Aargau räumt Fehler ein
Kanton sucht Lösung für Mieter

In Windisch AG müssen Mieter raus, um Asylbewerbern Platz zu machen. Die Gemeinde ging auf die Barrikaden. Nun räumt der zuständige SVP-Regierungsrat ein: Der Kanton habe einen Fehler gemacht.
Publiziert: 01.03.2023 um 17:10 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2023 um 08:31 Uhr
Lea Hartmann

In drei Monaten müssen sie raus sein. In Windisch AG haben knapp 50 Mieterinnen und Mieter einer Liegenschaft die Kündigung erhalten. Wo sie heute noch wohnen, sollen bald Asylsuchende einziehen. Der Kanton plant an der Adresse eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Asylsuchende.

Die Kündigungen lösten grosse Empörung aus – auch bei der Gemeinde, die von Eigentümer und Kanton vor vollendete Tatsachen gestellt worden war. Sie wehrte sich bei der Regierung gegen den Entscheid.

Man habe «falsche Annahmen» getroffen

Zwei Tage später räumt die Aargauer Regierung nun Fehler ein. Der zuständige Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (56, SVP) «bedauert die von der Evaluation der Asylunterkunft für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) in Windisch ausgelösten Entwicklungen», heisst es in einer Medienmitteilung des Kantons.

In diesem Haus in Windisch soll eine Asylunterkunft entstehen.
Foto: Donghi Ralph (dnp)
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Gegenüber Blick sagt er: «Ich bitte die Betroffenen und den Gemeinderat von Windisch um Entschuldigung für diesen Fehler.» Bei der Eignungsprüfung der Liegenschaft habe der Kantonale Sozialdienst den Auswirkungen der Kündigungen der Mieterinnen und Mieter keine Beachtung geschenkt, so die Erklärung des Aargauer Gesundheits- und Sozialdepartements. Dies, weil man «falsche Annahmen» getroffen habe.

Familien dürfen länger bleiben

Der Sozialdienst sei davon ausgegangen, dass es sich bei den betroffenen Wohnungen überwiegend um Studios mit 30-tägiger Kündigungsfrist handle, erläutert Gallati. Man sei sich nicht bewusst gewesen, dass es auch um grössere Wohnungen gehe, in denen Familien leben. «Das hat der Kantonale Sozialdienst zu wenig bedacht. Das geht nicht», so Gallati. «Man hätte da von Anfang an dran denken und mit den Mietern reden müssen.»

In einem Brief an die Gemeinde verteidigt sich der Kanton aber auch. Im Gespräch mit dem früheren Eigentümer habe man nachgefragt, ob Sozialhilfebezüger in den Häusern wohnen. Dies sei damals verneint worden.

Das Sozialdepartement wolle nun zusammen mit der Gemeinde und der Eigentümerin der Liegenschaft eine Lösung für die Betroffenen finden. Vermieterin und Kanton seien grundsätzlich bereit, die Mieter der grösseren Wohnungen länger dort wohnen zu lassen – bis sie ein neues Dach über dem Kopf gefunden haben. «Wir unterstützen sie zudem bei der Suche nach einer neuen Wohnung», sagt Gallati.

Asylunterkunft als Zwischennutzung

Gemäss Kanton sollen 70 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in den Wohnungen untergebracht werden. Bisher war die Rede von 100 Asylsuchenden gewesen. Doch inzwischen hat sich der Kanton entschieden, die Unterkunft für unbegleitete Minderjährige zu nutzen. In diesem Fall ist die Belegung tiefer.

Die Asylunterkunft dient als Zwischennutzung. Die Liegenschaft hatte erst vor Kurzem ihren Besitzer gewechselt. Die neue Eigentümerin, die 1drittel Aleph AG aus Wollerau SZ, will die Häuser abreissen und durch Neubauten ersetzen. Bis zum Baubeginn kann der Kanton dort nun Asylsuchende unterbringen. Der Mietvertrag ist auf drei Jahre befristet mit der Option um Verlängerung um sechs Monate.

Die 1drittel Aleph AG gehört B. W.*, der aus Kanada stammt und seit 2016 die Schweizer Staatsbürgerschaft hat. Weitere eingetragene Personen sind P. W.* sowie R. F.*. Die Idee der Firma ist gemäss W.s Linkedin-Profil, mit Geldern einer Investorengruppe private und gewerbliche «Liegenschaften mit Potenzial» in der Schweiz und in Deutschland zu erwerben.

Wie aus dem Schreiben des Kantons an die Gemeinde hervorgeht, waren es die Behörden, die Interesse an den abbruchreifen Häusern als Asylunterkunft bekundet hatten. «Wegen der hohen Mieterfluktuation und der Vorbereitung des Neubaus» habe auch der Eigentümer Interesse an der Zwischennutzung gezeigt.

*Namen der Redaktion bekannt

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