Menschen mit Behinderungen kandidieren für das nationale Parlament
«Unser Platz ist im Bundeshaus»

Das Leben in der Schweiz stösst Menschen mit Behinderungen oft vor den Kopf – auch in der Politik. Die Parlamentswahlen 2023 könnten im Bundeshaus endlich für mehr Inklusion sorgen. Auch dank einer Kampagne von Pro Infirmis.
Publiziert: 01.10.2023 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2023 um 10:19 Uhr
Dies ist ein bezahlter Beitrag, präsentiert von Pro Infirmis

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«Wir sind hier. Wir sind viele. Und wir gehören dazu.» Mit diesem Manifest hat Pro Infirmis die Kampagne «Gewöhn dich dran» für mehr Inklusion in der Politik lanciert. Im Rahmen der Parlamentswahlen vom kommenden Herbst kämpft die Behindertenorganisation für eine Gesellschaft, in der alle Menschen den gleichen Wert und auch die gleichen Rechte haben. Eine Forderung, wie sie auch die UN-Behindertenrechtskonvention bereits formuliert hat: Menschen mit Behinderungen sollen sich aktiv an der Gestaltung von öffentlichen Angelegenheiten beteiligen.

Doch die Realität sieht anders aus. Menschen mit Behinderungen sind im Parlament massiv unterrepräsentiert – dabei machen sie 22 Prozent der Bevölkerung aus. Konkret müssten bei dieser Quote 44 Menschen mit Behinderungen Teil des nationalen Parlaments sein. Aktuell sind die Mitte-Nationalräte Christian Lohr und Philipp Kutter die einzigen Parlamentarier, die mit einer sichtbaren Behinderung leben.

Menschen mit Behinderungen – ein Hindernis?

Der Grund für dieses Missverhältnis: Menschen mit Behinderungen werden durch zahlreiche Hindernisse davon abgehalten, am politischen Geschehen teilzunehmen. Das beginnt damit, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen teilweise kein Wahl- und Stimmrecht haben und somit in vielen Fällen vom politischen Prozess ausgeschlossen sind. Oder sie werden wegen fehlender Barrierefreiheit, fehlenden Gebärdendolmetschenden oder nicht vorhandener Informationen in Leichter Sprache ausgebremst. 

Kampagne für mehr Selbstverständnis

Der Leitspruch «Gewöhn dich dran» steht im Mittelpunkt der aktuellen Kampagne von Pro Infirmis. Er ist eine Botschaft von Menschen mit Behinderungen an die Gesellschaft. Die Aussage betont, dass sich die 1,7 Millionen Menschen mit Behinderungen in der Schweiz nicht mehr an den Rand drängen lassen, sondern ihren Platz in der Gesellschaft selbstbewusst und selbstbestimmt einnehmen. Sie reden im Alltag, im Beruf und in der Politik gleichberechtigt mit. An dieses neue Selbstverständnis muss sich die Schweiz gewöhnen.

Der Leitspruch «Gewöhn dich dran» steht im Mittelpunkt der aktuellen Kampagne von Pro Infirmis. Er ist eine Botschaft von Menschen mit Behinderungen an die Gesellschaft. Die Aussage betont, dass sich die 1,7 Millionen Menschen mit Behinderungen in der Schweiz nicht mehr an den Rand drängen lassen, sondern ihren Platz in der Gesellschaft selbstbewusst und selbstbestimmt einnehmen. Sie reden im Alltag, im Beruf und in der Politik gleichberechtigt mit. An dieses neue Selbstverständnis muss sich die Schweiz gewöhnen.

Die Krux: Weil die Barrierefreiheit in der Schweiz noch nicht überall Tatsache ist und für Menschen mit Behinderungen wegen fehlenden Rampen oder nicht vorhandenen Behinderten-WCs Ausweichorte gesucht werden müssten, kämen sich viele selbst als Hindernis vor, sagt Simone Leuenberger, EVP-Grossrätin aus dem Kanton Bern. «Vielen fehlt das Selbstvertrauen, sich in den politischen Prozess hinzugeben. Sie resignieren, statt zu begreifen, dass nicht sie das Hindernis sind, sondern die Gesellschaft.» Die Gesellschaft wiederum müsse lernen, dass es wirkliche Inklusion brauche, so Leuenberger.

Schweiz verschleppte die Gleichstellung jahrelang

Denn genau daran fehle es der Schweiz – trotz Behindertengleichstellungsgesetz von 2004. Dieses bestehe im Grunde nur auf dem Papier, moniert Leuenberger. «Menschen mit Behinderungen in der Schweiz wurden nie gefragt, inwiefern sie gleichgestellt werden sollen und wollen, sondern im Prinzip einfach in Heime oder geschützte Werkstätten abgeschoben.» Ähnlich kritisch sieht es Ferdinand Pulver, FDP-Gemeinderat aus Reinach BL. «Die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes wurde zuerst auf die leichte Schulter genommen und dann auf die lange Bank geschoben. Nun ist die fristgerechte Umsetzung bis Ende 2023 unrealistisch.» 

Ein Umstand, der Nicole Tille, SP-Gemeinderätin in Châtel-Saint-Denis FR, wütend macht. «Die Schweiz hat die finanziellen Mittel, um alle notwendigen Verbesserungen zur Erleichterung des Lebens von Menschen mit Behinderungen vorzunehmen, aber offensichtlich nicht den Willen dazu.» Für ihre Passivität kassierte die Schweiz Ende 2022 deshalb sogar einen Rüffel von der Uno. Acht Jahre nach der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention sei die Schweiz vom Ziel weit entfernt, es gebe riesige Mängel bei Gleichstellung und Selbstbestimmung. «Es ist darum wichtig, die aktuell laufende Inklusionsinitiative zu unterzeichnen, die eine Beschleunigung der Umsetzung des Gesetzes fordert», sagt Nicole Tille. An der Behindertensession am 24. März 2023 im Bundeshaus haben die Teilnehmenden zudem eine Resolution zum Thema politische Teilhabe und politische Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz verabschiedet.

Wichtige Impulse, die für Verbesserungen sorgen sollen. Doch die drei Politikerinnen und Politiker wollen nun auch selbst dafür sorgen, dass die verschleppte Inklusion in der Schweiz doch noch Tatsache wird – im Alltag und in der Politik. Sie kandidieren auf der offiziellen Behindertenliste, die Pro Infirmis für die Parlamentswahlen ins Leben gerufen hat. Ein Begriff, der von den Beteiligten zusammen und bewusst so gewählt wurde, um zur Entstigmatisierung des Begriffs «Behinderung» und zur Aufklärung beizutragen: Weil es um Menschen mit Behinderungen geht, die sich für den Abbau der Hindernisse engagieren, die sie behindern. 

Nicole Tille, Ferdinand Pulver und Simone Leuenberger: Drei von über dreissig Kandidierenden mit Behinderungen, die die Politik und damit die ganze Schweiz inklusiver machen wollen. Was die drei antreibt, erzählen sie nachfolgend. Für alle ist klar: «Unser Platz ist im Bundeshaus!»

Foto: Markus Zuberbühler

Simone Leuenberger: «Wir können nur profitieren, wenn wir die Unterstützung selbst gestalten dürfen»

Simone Leuenberger hat sich trotz der bestehenden Hindernisse ihren Platz im Grossen Rat des Kantons Bern erkämpft. Sie lebt mit der Behinderung spinale Muskelatrophie SMA und ist auf den Rollstuhl sowie die Unterstützung von Assistentinnen angewiesen. Umso mehr bedeuten ihr ihre beiden wichtigsten politischen Erfolge: die Einführung des Assistenzbeitrags und der Verabschiedung des Behindertenleistungsgesetzes im Kanton Bern. Diese ermöglichen es Menschen mit Behinderungen, ein unabhängiges Leben zu Hause statt in einem Heim zu führen. «Wir können von der Gleichstellung nur profitieren, wenn wir die Unterstützung selber gestalten dürfen», sagt Leuenberger. «Und wenn die entsprechenden finanziellen Leistungen auch wirklich ausreichend sind.» 

Ihr politischer Kampf gehe jetzt hoffentlich auf nationaler Ebene weiter. Als Nationalrätin würde sie Behinderung überall zum Thema machen, wo es bis dato noch zu oft vergessen ging. «Es ist ein Thema, das fast in allen Bereichen der Politik hineinspielt. Ich sehe meine Aufgabe als Politikerin darin, Menschen mit Behinderungen in diesen Bereichen stets mitzudenken. Damit es zu einer Selbstverständlichkeit wird.» Realistisch sei Inklusion dann, wenn sie im Kindesalter beginne – in der Kita, in der Schule. «Nur wenn wir das von Grund auf anpacken, schaffen wir eine wirklich inklusive Gesellschaft.» Unterstützung im Wahlkampf erhält Leuenberger von ihrer Partei. Sie fühle sich sehr wohl bei der EVP, weil sie dort einfach als Person mit Stärken und Schwächen wahrgenommen werde. «Ich erlebe mein Wirken dort sehr inklusiv.» Den Support von Pro Infirmis empfindet die Politikerin ebenfalls als wertvoll. «Es ist eine wichtige Plattform für uns. Zudem erfahren wir Menschen mit Behinderungen auch voneinander – und können gegenseitig lernen oder uns ermutigen.»

Ferdinand Pulver: «Barrieren werden erst abgeschafft, wenn sie sichtbar werden»

Unterstützt in seinem Bestreben wird auch Nationalratskandidat Ferdinand Pulver. Der Baselbieter sitzt wegen eines Töffunfalls vor 16 Jahren im Rollstuhl, engagiert sich seit 2017 politisch. Nur drei Jahre später wurde er in den Gemeinderat in Reinach, der zweitgrössten Stadt des Kantons Baselland, gewählt und ist seit 2021 zudem Präsident der FDP-Kantonalsektion. «Meine Parteikollegen greifen mir in der täglichen Parteiarbeit unter die Arme und sorgen für Barrierefreiheit», erzählt er. «Das bedeutet mir sehr viel.» Als seinen grössten politischen Erfolg bezeichnet der Unternehmer im Bereich visuelle Kommunikation seine durch die Parteiarbeit erreichte Glaubwürdigkeit. «Die Art und Weise, wie ich politisiere, hat mir Respekt über die Parteigrenzen hinweg eingebracht.» 

Dies möchte er nun auf Ebene Nationalrat weiterführen – indem er den 1,7 Millionen Schweizerinnen und Schweizern mit Behinderungen eine starke Stimme gibt und Politik und Gesellschaft für deren Anliegen sensibilisiert. «Ich möchte mit Expertise, politischer Erfahrung und meiner besonnenen Art dafür sorgen, dass Hindernisse mit Augenmass und sinnvoll abgebaut werden, und mich so für die Gesamtgesellschaft einbringen.» Für ihn ist klar, dass es möglichst viele Menschen mit Behinderungen in der Politik braucht, damit die Denkweise und die Entscheidungen beeinflussbar sind. Pulver glaubt, dass auch die Verschleppung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen nicht dieses Ausmass angenommen hätte, wären schon in vergangenen Jahren mehr Menschen mit Behinderungen im Parlament aktiv gewesen. «Hoffentlich können wir dieses Manko mit den Parlamentswahlen nun etwas beheben.»

Nicole Tille: «Wir wollen Teil der Lösung sein»

SP-Gemeinderätin Nicole Tille ist an ihrem Wohnort Châtel-St-Denis bereits seit rund sieben Jahren politisch aktiv. Die Kauf- und Familienfrau verlor mit 21 Jahren bei einem Unfall ein Bein. «Ich bin eine Kämpferin. Mein Lebensweg brachte mich dazu, mich zu engagieren, um Grenzen zu verschieben und ein Teil des Wandels zu sein.» Ihr Fokus als Politikerin ist die Inklusion. «Unsere Gemeinde verzeichnet eine starke Bevölkerungszunahme. Um diese Entwicklung zu begleiten, lag es mir am Herzen, dass der Ort einen Weg einschlägt, der die Lebensqualität fördert, Bürgerbeteiligung ermöglicht und eine Willkommenskultur pflegt. Dieser Vorschlag wurde 2021 zu meiner grossen Zufriedenheit angenommen.» 

Nun würde Tille ihre Tatkraft gerne im Nationalrat einbringen. «Es ist an der Zeit, die Vertretung von Menschen mit Behinderungen zu stärken, da wir in Bezug auf Behinderungen am besten qualifiziert und sachkundig sind», sagt sie. «Wir möchten an Entscheidungen teilnehmen, die Behinderungen und andere gesellschaftliche Themen betreffen. Wir wollen Teil der Lösung sein.» Zentral ist für sie die Verbesserung in Sachen Barrierefreiheit – auch aufgrund der alternden Bevölkerung. «Es ist nötig, die Zugänglichkeit der öffentlichen Infrastrukturen anzupassen und Anreize für entsprechende Massnahmen im privaten Sektor zu schaffen.» Aktiv ist Tille nebst ihrem Engagement im Ratssaal auch auf der Strasse. Sie sammelt Unterschriften für die Initiative zur Inklusion oder verteilt Flugblätter. «Es ist sehr bereichernd, Bürgerinnen und Bürger zu treffen und sich auszutauschen. Das hilft beizutragen, die Denkweisen zu diesem Thema voranzubringen.» Sensibilisieren – etwas, das sie auch an Pro Infirmis schätzt. «Es ist toll, dass es die Behindertenliste gibt, um uns zu vernetzen und die Kommunikation der Organisation nutzen zu können. Sie macht uns sichtbar.»

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Dieser Beitrag wurde vom Ringier Brand Studio im Auftrag eines Kunden erstellt. Die Inhalte sind journalistisch aufbereitet und entsprechen den Qualitätsanforderungen von Ringier.

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