Nach Bührle-Debakel in Zürich
Raubkunst-Kommission auf Bundesebene soll her

Die Schaffung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung von Raubkunst wurde im Nationalrat gutgeheissen. Jetzt empfiehlt sie auch die Kulturkommission des Ständerats. Anstoss gab der Streitfall Bührle-Sammlung.
Publiziert: 23.08.2022 um 17:41 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2022 um 10:49 Uhr

Eine unabhängige Kommission soll künftig helfen, Raubkunstfälle zu bearbeiten. So will es nach dem Nationalrat auch die zuständige Ständeratskommission.

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats (WBK-S) beantragt der kleinen Kammer, einer entsprechenden Motion von SP-Nationalrat Jon Pult (37) im Grundsatz zuzustimmen, wie die Parlamentsdienste am Dienstag mitteilten. Der Entscheid fiel sehr deutlich mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen.

Gerechte Lösungen gesucht

Die Raubkunst-Kommission soll Empfehlungen abgeben für «gerechte und faire Lösungen», wie Pult ausführte. Die WBK-S hält es aber für nicht zielführend und verfrüht, die Rahmenbedingungen für die Kommission bereits heute verbindlich festzulegen. Deshalb will sie zum Nationalrat eine Differenz schaffen.

Raubkunst erreichte letztes Jahr die öffentliche Debatte.
Foto: Keystone
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Ob auch eine Kommission für Kulturgüter aus andern, namentlich kolonialen Kontexten, nötig ist, soll im Rahmen der Umsetzung dieser Motion ergebnisoffen geprüft werden, wie es in der Mitteilung heisst.

Unkritische Bührle-Ausstellung

Das Thema Raubkunst ist letztes Jahr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Grund dafür ist die Sammlung des ehemaligen Waffenhändlers Emil Georg Bührle. Diese wurde in prominenter Position im Neubau des Kunsthaus in Zürich ausgestellt.

Nach der Eröffnung wurde Kritik laut. Der Dokumentationsraum, welcher die Problematik der Sammlung aufzeigen sollte, ist für viele Historiker völlig unzureichend. Der Waffenhändler wird als Industrieller und Mäzen dargestellt. Von kritischer Betrachtung fehlte jede Spur.

Herkunft unsauber untersucht

Auch was die Herkunft der Bilder anbelangt, scheint die Weste der Beteiligten nicht weiss zu sein. Die Provenienzforschung wurde nur von der Stiftung Emil Bührle betrieben und weder veröffentlicht noch unabhängig überprüft.

Es ist also durchaus möglich, dass sich unter den Kunstwerken Raubkunst befindet. Als Raubkunst bezeichnet man Werke, die zum Beispiel im zweiten Weltkrieg den Juden einfach weggenommen oder zu deren Verkauf sie gezwungen wurden.

Stiftung drohte Rückzung an

Der Streit eskalierte. Nachdem genauere Untersuchungen und die Offenlegung der Verträge mit dem Kunsthaus gefordert wurden, drohte die Stiftung Bührle gar mit dem Rückzug der Bilder. Für alle Beteiligten wurde der Streit zu einem PR-Debakel.

Die Vorfälle um die Sammlung Emil Bührle im Zürcher Kunsthaus hätten gezeigt, dass es in der Schweiz bessere Instrumente brauche im Zusammenhang mit NS-Raubkunst, begründete Pult die Motion. Auch in anderen Ländern gebe es solche Kommissionen, etwa in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, den Niederlanden und Österreich.

Plattform für Provenienzforschung

Oppositionslos gutgeheissen hat die Ständeratskommission eine zweite Motion zum Thema, mit der auch der Bundesrat einverstanden ist. Diese fordert den Aufbau einer wissenschaftlichen Prinzipien basierenden Plattform für die Provenienzforschung für Kulturgüter.

Vom Bund bei der Provenienzforschung unterstützte Museen sollen ihre Erkenntnisse auf der Plattform veröffentlichen müssen. Andere Museen - inländische und ausländische - können dies tun.

Beide Motionen gehen an den Ständerat. (SDA/tom)

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