Nach Bundesrats-Rückzieher lästert die SP
«Grüne suchen nur einen Schuldigen für ihr Versagen»

Die Grünen jammern über fehlende Unterstützung für eine Bundesratskandidatur und sehen die Schuld für ihren Rückzieher bei SP und GLP. Diese lassen die Vorwürfe nicht auf sich sitzen.
Publiziert: 19.10.2022 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2022 um 19:57 Uhr

Die Grünen sind putzhässig. Sogar ihre regelmässigen Partner SP und GLP mögen sich im Vorfeld nicht hinter eine Sprengkandidatur für die Nachfolgewahl für Finanzminister Ueli Maurer (71) stellen. Die Grünen haben deshalb das Handtuch geworfen. Sie verzichten auf eine eigene Kandidatur und überlassen der SVP das Feld.

Die Grünen beharren weiter darauf, dass sie rein rechnerisch schon lange Anrecht auf einen Sitz in der Landesregierung haben. Für ihren Rückzieher machen sie das «Machtkartell» der Bundesratsparteien verantwortlich. Fraktionschefin Aline Trede (39) spricht von einem «abgekarteten Spiel». Gemeint sind damit auch SP und GLP.

Grüne «schlecht vorbereitet»

Keine netten Worte für die politischen Allianzpartner. Vor allem in der SP, die selber um einen ihrer zwei wackelnden Bundesratssitze fürchten muss, wundert man sich über das Gejammer der Öko-Partei.

Die Grünen, hier Lisa Mazzone, Aline Trede und Balthasar Glättli (v.l.), haben vergeblich Verbündete für eine grüne Bundesratskandidatur gesucht. Die Schuld gibt die Parteispitze den andern.
Foto: keystone-sda.ch
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«Was die Grünen als Machtkartell bezeichnen, nennt sich Konkordanz», kontert SP-Nationalrat Fabian Molina (32, ZH). Stünden die Grünen zur Konkordanz, sei es absurd, die SVP als grösste Partei zu attackieren.

Wenn sie aber einen Systemwechsel zu einer inhaltlichen Koalition wollten, müssten sie das auch offen deklarieren. «Egal, ob man einen Systemwechsel oder nur die Zauberformel ändern will, dann macht dies nur bei Gesamterneuerungswahlen Sinn», so Molina. «Die Grünen sind erneut schlecht vorbereitet ins Rennen gestiegen und suchen nur einen Schuldigen für ihr Versagen. Das ist schade.»

«Aktion war lausig geplant»

Auch andere Sozialdemokraten schütteln über das «peinliche Vorgehen» der Grünen den Kopf, auch wenn sie das nicht öffentlich sagen wollen. «Die Aktion war lausig geplant», meint ein SP-Politiker. Die grüne Spitze sei ohne Konzept und ohne Kandidatur ins Rennen gestiegen.

Im Wissen darum, dass eine Kandidatur gegen die SVP ohnehin chancenlos ist, hätte man eine solche Sprengkandidatur als PR-Aktion ganz anders aufziehen müssen. «Für ihre gescheiterte Operation brauchen die Grünen nun einen Sündenbock, um von den eigenen Fehlern abzulenken.»

Die Grünen würden seit drei Jahren Verantwortung übernehmen wollen, «sie können sich aber noch immer nicht entscheiden, ob sie nun staatstragend sein wollen oder nicht», meint eine Genossin. Und spottet: Bisher hätten die Grünen nichts hinbekommen, «einzig ein Importverbot für Stopflebern. Das ist alles».

GLP-Grossen: Hätte Grünen eher geschadet als genützt

Auch GLP-Präsident Jürg Grossen (53) will die Vorwürfe der Grünen nicht auf sich sitzen lassen. Im Gegenteil: «Wir haben den Grünen rechtzeitig signalisiert, dass sie bei dieser Aktion nicht mit unserer Unterstützung rechnen können.» Zwar habe die Partei rechnerisch Anrecht auf einen Bundesratssitz, aber nicht zulasten der wählerstärksten SVP. Ein solcher Angriff hätte den Grünen wohl eher geschadet und damit ihren künftigen Bundesratsambitionen.

Klar aber sei auch, dass mit den Wahlen 2023 die Karten neu gemischt würden, sollten Grüne und GLP nochmals zulegen. «Starten die Grünen dann nochmals einen Anlauf, der legitimiert ist, könnten wir uns eine Unterstützung vorstellen», versichert Grossen. Sollte die GLP ihren Wähleranteil von heute 7,8 Prozent auf 10 Prozent steigern können, wollen sie sogar selber Anspruch auf einen Bundesratssitz stellen.

Allerdings sei auch dann zu befürchten, dass sich die etablierten Bundesratsparteien gegen einen Machtverlust wehren würden und erneut argumentierten, man dürfe keine bisherigen Regierungsmitglieder abwählen. «Aber das wäre unfair und würde den Wählerwillen nicht abbilden. Ein möglichst grosser Teil der Stimmbevölkerung muss im Bundesrat vertreten sein», stellt Grossen klar.

Grüne seien enttäuscht

Bis dahin aber befürchtet der GLP-Präsident nicht, dass es im Öko-Lager zu einem Scherbenhaufen kommt. «Das gute Einvernehmen mit den Grünen wird dadurch nicht beeinträchtigt», glaubt Grossen. Schon bei der gescheiterten Bundesratskandidatur der damaligen Grünen-Präsidentin Regula Rytz (60) sei es nur kurzzeitig «zu etwas mehr Distanz» gekommen. «Letztlich aber verfolgen wir ja im Klima-, Umwelt- und Energiebereich die gleichen Ziele und arbeiten gut zusammen.» (dba/rus/lha/pt)

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