Beim Sorgentelefon laufen Drähte heiss, doch mehr Geld gibts nicht
Ständeräte lassen Jugendliche hängen

In der Corona-Krise wenden sich viel mehr Teenager an das Sorgentelefon von Pro Juventute. Dennoch will die Politik nicht mehr Geld für den Kinder- und Jugendschutz sprechen.
Publiziert: 23.11.2020 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2020 um 19:41 Uhr
Noa Dibbasey

600 Mal klingelt das Telefon oder geht eine Nachricht im Chat ein. 600 Mal sucht ein Jugendlicher beim Sorgentelefon 147 von Pro Juventute die Hilfe einer Fachperson. Und das jeden Tag. Allein die Nachfrage nach Chat-Beratungen sei um 170 Prozent im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten gestiegen, so die Jugendorganisation.

«Angst, Einsamkeit und familiäre Konflikte – mit diesen Problemen sind Jugendliche seit Beginn der Corona-Pandemie noch viel stärker konfrontiert», sagt die Präsidentin vom Stiftungsrat der Pro Juventute, Barbara Schmid-Federer (55). So haben viel mehr Junge Angst, Freunde zu verlieren (+153 Prozent), leiden unter Einsamkeit (+41 Prozent), Konflikten mit den Eltern (+47 Prozent) und Gewalt in der Familie (+44 Prozent). «Auch zum Thema Suizid haben Anfragen zugenommen», so Schmid-Federer – und zwar um 8,5 Prozent.

Angebot im Tessin und in der Romandie ausgebaut

Pro Juventute hat darauf reagiert und das Beratungsangebot ausgebaut. So gibt es seit Mitte April auch eine Chatberatung in der Romandie und im Tessin. Finanziert wurde all das durch Spendengelder. Denn der Staat ist knausrig.

600 Jugendliche melden sich täglich beim Hilfsdienst «147» von Pro Juventute. Die Corona-Pandemie führt zu mehr Problemen für die Jugendlichen.
Foto: Pro Juventute
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Das zeigte sich erst letzte Woche wieder exemplarisch. Die Finanzkommission des Ständerats wehrte sich gegen eine Aufstockung des Budgets für den Kinder- und Jugendschutz. Es wäre um einen Zustupf von 500'000 Franken gegangen, den die nationalrätliche Kommission gewähren wollte.

77 Mal weniger als für den Sport

Der Sport ist dem Bund mehr wert: Zwei Tage vor dem Nein der ständerätlichen Finanzpolitiker hatte Sportministerin Viola Amherd (58) den Fussball- und Hockey-Clubs 115 Millionen Franken geschenkt. So viel würde der Kinder- und Jugendschutz in 77 Jahren bekommen: Der Bund unterstützt Organisationen wie Pro Juventute nämlich mit gerade einmal 1,5 Millionen Franken pro Jahr.

Hier finden Sie in persönlichen Krisen Hilfe

Für Menschen in persönlichen Krisen gibt es rund um die Uhr Anlaufstellen.

Das sind die Wichtigsten:

Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Nummer 143
Beratungstelefon Pro Juventute: Nummer 147

Weitere Infos erhalten Sie bei: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die einen Menschen verloren haben: www.verein-refugium.ch
Perspektiven nach Verlust ­eines Elternteils: www.nebelmeer.net

Für Menschen in persönlichen Krisen gibt es rund um die Uhr Anlaufstellen.

Das sind die Wichtigsten:

Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Nummer 143
Beratungstelefon Pro Juventute: Nummer 147

Weitere Infos erhalten Sie bei: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die einen Menschen verloren haben: www.verein-refugium.ch
Perspektiven nach Verlust ­eines Elternteils: www.nebelmeer.net

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Für Schmid-Federer ist das Nein zu mehr Geld für den Kinderschutz auch finanzpolitisch völlig unvernünftig: «Die Langzeitfolgen – also Gesundheits- und Betreuungskosten – werden viel höher sein, wenn das Parlament jetzt spart.» Dass man zwar korrekterweise Milliarden in die Wirtschaft investiere, gleichzeitig die Schwächsten der Gesellschaft aber nur minimal unterstütze, findet die CVPlerin nicht richtig. «Was ist mit dem Versprechen, niemanden im Stich zu lassen, geschehen?»

Am 7. Dezember wird der Ständerat erstmals über das Budget beraten. Vielleicht zeigt er sich einen Tag nach Chlaustag nicht nur gegenüber dem Sport, sondern auch den Kindern grosszügig.

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