Krankenkasse halbiert Lobby-Gelder für Parlamentarier
Die fetten Jahre sind vorbei

Bis zu 20'000 Franken erhielten Politiker im Dienst der Groupe Mutuel für vier Sitzungen. Jetzt kriegt die Firma kalte Füsse: Die Gelder werden gekürzt.
Publiziert: 10.12.2017 um 21:43 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:25 Uhr
Begrüsst Transparenz: BDP-Präsident und Kassenlobbyist Martin Landolt.
Foto: KEYSTONE
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Reza Rafi

Alle machen es: vom Umweltschützer bis zum Militär, vom Banker bis zum Bauern. Die Rede ist vom politischen Lobbying, der organisierten Einflussnahme auf die Gesetzgebung. Längst hat die Öffentlichkeit den Durchblick verloren.

Besonderen Argwohn zieht die Westschweizer Krankenkasse Groupe Mutuel auf sich. Acht bürgerliche National- und Ständeräte hat sie in der «Groupe de réflexion santé» für sich eingespannt. Der illustre Verein kommunizierte – wie im Metier üblich – stets nur so viel wie nötig. Über Geldbeträge wurde wild spekuliert.

Wie Recherchen von SonntagsBlick zeigen, hat nun der Wind gedreht: Bislang winkte den Parlamentariern eine maximale Aufwandsentschädigung von 20'000 Franken – für vier Sitzungen im Jahr; «vier bis sechs Sitzungen plus Vorbereitung», ergänzt der Thurgauer SVP-Ständerat Roland Eberle (64), der die Gruppe präsidiert und im Vorstand des Konzerns sitzt.

Bescheidenheit hat verschiedene Ursachen

Neu wird dieser Maximalbetrag auf 10'000 Franken halbiert.
Dazu verspricht das Unternehmen für Anfang 2018 eine Transparenzoffensive: Auf einer Homepage soll aktiv über die Tätigkeiten der Groupe de réflexion informiert werden.

Zudem ist eine Charta in Arbeit, in der man sich zu Offenheit und einem liberalen Gesundheitswesen bekennt.

Die plötzliche Bescheidenheit hat diverse Ursachen. Erstens sitzt den Verantwortlichen noch die Intervention der Finanzmarktaufsicht Finma in den Knochen. Die Behörde ging 2015 gegen frühere Chefs der Kasse vor, die zu hohe Summen als Salär einstrichen. Schnell war in den Medien von der «Groupe Mischel» die Rede. Zweitens droht eine Konzernverantwortungsinitiative, welche Firmen stärker in die soziale Pflicht nehmen will.

Negative Schlagzeilen vermeiden

Darum gilt es heute mehr denn je, negative Schlagzeilen zu vermeiden. Besonders, wenn es um das Geld der Versicherten geht.

Die Mitglieder der Gruppe geben sich gelassen. «Ich begrüsse, dass mehr Transparenz geschaffen wird», sagt der Glarner BDP-Nationalrat und Parteipräsident Martin Landolt (49) auf Anfrage. «So können wir der Öffentlichkeit besser erklären, was wir machen – und was wir nicht machen.» Auch gegen die Kürzung der Gelder habe er nichts. Die Teilnahme an der Groupe de réflexion santé sei für ihn hilfreich. «Sie erhöht meine fachliche Fitness.»

Auch der Basler Nationalrat Sebastian Frehner (44) sagt, er könne gut mit der neuen Regelung leben. Der SVP-Politiker betont jedoch: «Arbeit soll auch entlöhnt werden, dazu stehe ich. Was nichts kostet, ist auch nichts wert.»

Der Zufall will es, dass der Zürcher SVP-Politiker Jürg Stahl (49), bis vor kurzem Nationalratspräsident, diese Woche sein Engagement bei der Groupe Mutuel beendete. Er übernimmt den Vorsitz des Bewerbungskomitees für die Olympischen Winterspiele «Sion 2026». Sein Abgang hänge nicht mit der Praxisänderung bei Groupe Mutuel zusammen, sagt Stahl. Er sei ohnehin in einem anderen Lohnverhältnis gestanden, da er bei der Groupe Mutuel auch als Direktor angestellt war. Christian Feldhausen, Sprecher der Kasse, kommentiert die Angelegenheit nicht. Er antwortet mit dem Satz: «Wir werden Anfang 2018 kommunizieren.»

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