Missbrauch durch Entwicklungshelfer
Bund nimmt Hilfswerke unter die Lupe

Der Missbrauchsskandal rund um die britische Entwicklungsorganisation Oxfam hat auch für andere Hilfswerke Konsequenzen. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) überprüft aufgrund der Vorkommnisse die Präventionsmassnahmen sämtlicher Partnerorganisationen.
Publiziert: 13.03.2018 um 21:54 Uhr
|
Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:41 Uhr
Ein Gemüsehändler verkauft im Januar 2018 seine Ware in ­einem Flüchtlingscamp in Port-au- Prince. Hier leben Betroffene des Erdbebens, das 2010 grosse Teile Haitis  zerstörte.
Foto: Getty Images
Thomas Schlittler

Missbrauchsvorwürfe gegen Mitarbeiter der britischen Hilfsorganisation Oxfam sorgten in den vergangenen Wochen international für Schlagzeilen – der Skandal betraf auch die Schweiz: Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) bezahlte in fünf Jahren rund 20 Millionen Franken an Oxfam (SonntagsBlick berichtete).

Ende Februar gab die Deza bekannt, alle ausstehenden Überweisungen zu stoppen, bis die Vorkommnisse lückenlos aufgeklärt seien, und verlangte von Oxfam griffige Massnahmen, um weitere Vorfälle zu verhindern.
Konsequenzen haben die Vorkommnisse aber auch für andere Hilfswerke, die der Bund unterstützt. Sämtliche Partner werden nun unter die Lupe genommen: «Die Deza hat mit ihren in­stitutionellen Partnerorganisationen Kontakt aufgenommen und ist daran, deren Verhaltensregeln, Präventionsmassnahmen und Compliance-Mechanismen zu überprüfen», teilt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage von SonntagsBlick mit.

Verhaltenskodex nötig

Gemäss dessen Pierre-Alain ­Eltschinger hätten die Vorfälle gezeigt, dass fehlbares Verhalten und Machtmissbrauch Risiken seien, denen alle Akteure der internationalen Zusammenarbeit ausgesetzt seien. Um solchen Skandalen vorzubeugen und sie konsequent zu ahnden, seien sorgfältige Rekrutierungspolitik sowie ein Verhaltenskodex nötig, ebenso wie Präventions-, Beschwerde- und Sanktionsmechanismen: «Es ist wichtig, diese Vorfälle als Anlass dafür zu nehmen, die bestehenden Mechanismen zu überprüfen und wo nötig zu verbessern», so Eltschinger.

Neben Oxfam rückten insbesondere die Ärzte ohne Grenzen (MSF) in den Fokus weiterer Nachforschungen. Die Organisation hat allein 2017 insgesamt 146 Hinweise auf mögliches Fehlverhalten einzelner Mitarbeitenden erhalten.
Nach deren Untersuchung wurden 21 Vorfälle als sexuelle Belästigung eingestuft, drei weitere als sexueller Missbrauch. Sie reichten von verbaler Respektlosigkeit bis zu körperlicher Gewalt. In der Folge mussten 19 Mitarbeiter entlassen werden.

Anonyme Beschwerde- und Hinweiskanäle

Das deutet auf ein massives Problem hin. Angesichts der 40'000 Mitarbeiter, die weltweit für MSF arbeiten, relativiert sich dieser Eindruck jedoch. Und die exakte Dokumentation der Vorfälle ist ein Hinweis darauf, dass MSF das Thema ernst nimmt. «Wir haben bereits vor 15 Jahren spezifische Verfahren eingeführt, um Fehlverhalten aller Art vorzubeugen, festzustellen, zu melden und darauf entschieden zu reagieren», sagt die MSF-Delegierte Sibylle Berger. Dazu gehörten anonyme Beschwerde- und Hinweiskanäle mit eigens dafür eingerichteten E-Mail-Adressen.

Die Entwicklungs- hilfe der Schweiz in Zahlen

5 % der Bundesausgaben flossen 2016 in Entwicklungshilfe – inklusive Asylkosten.

175 Millionen Franken musste die internationale Zusammenarbeit der Schweiz im Jahr 2016 einsparen.

30 Partnerschaften unterhält die Deza mit Schweizer
Unternehmen.

5 % der Bundesausgaben flossen 2016 in Entwicklungshilfe – inklusive Asylkosten.

175 Millionen Franken musste die internationale Zusammenarbeit der Schweiz im Jahr 2016 einsparen.

30 Partnerschaften unterhält die Deza mit Schweizer
Unternehmen.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?