Nachgefragt bei der Anti-Rassismus-Kommission
Wäre Böhmermanns Erdogan-Gedicht bei uns strafbar?

In Deutschland hat der Satiriker Jan Böhmermann Türken-Präsident Recep Erdogan beleidigt – auch mit rassistischen Anspielungen. Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassimus ist skeptisch, ob das in der Schweiz ein Fall für die Gerichte war.
Publiziert: 13.04.2016 um 18:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:32 Uhr
Der türkische Präsident Recep Erdogan (l.) will eine Verurteilung des deutschen Satirikers Jan Boehmermann, weil dieser ihn mit einem Gedicht beleidigt hatte.
Foto: ROBERT GHEMENT
Matthias Halbeis

In Deutschland gehen die Wogen hoch, weil der Satiriker Jan Böhmermann mit einem Schmähgedicht den türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan beleidigt hatte. Darin enthalten waren durchaus rassistische Anspielungen. Böhmermann steht unter Polizeischutz, hat seine nächste Sendung abgesagt. Die Türkei verlangt von Deutschland eine Bestrafung, weil der Satiriker die Ehre von Erdogan verletzt habe. Und der Staatspräsident selbst hat in Deutschland über seinen Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger Anzeige gegen Boehmermann eingereicht.

Doch mit welchen Konsequenzen wäre zu rechnen, hätte Böhmermann das Gedicht in der Schweiz vorgetragen? BLICK hat die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassimus (EKR), die Genfer alt Nationalrätin Martine Brunschwig Graf um eine Einschätzung gebeten.

Foto: KEY

Sie ist bezüglich einer Verletzung der Schweizer Rassismus-Strafnorm skeptisch: «Auch wenn das Gedicht stellenweise auf abstossende Art und Weise mit rassistischen Stereotypen spielt, liegt wohl eher keine Verletzung der Rassismus-Strafnorm vor.» Ziel des Gedichtes sei es ja in diesem Kontext nicht, eine Person oder eine Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion, Ethnie oder «Rasse» in ihrer Menschenwürde herabzusetzen oder ihnen gleiche Rechte abzusprechen.

Auf die Frage, ob es überhaupt eine Rechtfertigung gebe, rassistische Vorurteile öffentlich zu verwenden, sagt Brunschwig Graf: «Es geht nicht um die Frage, ob die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen gerechtfertigt ist.» Die EKR sei grundsätzlich der Meinung, dass die Verbreitung solcher Stereotypen nicht wünschenswert sei. Brunschwig Graf: «Die ausschlaggebende Frage ist jedoch immer, ob eine Äusserung im strafrechtlichen Sinne eine rassistische Diskriminierung darstellt.« Also ob sie den Tatbestand des Art. 261bis im Strafgesetz erfüllt.

In Deutschland erwägen die Behörden, Böhmermann gestützt auf den Tatbestand «Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts» zur Rechenschaft zu ziehen. Einen ähnlichen Artikel gibt es auch im Schweizerischen Strafgesetzbuch. Doch auch hier ist die EKR-Präsidentin skeptisch: «Beim Tatbestand der Beleidigung fremder Staatsoberhäupter geht es nicht um die Bekämpfung von Rassismus, der Tatbestand ist nicht darauf ausgelegt.» Das gilt auch für die Schweiz: «Der Artikel 296 im Strafgesetzbuch schützt das Interesse der Schweiz an der Aufrechterhaltung des Friedens.» Es gehe um die Sicherheit des eigenen Landes, um eigene aussenpolitische Interessen, die durch die Beleidigung des fremden Staates oder Staatsoberhauptes gefährdet werden könnten. «Die Interessen des fremden Staates, in diesem Fall die Ehre von Präsident Erdogan, bilden nur ein sekundäres Schutzobjekt», sagt Brunschwig Graf. Dazu könne man eine Verletzung dieses Artikels nur verfolgen, wenn der Bundesrat dazu seine Ermächtigung gebe. Darum falle dieser Straftatbestand nicht in den Aufgabenbereich der EKR 

Eine Verletzung des Art. 296 StGB kann nur verfolgt werden, wenn der Bundesrat die Ermächtigung dazu gibt. Es ist also eindeutig nicht die Aufgabe der EKR, sich zu diesem Thema zu äussern.

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