Hier hebt die Mirage III zum letzten Mal ab
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Letzter Flug des Kampfjets:Hier hebt die Mirage III zum letzten Mal ab

Letzter europäischer Flug in Payerne VD
Adieu, Mirage

Der ehemalige Schweizer Kampfjet Mirage III hat am Donnerstag in Payerne VD seine letzten Flüge absolviert. Ein Abschied für Nostalgiker.
Publiziert: 25.05.2023 um 20:35 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2023 um 20:49 Uhr
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Früh am Morgen dieses Trauertages für Aviatiker muss erst einmal für Ordnung gesorgt werden: Sicherheitskräfte auf dem Flughafen Payerne VD platzieren die angereisten Flugzeugfans mit ein paar Anweisungen hinter dem Zaun an der Startpiste.

Die Windsäcke auf dem Gelände werden von einer Bise herumgewirbelt, die sich mehr nach Anfang November anfühlt als nach Ende Mai. Das ist die vielleicht wichtigste Frage, die über diesem Morgen liegt: Wird das Wetter halten?

Die Mirage III wird an diesem Donnerstag zum letzten Mal abheben – gleich zweimal, am Vormittag und am Nachmittag. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) schickt den Kampfjet etwas früher als vorgesehen in Pension. Denn: In Europa gibt es kein Unternehmen mehr, das die in die Jahre gekommenen Jet-Antriebe revidiert.

Die Mirage III hebt auf dem Flughafen Payerne zu ihrem letzten Flug ab.
Foto: keystone-sda.ch
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Fans verabschieden sich

Viele Menschen, vor allem ältere Herren, älter noch als das Flugzeug, das sie mehr als ein halbes Leben lang begleitet hat, sind aus der ganzen Schweiz angereist, um diesem Spektakel beizuwohnen. Auf Klappstühlen und mit riesigen Kameraobjektiven im Anschlag verabschieden sie sich vom legendären Kampfjet.

Bis es so weit ist, darf ein ausgewählter Kreis an geladenen Gästen das Flugzeug im Hangar begutachten. Da steht sie also, grau und glänzend, frisch geputzt. 13,85 Meter lang, 4,5 Meter hoch, eine Spannweite von 8,22 Metern. Sie erreichte Spitzengeschwindigkeiten von 2300 km/h, mehr als Mach 2. Das Flugzeug wurde in der Schweiz als Abfangjäger und Aufklärer eingesetzt. Aviatiker feiern sie noch heute als den elegantesten Kampfjet aller Zeiten.

Die 61 Jets starke Mirage-III-Flotte war von den 1970ern bis Ende der 1990er-Jahre der Stolz der Schweizer Luftwaffe. Zehn Maschinen stürzten im Laufe der Zeit ab und mussten abgeschrieben werden. Drei Piloten und eine Drittperson verloren dabei ihr Leben. 2003 nahm die Armee die letzten 16 Jets vom Rollfeld.

«Ein trauriger Tag»

Bis vergangenes Jahr startete die Maschine jährlich rund 24 Mal. Betrieben wurde die letzte flugfähige Mirage III in der Schweiz vom Verein Espace Passion. Haupteigentümer ist das Militärflugzeugmuseum Payerne VD. Wer in der Doppelsitzer-Maschine exklusiv mitfliegen wollte, konnte dies tun – ein Ticket kostete 15'000 Franken pro Person.

Um 10.15 wird die Mirage endlich aus dem Hangar geholt und rollt auf die Piste. «Es ist ein schöner, aber auch ein trauriger Tag», sagt ein älterer Herr mit andächtiger Stimme. «Immerhin macht das Wetter mit», entgegnet ein anderer.

Im Cockpit des Flugzeugs sitzt der Neuenburger Thierry Goetschmann (67). Es wird der letzte Flug für den pensionierten Oberst und ehemaligen Kommandanten der Pilotenschulen der Schweizer Luftwaffe sein. «Ich finde es schön, mit der Mirage aufzuhören», sagt er vor dem Flug. Wer einmal eine Mirage geflogen sei, für den gelte: immer Mirage.

Und dann, um kurz nach 10.30 Uhr, schwebt sie über die Startbahn, ein heulendes Geschoss, zieht mit grossem Lärm gegen den Himmel und schliesslich rechts ab in Richtung Wallis.

Turbulente Geschichte

Die Mirage III hatte in der Schweiz eine bewegte Geschichte. Bereits die Beschaffung vor fast 60 Jahren führte erst zu politischen Turbulenzen, später schliesslich zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Paul Chaudet (1904–1977). Denn: Bei der Beschaffung der Jets kam es zu einer beispiellosen Kostenüberschreitung.

871 Millionen Franken hatte das Parlament für den Kauf von 100 Mirage-Flugzeugen bewilligt. 1964 musste der Bundesrat einen Zusatzkredit von 576 Millionen Franken beantragen. Die Räte bewilligen schliesslich 57 Flugzeuge.

Die Kostenexplosion war nicht zuletzt den hochtrabenden Träumen der Armeeführung geschuldet. Sie schmiedete nicht nur Pläne für eine Atombewaffnung der Schweiz. Sie liebäugelte auch mit der atomaren Bewaffnung der Flugzeuge. Nur der modernste Jet war dafür gut genug.

Parallel zu den Kosten explodierte im Parlament die Empörung. Zum ersten Mal überhaupt setzte es 1964 darum eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ein. Ihr Fazit fiel vernichtend aus: Der Bundesrat habe das Parlament getäuscht, in manchen Aspekten gar irregeführt. Nebst Chaudet mussten daraufhin auch der Kommandant der Luftwaffe sowie der Generalstabschef abtreten.

«Flugzeug war super im Schuss»

Eine knappe Stunde nach dem Start kehrt die Mirage nach Payerne zurück, vollführt zwei Touch-and-Go-Manöver, ehe sie zur Landung ansetzt. Pilot Goetschmann steigt aus, strahlt, sagt: «Das Flugzeug war super im Schuss, es ist alles gut gegangen.»

Zurück bleibt ein Kondensstreifen am Himmel, weiss auf grau, wie hingemalt. Ein Schlussstrich unter einer turbulenten Geschichte. Adieu, Mirage!

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