Nationalratspräsidentin Irène Kälin zu ihrer Reise in die Ukraine
«Ich habe Angst, dass es mich als Mensch durchrütteln wird»

Nationalratspräsidentin Irène Kälin (35) ist mit einer parlamentarischen Delegation unterwegs nach Kiew. Warum sie in die Ukraine reist, erklärt sie hier.
Publiziert: 26.04.2022 um 15:47 Uhr
Irène Kälin, Nationalratspräsidentin

Ich bin auf dem Weg in die Ukraine. Ich wurde eingeladen vom Parlamentspräsidenten der Ukraine. Und ich habe die Einladung angenommen. Wie hätte ich auch anders können. In diesen schrecklichen Zeiten des Krieges ist ein Zeichen der Solidarität und Menschlichkeit vor Ort das Mindeste, was ich tun kann.

Denn dieser Krieg betrifft uns alle: Er richtet sich gegen unsere gemeinsamen Werte. Er ist ein Angriff auf Frieden, Sicherheit, Demokratie und die Menschenrechte. Er tritt internationales Völkerrecht nicht nur mit Füssen, sondern räumt es mit Waffengewalt aus dem Weg. Er ist die Ursache für die mehr als 40'000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die zu uns geflüchtet sind. Er ist die Ursache für die fünf Millionen Ukrainerinnen auf der Flucht.

Blick reist mit Kälin nach Kiew

Am Dienstag nachmittag ist Nationalratspräsidentin Irène Kälin (35) Richtung Kiew aufgebrochen – begleitet von den Nationalräten Roger Nordmann (49, SP), Nik Gugger (51, EVP) und Yves Nidegger (64, SVP) sowie dem Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild.

Die Schweizer Delegation wird am Mittwoch am Sitz des ukrainischen Parlaments, der Werchowna Rada, empfangen. Sie wird sich dort bei Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk (46) über die Lage im Kriegsland informieren. Ausserdem wird Kälin eine Rede vor dem Parlament halten. Die Delegation werde voraussichtlich auch die befreiten Städte Bucha und Irpin besuchen können, wie die Parlamentsdienste gestern mitteilten.

Blick TV begleitet Kälin in die Ukraine. Reporter Pascal Scheiber wird regelmässig live aus Kiew und von den anderen Stationen berichten.

Am Dienstag nachmittag ist Nationalratspräsidentin Irène Kälin (35) Richtung Kiew aufgebrochen – begleitet von den Nationalräten Roger Nordmann (49, SP), Nik Gugger (51, EVP) und Yves Nidegger (64, SVP) sowie dem Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild.

Die Schweizer Delegation wird am Mittwoch am Sitz des ukrainischen Parlaments, der Werchowna Rada, empfangen. Sie wird sich dort bei Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk (46) über die Lage im Kriegsland informieren. Ausserdem wird Kälin eine Rede vor dem Parlament halten. Die Delegation werde voraussichtlich auch die befreiten Städte Bucha und Irpin besuchen können, wie die Parlamentsdienste gestern mitteilten.

Blick TV begleitet Kälin in die Ukraine. Reporter Pascal Scheiber wird regelmässig live aus Kiew und von den anderen Stationen berichten.

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Und ja, er ist auch die Ursache dafür, dass Benzin und Diesel momentan teuer sind. Und dass Autos nicht mehr geliefert werden. Dass Menschen hungern. Dass Menschen sterben. Soldaten, aber auch viele Frauen, Männer, Kinder.

Nationalratspräsidentin Irène Kälin erklärt in einer Kolumne, weshalb sie mit einer Delegation nach Kiew reist.
Foto: Keystone
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Stefanchuks Worte haben mich bewegt

Verursacher ist der russische Präsident, der diesen Angriffskrieg gestartet hat und ihn befehligt.

Ich gehe nach Kiew, weil mich die Worte des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk in seinem Einladungsschreiben bewegen: «I am sure that no civilized politician, for whom true human values ​​are not election slogans only, would remain indifferent after witnessing today's Ukraine, and some may even dedicate their lives for fighting such manifestations of aggression around the world. I am convinced that your visit will be another proof of solidarity with our country and its support in this difficult time of struggle against the aggressor for independence and democratic values.»

(Übersetzung: «Ich bin sicher, dass kein zivilisierter Politiker, für den wahre menschliche Werte nicht nur Wahlkampfparolen sind, gleichgültig bleiben würde, nachdem er die heutige Ukraine gesehen hat, und einige werden vielleicht sogar ihr Leben dem Kampf gegen solche Manifestationen der Aggression in der Welt widmen. Ich bin überzeugt, dass Ihr Besuch ein weiterer Beweis für die Solidarität mit unserem Land und seine Unterstützung in dieser schwierigen Zeit des Kampfes gegen den Aggressor für Unabhängigkeit und demokratische Werte sein wird.»)

«Die Solidarität nach Kiew tragen»

Der Entscheid zu gehen, fiel mir also gewissermassen leicht. Als Nationalratspräsidentin erachte ich es als meine Aufgabe, als Pflicht der höchsten Schweizerin, die Solidarität nach Kiew zu tragen, die ich täglich sehe und erlebe. Als Politikerin zu zeigen, dass wir bedingungslos auf der Seite des Völkerrechts stehen und unsere humanitäre Aufgabe wahrnehmen, und mir vor Ort ein Bild zu machen und es zurück in die Heimat zu tragen.

Gerne würde ich sagen, dass mir die Entscheidung auch als Mensch einfach fällt. Weil es doch klar ist, dass mein Herz für meine ukrainischen Schwestern und Brüder schlägt. So wie mein Herz für alle Menschen schlägt, die Opfer von Krieg, Brutalität und sinnloser Zerstörung geworden sind. Weil ich den Mut und die Kraft bewundere, mit der die Ukrainerinnen und Ukrainer für unsere Werte kämpfen. Mit dem höchsten Einsatz, den wir Menschen haben: mit ihrem Leben.

«Weiss nicht, ob ich es aushalten werde»

Aber als Mensch, als junge Frau, die nichts anderes kennt als ein Leben in Frieden, und als Mutter eines kleinen Kindes, die noch nie in einem Kriegsgebiet war und die bereits bei den Bildern in der Tagesschau ihre Tränen nicht zurückhalten konnte, hätte ich mir diese Reise gerne erspart. Ich will das Elend, das dieser schreckliche Krieg verursacht, eigentlich nicht sehen. Weiss nicht, ob ich es aushalten werde. Darum zu wissen, ist schon schwer genug.

Nein, ich habe keine Angst davor, dass mich die Ukraine bei diesem Besuch zu Propagandazwecken «missbraucht», wie es gewisse Medien suggerieren. Ich habe auch keine Angst um meine Sicherheit. Ich habe Angst, dass es mich als Mensch durchrütteln wird. Und ich glaube, das ist gut so. Denn letztlich steckt hinter jeder Funktion und jedem Titel ein Mensch, und genau diese Menschlichkeit brauchen wir doch alle mehr denn je. Denn wenn diese Menschlichkeit siegt, dann wird der Ruf nach Frieden gehört. Dann wird der Friede Realität.

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