«Der Problemdruck ist in gewissen Schichten nicht mehr tragbar»
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Analyse zum Abstimmungssonntag:«Der Problemdruck ist in gewissen Schichten nicht mehr tragbar»

Nach Ja-Triumph zum Stromgesetz
Jetzt kippt Rösti das AKW-Verbot aus dem Gesetz

Beim Stromgesetz ist Albert Rösti gegen seine Partei angetreten – und hat gewonnen. Beim nächsten Energiethema aber werden sie innig vereint sein. Rösti will den Schweizer Atomausstieg rückgängig machen. Genauso wie seine Partei.
Publiziert: 09.06.2024 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 10.06.2024 um 12:11 Uhr

Es ist der wichtigste Sieg in der bisherigen Karriere von Energieminister Albert Rösti (56). 68,7 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer und alle Kantone unterstützen sein Stromgesetz. Nicht zuletzt hat Rösti auch gegen seine eigene Partei gewonnen, die die Nein-Parole beschlossen hatte.

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Im nächsten grossen Energie-Thema aber wird das anders sein. Bald schon wird Rösti den Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative in den Bundesrat bringen. Blick-Recherchen zeigen jetzt: Dabei will Rösti das Verbot zum Bau neuer AKWs aus dem Gesetz streichen. Das bestätigen mehrere mit dem Dossier vertraute Quellen.

Energieminister Albert Rösti hat die Abstimmung übers Stromgesetz gewonnen. Dieses fördert die erneuerbaren Energien.
Foto: Keystone
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«Alle klimaschonenden Arten zulässig»

Die Blackout-Initiative verlangt, dass die Stromversorgung jederzeit sichergestellt sein und dass Strom umwelt- und klimaschonend produziert werden muss. Dabei sollen «alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung zulässig» sein.

Das Motiv dahinter ist kein Geheimnis: Die Initianten, zu denen Politiker von SVP, FDP und Mitte sowie Energieexperten gehören, wollen die Möglichkeit schaffen, wieder Atomkraftwerke zu bauen. Das ist seit 2017 nicht mehr möglich – damals sagte die Schweiz Ja zur Energiestrategie 2050, die das AKW-Verbot enthielt.

Mehrheit im Bundesrat wahrscheinlich

Nun will Rösti dieses wieder aufweichen. Sehr verklausuliert hatte er das schon Ende Dezember in einem Blick-Interview angetönt. Er habe mit dem Klimaschutzgesetz einen langfristigen Auftrag von der Bevölkerung erhalten: wegzukommen von CO2 aus Öl und Gas. «Dazu müssen alle Technologien in Betracht gezogen werden.»

Im Bundesrat sollte Rösti eine Mehrheit bekommen – im Parlament könnte es anders aussehen. Zwar werden SVP und FDP bis auf wenige Abweichler für eine Streichung des AKW-Verbots sein, doch sie sind auf Stimmen aus der Mitte angewiesen. Dass GLP, Grüne und SP dem Ansinnen Röstis zustimmen, ist undenkbar, doch in der Mitte dürften die Meinungen auseinandergehen.

Parteipräsident Gerhard Pfister (61) sagte zwar in der Blick-TV-Präsidentenrunde, dass seine Basis zu 70 Prozent gegen neue AKWs sei. Aber das heisst auch: 30 Prozent sind dafür oder unentschieden – und so dürften einige Mitte-Politiker auf Rösti-Kurs umschwenken. Einige darunter sind überzeugt, dass die Streichung des Verbots sowieso nur für die Galerie sei: Es werde niemand ein neues AKW bauen – egal, was im Gesetz stehe.

Sogar ein Grüner steht hinter Rösti

Dieses Argument hat selbst bei den Grünen, der Anti-AKW-Partei par excellence, Unterstützer. «Von mir aus kann man das AKW-Verbot aus dem Gesetz streichen», sagte der grüne Zürcher Regierungsrat Martin Neukom (37) Mitte Mai gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Das Verbot sei überflüssig, «kein Privater würde Geld investieren in ein Atomkraftwerk».

Ganz anderer Meinung ist SP-Energiepolitiker Roger Nordmann (51): Die Streichung des Verbots wäre «verheerend»: Anstatt alle Kraft darin zu setzen, den am Sonntag bestätigten Ausbau der Erneuerbaren umzusetzen, «würde die Diskussion über Jahre durch eine Scheindebatte blockiert».

Wie ernst die Lage ist, weiss auch das Anti-Atomkraft-Lager. Die Schweizerische Energiestiftung hat bereits am Abstimmungssonntag einen Appell lanciert, in dem Rösti «dringlich» aufgefordert wird, den Willen der Bevölkerung zum Atomausstieg zu respektieren.

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