Long-Covid-Studie bei Schweizer Rekruten zeigt kaum bleibende Schäden
Corona macht Spermien schlapp – aber nur temporär

Junge Rekruten haben bei einer Covid-Erkrankung langfristig nicht viel zu befürchten. Doch temporär sind die Folgen oft massiv – von Geruchssinnverlust über Angstzustände bis hin zu verschlechterter Spermienqualität. Das zeigt eine neue Long-Covid-Studie der Armee.
Publiziert: 07.03.2022 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 07.03.2022 um 12:09 Uhr
Ruedi Studer

Wer sich vor einer Covid-Infektion schützen will, müsse sich wohl ein viertes Mal impfen lassen, sagte Taskforce-Chefin Tanja Stadler (40) jüngst im Blick-Interview. Auch wegen der Gefahr von Long Covid. Denn: «Wir wissen noch wenig über die Langzeitfolgen einer Infektion.»

Ein neues Puzzleteil zur Long-Covid-Problematik liefert nun ein Team um Epidemiologin Patricia Schlagenhauf (60) von der Universität Zürich. Untersucht wurden dabei rund 500 Rekruten der Schweizer Armee. Ein Teil davon hat eine Corona-Erkrankung bereits über sechs Monate hinter sich. Als Kontrollgruppen dienten vor allem Nichterkrankte. Es gab aber auch eine kleine Gruppe von erst kürzlich Infizierten.

Die Rekruten – zum Grossteil Männer zwischen 19 und 29 Jahren, im Schnitt 21 – wurden für die Studie wortwörtlich auf Herz und Nieren geprüft. Gecheckt wurden etwa Blutwerte, Herz, Lunge, Nervensystem, Augen oder Geruchssinn. Aber auch die Spermienqualität oder der psychische Gesundheitszustand.

Auch die Schweizer Armee war von zahlreichen Corona-Fällen betroffen. Eine neue Studie untersucht die langfristigen Folgen.
Foto: Keystone
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Kurzfristige Folgen teils frappant

Während sich bisherige Studien vor allem auf Hospitalisierte oder Risikopersonen konzentrieren, wurde diesmal eine junge Kohorte untersucht. Die gute Nachricht vorweg: «Junge, gesunde Männer, die einen milden Covid-Verlauf hatten, zeigen zehn Monate nach der Infektion kaum mehr Spuren von Long Covid», sagt Studienleiterin Schlagenhauf. «Wir haben stärkere Auswirkungen erwartet, doch es gibt kaum bleibende Schäden.»

Vollständig verschwunden sind gewisse Symptome aber nicht in sämtlichen Fällen. So zeigen sich teilweise auch nach zehn Monaten noch Stoffwechselstörungen wie erhöhtes Cholesterin, aber auch verstärkte Müdigkeit oder eine schlechtere körperliche Ausdauer.

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Während die langfristigen Folgen eher gering waren, waren die kurzfristigen Corona-Auswirkungen teils frappant. Wer erst kürzlich an Corona erkrankt war, klagte öfter über den Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns. «Der Geruchssinn kam im Schnitt nach 6,4 Wochen wieder zurück», so Schlagenhauf. Auch die psychischen Folgen – wie Angstzustände, Depressionen oder Schlaflosigkeit – waren stärker. «Doch auch hier zeigten sich nach sechs Monaten keine Unterschiede mehr zur Kontrollgruppe.»

Temporär verschlechterte Spermienqualität

Untersucht wurde auch die männliche Fruchtbarkeit. Und da zeigte sich: Die Covid-Infektion sorgt temporär für eine verschlechterte Spermienqualität. Ein Befund, der nach einigen Monaten aber wieder verschwindet. «Die Erholungszeit beträgt hier rund drei Monate», so Schlagenhauf. Die Epidemiologin hätte auch gerne die Auswirkungen einer Infektion auf Frauen untersucht. Da der Frauen-Anteil aber nur gut sechs Prozent betrug, war dies nicht möglich.

Resultate liefert die Studie auch bezüglich Impfschutz. «Wer geimpft oder geimpft und genesen war, wies zehnmal mehr Antikörper auf als Ungeimpfte», so Schlagenhauf. «Eine Impfung ist also sehr empfehlenswert, auch wenn man die Krankheit durchgemacht hat.»

Schlagenhauf macht klar, dass die Resultate für die Gruppe junger, militärdiensttauglicher Männer gelte – also ohne Vorerkrankungen. «Die Resultate können zwar nicht auf andere Gruppen wie ältere oder hospitalisierte Personen übertragen werden, aber sie liefern Anhaltspunkte für die junge, gesunde Bevölkerung.»

Die Epidemiologin würde die Studie gerne weiterführen, beispielsweise, indem die betroffenen Rekruten in zwei Jahren wieder untersucht würden. Eine andere Idee ist, die Studienanlage mit Pflegepersonal zu wiederholen, wo ein grösserer Frauenanteil besteht.

Armee finanziert Studie

Initiiert wurde die Studie von Oberfeldarzt Andreas Stettbacher (59) und finanziert von der Schweizer Armee. Da die Armee gerade während der ersten Welle viele Soldatinnen und Soldaten mit milden Covid-Symptomen zu verzeichnen hatte, wollte die Armee wissen, ob eine Corona-Erkrankung für ihre Truppen Langzeitfolgen haben wird.

«Dies konnte mit der Studie jetzt umfassend und eindrücklich widerlegt werden», erklärt Armeesprecher Stefan Hofer. Und: «Falls sich aus den weiteren Auswertungen der Resultate zusätzliche Bedürfnisse der Armee für diesbezügliche wissenschaftliche Abklärungen ergeben, wird sich die Armee an Folge-Forschungsaufträgen beteiligen.»

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