inlandgeheimdienstes FSB am 22. März in Moskau. Die Beamten hatten eine Tochterfirma des Schweizer Luxusuhrenherstellers Audemars Piguet durchsucht und Uhren im Wert von mehreren Millionen Franken beschlagnahmt.

Roger Köppel hat in seinem Videoformat «Weltwoche Daily» das Kommissionsgeheimnis verletzt.
Foto: Screenshot Weltwoche
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Der SVP-Nationalrat, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (APK), stützte sich dabei auf eine Informationsnotiz des EDA. Wortwörtlich las er vor, was im als vertraulich klassifizierten Dokument stand, das nebst der APK auch andere Parlamentskommissionen erhalten hatten. Neben dem Absatz über die Uhren-Razzia zitierte Köppel weitere Passagen aus dem EDA-Dokument. Damit dürfte Köppel gegen das Parlamentsgesetz verstossen haben.

Kommission will Vorfall diskutieren

Verletzungen des Kommissionsgeheimnisses sind keine Seltenheit. Parlamentsmitglieder reden in vertraulichen Gesprächen immer mal wieder über etwas aus der Kommission, teils aus Unachtsamkeit, mal um eigene politische Vorteile daraus zu ziehen oder auch um anderen zu schaden. Journalistinnen und Journalisten benutzen diese Informationen für ihre Arbeit. Es kommt aber äusserst selten vor, dass ein Parlamentarier das Kommissionsgeheimnis in aller Öffentlichkeit vor laufender Kamera verletzt.

Köppel selbst bestreitet auf Anfrage, dass er eine Geheimnisverletzung begangen hat. Er führt aber auch auf Nachfrage nicht aus, weshalb er aus seiner Sicht nichts Unerlaubtes getan haben soll.

Parteikollege Franz Grüter (58), Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, schätzt das anders ein. Er bestätigt, dass es sich um ein vertrauliches Dokument gehandelt hat, aus dem Köppel vorlas. Und er kündigt an, dass man den Vorfall an der nächsten Sitzung Anfang April thematisieren werde. Auf die Frage, was er von der Aktion seines Parteikollegen halte, sagt Grüter nur: «Ich appelliere immer wieder an die Einhaltung des Kommissionsgeheimnisses.»

Köppel könnte gerüffelt werden

Für Köppel könnte der Verstoss ein Disziplinarverfahren und rein theoretisch gar ein Strafverfahren zur Folge haben. Letzteres ist allerdings sehr unwahrscheinlich angesichts der Tatsache, dass die publik gemachten Informationen zwar vertraulich waren, deren Veröffentlichung aber keine unmittelbaren Auswirkungen beispielsweise auf die Sicherheit des Landes hat. Selbst um ein Disziplinarverfahren, das einen Verweis oder einen vorübergehenden Ausschluss aus der Kommission zur Folge haben könnte, dürfte Köppel herumkommen.

Ein Disziplinarverfahren eröffnen müsste das Büro des Nationalrats, in dem nebst Nationalratspräsidentin Irène Kälin (35) unter anderem auch die Fraktionspräsidenten sitzen.

Geheimniskrämerei abschaffen?

Die SVP sieht das Kommissionsgeheimnis schon länger kritisch. Nationalrat Andreas Glarner (59) hat vor knapp einem Jahr einen Vorstoss eingereicht, in dem er die teilweise Abschaffung des Geheimnisses fordert. Dabei geht es allerdings nur um die Abstimmungen in den Kommissionen und nicht um die Unterlagen, die den Kommissionsmitgliedern vorliegen.

Die offensichtliche Geheimnisverletzung Roger Köppels bliebe damit auch nach dem Willen der SVP verboten.

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