Nächstes Jahr zahlen wir schon wieder mehr für die Krankenkasse
Prämienplage bringt Gesundheitsreform ins Wanken

Per 2025 steigen die Krankenkassenprämien weiter stark an. Das könnte der neuen Gesundheitsreform zum Verhängnis werden. Das Stimmvolk entscheidet am 24. November darüber.
Publiziert: 26.09.2024 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2024 um 06:35 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Bundesrätin Baume-Schneider verkündet steigende Krankenkassenprämien für 2025
  • Gesundheitsreform könnte durch höhere Prämien ins Wanken geraten
  • Langzeitpflegekosten könnten bis 2040 um 10 Milliarden steigen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider verkündet am Donnerstag die Krankenkassenprämien für das Jahr 2025.
Foto: keystone-sda.ch
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Premiere für Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60): Am Donnerstag verkündet sie erstmals als neue Gesundheitsministerin, wie stark die Krankenkassenprämien nächstes Jahr steigen. Im Schnitt dürften es über 5 Prozent sein. Immerhin weniger als beim diesjährigen 8,7-Prozent-Prämienhammer.

Die Ankündigung kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn am 24. November entscheidet das Stimmvolk über die nächste grosse Gesundheitsreform. Da dürfte die Prämienfrage zum entscheidenden Knackpunkt werden, der die Reform ins Wanken bringt. Angeführt vom VPOD haben die Gewerkschaften das Referendum ergriffen und führen nun die drohenden Zusatzkosten prominent ins Feld: «Noch höhere Prämien?», fragen sie auf ihrem Abstimmungsplakat, das Blick vorliegt.

Neuer Verteilschlüssel

Dabei stand eigentlich die Hoffnung auf eine Prämienentlastung am Ursprung der Reform. Der Schlüssel dazu: die einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen, abgekürzt Efas. Heute werden ambulante Behandlungen allein von den Krankenkassen bezahlt, aus Prämiengeldern. Stationäre Leistungen – mit Spitalübernachtung also – übernehmen zu mindestens 55 Prozent die Kantone, den Rest die Krankenversicherer.

Nun werden die Kosten für sämtliche Behandlungen neu verteilt. Die Kantone berappen künftig mindestens 26,9 Prozent der Gesamtkosten, die Prämienzahlenden 73,1 Prozent. Die damit anvisierte Verlagerung vom teureren stationären in den günstigeren ambulanten Bereich sollte für eine Kostendämpfung sorgen, so die Idee.

Kostenfaktor Langzeitpflege

Die Krux: Auf Druck der Kantone wurde auch die Langzeitpflege in die Vorlage gepackt. Mit der zunehmenden Überalterung drohen hier massive Mehrkosten für die Krankenkassen. «Bisher waren die Beiträge an die Heime und Spitex gedeckelt, nun werden die Kosten von den Kantonen zu den Prämienzahlenden verschoben», warnt Reto Wyss (38) vom Gewerkschaftsbund.

«Nur gemeinsam kriegen wir die Kosten in den Griff»
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Elisabeth Baume-Schneider:«Nur gemeinsam kriegen wir die Kosten in den Griff»

Er verweist auf eine Santésuisse-Studie, welche mit 5 Milliarden Franken zusätzlich im Jahr 2035 und sogar 10 Milliarden Franken mehr 2040 rechnet. «Die Reform ist eine Blackbox und führt sukzessive zu einer Prämienexplosion», so Wyss.

SVP-Spitze für Nein-Parole

Nicht nur den Gewerkschaften bereitet dies Kopfzerbrechen, auch die SVP könnte ins Nein-Lager kippen. Im Parlament hat die Mehrheit der Fraktion die Vorlage noch unterstützt. Nun beantragt der Parteileitungsausschuss der Delegiertenversammlung einstimmig die Nein-Parole, wie Fraktionschef Thomas Aeschi (45) bestätigt.

«Die Integration der Langzeitpflege führt mittelfristig zu einem inakzeptablen Prämienschub», moniert er. «Fahren wir die Krankenversicherung derart an die Wand, landen wir bei einer Einheitskasse – und das wollen wir nicht.»

Aeschi wagt allerdings keine Prognose, ob sich die Basis hinter die Parteispitze scharen wird, gibt es doch auch ein starkes Ja-Lager innerhalb der SVP. «Gemeindevertreter und Gesundheitsdirektoren hoffen auf eine Kostenentlastung bei sich, wenn der Langzeitpflege-Deckel aufgehoben wird», so Aeschi.

Verworrene Fronten

Nicht nur bei der SVP sind die Fronten verworren. So hat die SP zwar die Nein-Parole beschlossen, doch im Parlament sprach sich die Fraktionsmehrheit noch für die Vorlage aus. Auch zwei Kantonalsektionen haben bisher die Ja-Parole beschlossen. Die Grünen wiederum haben sich für Stimmfreigabe entschieden.

Geschlossen engagieren sich FDP, GLP und Mitte für ein Ja. Letztere hat die Reform angestossen, mit einem 2009 von der damaligen Nationalrätin Ruth Humbel (67) eingereichten Vorstoss. Nun hofft die Aargauerin, dass das Unterfangen auch an der Urne glückt. «Wenn wir die Ambulantisierung vorantreiben und die Prämien entlasten wollen, müssen sich auch die Kantone an den ambulanten Kosten beteiligen», macht sie klar.

Die einheitliche Finanzierung schaffe auch bessere Voraussetzungen für die integrierte Versorgung. Unter dem Strich wiege das Sparpotenzial die Mehrkosten bei der Langzeitpflege zumindest teilweise auf, so Humbel. Sie verweist auf Baume-Schneider, wonach es sich um die wichtigste Gesundheitsreform seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes 1996 handle. «Sie muss einfach gelingen!»

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