Nach SVP-Wahldebakel
«Nehmt den Finger raus!»

SVP-Haudegen und Wahlkampfleiter Adrian Amstutz richtet klare Worte an seine Parteikollegen.
Publiziert: 02.11.2019 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2019 um 18:09 Uhr
SVP-Wahlkampfchef Adrian Amstutz las den Parteimitgliedern die Leviten.
Foto: keystone-sda.ch
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Camilla Alabor

SVP-Nationalrat Adrian Amstutz redet nicht gern um den heissen Brei herum. Und putzt Parteimitglieder, wenn er es für nötig hält, auch einmal kräftig herunter. Kein Wunder also, fiel es dem früheren Fraktionschef und aktuellen Wahlkampfleiter zu, die Parteibasis nach der Wahlniederlage aufzurütteln.

«Wir haben verloren», eröffnete Amstutz seine Rede an der Delegiertenversammlung der SVP in Niederglatt ZH. «Das schleckt keine Geiss weg.»

Amstutz kritisiert die eigene Elite

Umso enttäuschter sei er, dass so wenige der gewählten Nationalräte an die Delegiertenversammlung gekommen seien. «Die gewählten Parlamentarier haben an der DV anwesend zu sein, Punkt!», rief Amstutz in die Turnhalle hinein – und erntete den begeisterten Applaus der Parteibasis.

Überhaupt, die Amtsträger: Amstutz forderte sie auf, ihre Sektionen nach jeder Session darüber zu informieren, was die Partei erreicht habe. «Das sind sie euch schuldig», wandte sich Amstutz an die Delegierten. «Sie sind gewählt, um diese Arbeit zu machen – und nicht dafür, auf die nächsten Wahlen zu warten!»

«Sagen Sie das Ihren Leuten!»

Zudem müsse die SVP auch in den Städten wieder präsenter sein, mahnte Amstutz in seiner Rede voller Ausrufezeichen. Sonst bestehe die Gefahr, dass alleine die Städte bestimmen würden, wo es lang geht. «Sagen Sie das Ihren Leuten in den Land- und Bergregionen!», rief Amstutz. «Wenn sie dieses Diktat wollen, müssen sie weiterhin zu Hause bleiben. Und sonst müssen sie den Finger aus dem Arsch nehmen und wieder an die Urne gehen!» Die Worte kamen bei den Delegierten offenbar gut an, brach in der Halle doch spontaner Applaus aus.

Die schärfste Kritik richtete Amstutz dann aber doch an den politischen Gegner. Diesen ortet er so ziemlich überall ausserhalb der Partei. Linke, Nette, Economiesuisse und auch die Medien wollten die SVP vernichten, dröhnte Amstutz. Ohne Erfolg, natürlich. «Wir sind die einzige Partei, die der medial aufgeheizten Klimahysterie standhält und gegen höhere Benzinpreise kämpft», so Amstutz. «Und darum: in die Hosen, meine Damen und Herren, in die Hosen!»

SVP vs. «Klimahysterie»

Bei den Delegierten kam Amstutz' rhetorisch brillant vorgetragene Rede gut an. Tatsächlich könne man mit dem Resultat nicht zufrieden sein, sagt etwa Loïc Probst (27) von der SVP Wetzikon (ZH). Den Grund dafür sieht er aber – wie viele andere auch – weniger im Wahlkampf, als in der «Klimahysterie», welche die Medien verbreitet hätten. «Unsere eigenen Themen wurden überhaupt nicht aufgegriffen», sagt Probst. Dennoch sei es richtig, wenn die SVP bei ihren Kernthemen Freiheit, Selbständigkeit und Ausländerpolitik bleibe.

Auch Nationalrat und Bauer Martin Haab (57, ZH) ist überzeugt, dass sich der Kurs seiner Partei langfristig als richtig erweisen wird. «Bei der Einwanderung gehen wir Richtung einer 10-Millionen-Schweiz», sagt Haab, «das beschäftigt die Menschen weiterhin.»

Fehlende Antworten auf aktuelle Themen

Nur vereinzelt ist auch leise Selbstkritik zu hören. Die SVP habe auf das Klimathema zu spät reagiert, sagt Reto Jakob (42), Co-Wahlkampfleiter des Kantons Bern im Gespräch. «Man hat sich zu spät damit befasst, weil man der Meinung war, das sei ein Thema der anderen Parteien.» So sei auch zu wenig Zeit geblieben, um aufzuzeigen, wie viel die rot-grüne Verbotspolitik koste – und dass die Firmen schon heute viel unternähmen, um klimafreundlicher zu werden. Zudem, findet Jakob, müsse die SVP Lösungen zu Themen wie den steigenden Krankenkassenprämien präsentieren, die den Leuten unter den Nägeln brennen.

Dieser Meinung ist auch Nationalrat Jean-Luc Addor (55, VD). «Unsere Partei ist eine Volkspartei», ruft der Waadtländer den Delegierten in Erinnerung, als er nach Amstutz' Rede das Mikrofon ergreift. «Wir dürfen die Krankenkassenprämien und Gesundheitspolitik nicht den anderen überlassen.» Sein Fazit: «Eine Anti-FDP zu sein, reicht nicht aus.»

Nach der Analyse der Wahlniederlage fassten die SVP-Delegierten die Parolen zu den Abstimmungen vom 9. Februar 2020. Sie lehnen sowohl die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» wie auch die Ausweitung der Antirassismusstrafnorm ab.

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