Nach Öko-Wende von FDP-Chefin Petra Gössi
Jetzt wehrt sich «Klima-Bremsklotz» Wasserfallen

Wer setzt sich im FDP-Klimastreit durch? Der ökologische Flügel hat mit Präsidentin Petra Gössi mächtig Unterstützung erhalten, und sie hat in der Partei etwas ins Rollen gebracht. Öko-Bremser wie Christian Wasserfallen halten dagegen.
Publiziert: 20.02.2019 um 10:28 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2019 um 16:52 Uhr
Haben das Heu in der Energiepolitik nicht mehr auf der selben Bühne: FDP-Chefin Petra Gössi und ihr Vize Christian Wasserfallen (links).
Foto: Keystone
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Nico Menzato und Pascal Tischhauser

Christian Wasserfallen (37) hat ein Problem: Der FDP-Vizepräsident und Berner Nationalrat steht mit seiner betont umweltschutzkritischen Haltung seit dem Interview von Parteichefin Petra Gössi (43) vom Samstag plötzlich quer in der Landschaft: Im «Tages-Anzeiger» vollzog Gössi eine ökologische Kehrtwende. Die Schwyzerin sprach sich plötzlich für eine Flugticketabgabe und eine fixe Quote aus, wie viel CO2 die Schweiz im Inland einsparen muss.

Die FDP-Chefin hat etwas ins Rollen gebracht. «Unsere Präsidentin erkannte den Zeitgeist und hat das präsidial und öffentlich zum Ausdruck gebracht», sagt Nationalrätin Doris Fiala (62). Am Fraktionsseminar dieses Wochenende in Engelberg OW sei man nun gefordert, «uns konstruktiv zusammenzuraufen».

Selbst Fiala applaudiert

Beachtliche Worte aus dem Mund Fialas. Schliesslich sass die Zürcherin noch 2017 im Komitee gegen die Energiestrategie 2050. Jetzt aber sagt sie klipp und klar: «Frau Gössi hat Führungswillen dokumentiert. Das hat meinen Respekt.»

Ganz anders sieht dies Wasserfallen. Auf Twitter reagierte der Berner geharnischt auf die Gössi-Aussagen: «Position im CO2-Gesetz halten», schrieb er verärgert. «Wir sind nicht für wirkungslose Flugticket-Abgabe.»

Wasserfallens Kampf gegen eine ökologische Wende hat Tradition: Schon im Oktober 2013 wollte der damalige FDP-Präsident Philipp Müller (66) die FDP grüner machen: «Wir wollen eine neue Energiepolitik. Es ist sinnvoll, Energie höher und Arbeit tiefer zu besteuern», sagte er in einem Interview und sprach sich gegen neue Atomkraftwerke, für eine ökologische Steuerreform und einen sparsamen Einsatz von Energie aus.

Müllers Eifer erfolgreich gebremst

Wasserfallen reagierte sofort und zeigte sich «sehr skeptisch». Zwar ist Wasserfallen in der FDP mit seiner ablehnenden Haltung gegen eine ökologischere Ausrichtung der Partei alles andere als allein. In der Diskussion über den Atomausstieg waren die Freisinnigen seit 2011 tief gespalten.

Wasserfallen, der damals im Vorstand des atomfreundlichen Nuklearforums sass, ging im Poker am Ende als Verlierer vom Platz: Die FDP-Fraktion vollzog eine Kehrtwende und unterstützte die Energiestrategie 2050 in letzter Sekunde. Eine hauchdünne Mehrheit der Delegierten stützte den neuen Kurs, und das Volk gab wenig später der Energiewende ihren Segen.

Müllers sonstige Ökologie-Offensive verpuffte jedoch. Auch am Widerstand Wasserfallens. Weil er der lauteste Kritiker einer FDP-Öko-Wende ist, eckt er auch an. Ein Parteimitglied bezeichnet ihn als «Bremsklotz», ein anderes gar als «Hardliner».

Wasserfallen: «Niveau der Diskussion sinkt ins Bodenlose»

Wasserfallen selbst lässt sich dies nicht gefallen: «Das Niveau der parteiinternen Diskussion sinkt offenbar ins Bodenlose, wenn jetzt schon anonym auf einzelne FDP-Personen geschossen wird», sagt er zu BLICK. «Gerne erkläre ich diesen anonymen FDP-Mitgliedern den Unsinn einer national isolierten Flugticketsteuer persönlich. Die FDP setzt auf internationale Lösungen wie das europäische Emissionshandelssystem.» Bei einer möglichen Inlandquote will sich Wasserfallen aber kompromissbereit zeigen.

Es rumort mächtig bei den Freisinnigen. In den Kantonen und in Ortsparteien fordert man schon länger mehr Sensibilität in Ökofragen. Die Bundeshausfraktion hielt aber bislang stur an ihrem Kurs fest. Weil der Richtungsstreit nun offen ausgebrochen ist, befürchtet die Parteileitung gar negative Auswirkungen auf den Ausgang der Zürcher Wahlen Ende März.

Die FDP-Spitze ist sich auch bewusst, dass es in mit den Bundesparlamentariern schwierig sein wird, rasch einen grüneren Kurs einzuschlagen. Deshalb lässt man die Fraktion vorerst aussen vor.

Wie grün sind die 120'000 FDP-Mitglieder?

In einer ersten Phase holt sich Gössi jetzt die offizielle Unterstützung der kantonalen Parteipräsidenten. Dies wird ein leichtes Unterfangen sein, hat die FDP-Chefin doch bereits ausgiebig vorsondiert, wie Quellen sagen. Im April erhalten dann die rund 120'000 FDP-Mitglieder einen Brief mit der energie- und umweltpolitischen Umfrage, welche die Parteichefin ankündigte. 

Aus den Ergebnissen wird ein Positionspapier verfasst, das gemäss Zeitplan an der Delegiertenversammlung am 22. Juni in Zürich behandelt werden soll. Stimmen die Delegierten einem grüneren Kurs zu, werden Wasserfallen und Co. vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie werden umschwenken müssen, weil die Parteibasis dies von ihnen verlangt.

Hatte sich die FDP-Fraktion im Dezember 2018 noch geschlossen gegen eine Flugticketabgabe ausgesprochen, könnte sie sich künftig nicht mehr derart stark gegen konkrete Massnahmen wehren. Verbote wird es mit den Freisinnigen auch weiterhin nicht geben. Aber stärkere Anreize, damit mit Benzin, Kerosin oder Heizöl sparsamer umgegangen wird, könnten dann mehrheitsfähig werden.

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