Balanceakt für FDP-Präsident Thierry Burkart
«Wir legen uns nicht mit der SVP ins Bett»

FDP-Präsident Thierry Burkart vollführt einen Balanceakt: Er muss sich von der grössten Partei abgrenzen und gleichwohl kooperieren. Geht die Rechnung auf?
Publiziert: 24.08.2023 um 12:11 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 13:46 Uhr
Stefan Barmettler
Handelszeitung

Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS sei «eine staatliche Rettung mit privatwirtschaftlicher Beteiligung» gewesen. Wer sagte das – Cédric Wermuth oder Mattea Meyer?

Das habe ich auf X (ehemals Twitter) so geschrieben. Es brauchte die UBS, die sich engagierte, es brauchte die Führung durch den Staat, genauer: durch Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Ohne diese Rettungsaktion wäre die CS heute pleite – mit den entsprechenden gravierenden Auswirkungen für das weltweite Finanzsystem.

Es war doch eher umgekehrt: eine privatwirtschaftliche Rettung mit staatlicher Beteiligung.

Zur Rettung der CS brauchte es beide, die staatlichen Organe und die UBS. Es ist also nicht zu leugnen, dass es einen starken staatlichen Aspekt gab.

Sie forderten als erster Politiker nach der angekündigten Übernahme die Ausgliederung der CS Schweiz. Immer noch dieser Meinung?

Ja, an sich wäre das ein sinnvoller Schritt gewesen, damit hätte man erstens Arbeitsplätze retten können, zweitens gäbe es eine international vernetzte Bank im Interesse der KMUs, und drittens wäre damit eine Reduktion der faktischen Staatshaftung verbunden. Die UBS hat mir gegenüber gesagt, dass diese Abspaltung eine der Optionen sei, die man prüfe. Wir werden schon bald sehen, was ihr Entscheid sein wird. Allerdings hätte dieser Schritt wohl schnell vorgenommen werden müssen. Je länger zugewartet wird, desto schwieriger ist die Umsetzung.

Die Rettung der Credit Suisse unter Führung seiner Bundesrätin Karin Keller-Sutter war für Thierry Burkart der einzig richtige Schritt.
Foto: keystone-sda.ch
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Die UBS wird sich gegen eine Abspaltung aussprechen, weil eine Abspaltung keinen Sinn macht. Eine CS Schweiz wäre eine Kantonalbank ohne eine Staatsgarantie und ohne gesicherte Finanzbasis. Also kaum überlebensfähig.

Dem widerspreche ich. Es wäre eine grosse Schweizer Bank mit internationalem Bezug; diesen schafft man nicht nur, indem man eigene Filialen im Ausland hält, sondern mit Kooperationen. Für internationale Geschäfte können die Kantonalbanken nicht dieselbe Rolle spielen. Und machen wir uns nichts vor: Eine Bank mit einer gewissen Grösse hat faktisch eine Staatsgarantie.

Die Staatsgarantie lässt sich nicht mit einer Too-big-to-fail-(TBTF-)Regulierung wegregulieren, richtig?

Das sehe ich auch so. Die geordnete Abwicklung der CS, wie sie unter TBTF hätte vonstattengehen sollen, funktionierte nicht, weil es sich um einen Bank-Run gehandelt hat und ein weltweiter Dominoeffekt gedroht hätte. Einer, der die Schweizer Wirtschaft und das weltweite Finanzsystem schwer in Mitleidenschaft gezogen hätte. Die Pleite einer Schweizer Grossbank, verbunden mit einer globalen Destabilisierung der Finanzmärkte, hätte neben den verheerenden volkswirtschaftlichen Folgen einen katastrophalen Imageschaden für unser Land zur Folge gehabt. Deshalb war diese Rettung notwendig und im Interesse unseres Landes, wohl oder übel.

Soll die neue UBS die faktische Staatsgarantie abgelten? In Form einer jährlichen Prämie?

Diese Debatte müssen wir führen, aber nicht nur bei der UBS. Es ist tatsächlich so, dass es bei Banken mit einer gewissen Systemrelevanz eine faktische Staatshaftung gibt.

Also eine Abgeltung? Kantonalbanken liefern auch Gewinne ab oder schütten Dividenden aus.

Ich bin dieser Forderung gegenüber offen. Von einer Staatsgarantie profitieren, wenn der Notfall eintritt, aber sich vorher um die Verantwortung scheren, das geht nicht. Die Politik wird darüber nachdenken müssen.

Der Eindruck: Sie redeten von einer faktischen Staatsrettung, forderten früh staatliche Massnahmen. Das sind eher ungewöhnliche Töne von einem Präsidenten der Freisinnigen. Da würde man eher erwarten, dass Sie der UBS-Führung den Rücken stärken. Sie könnten ja auch der UBS danken, dass sie eine Bank vor dem Untergang rettete.

Ich sage ja, dass eine Rettungsaktion ohne UBS nicht möglich gewesen wäre, und bestreite auch nicht, dass die UBS-Führung über die weiteren Schritte letztlich entscheiden muss. Aber es ist nicht verboten, dass eine politische Partei Forderungen an die Führungskräfte stellt. Und ich meine nach wie vor: Welche Entscheidung die UBS-Führung auch immer treffen wird, ich appelliere daran, dass sie die gesamtwirtschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Ein derart grosses und systemrelevantes Unternehmen wie die UBS kann sich nicht darum foutieren und nur an den eigenen Profit denken.

Trauen Sie das Sergio Ermotti zu?

Ja, das traue ich ihm zu. Ich gehe davon aus, dass es die UBS-Spitze ernst meint und sich dieser Verantwortung bewusst ist.

Die UBS hat die Staatsgarantie vor ein paar Tagen gekündigt. Ein guter Schritt?

Eine sehr guter und wichtiger Schritt, für die UBS und den Bund. Es zeigt, dass diese Rettungsaktion erfolgreich war. Es zeigt auch, dass Finanzministerin Karin Keller-Sutter hervorragende Führungsarbeit leistete. Und die UBS hat alles getan, dass der Bund aus dieser Haftung befreit wurde. Das ist positiv.

Dafür hat der Bund sogar noch eine halbe Milliarde Franken verdient.

Das steht nicht im Vordergrund, aber selbstverständlich muss eine Garantie abgegolten werden. Ich hoffe, dass die Bevölkerung erkennt, dass es unsere Finanzministerin war, unsere Partei, die Verantwortung übernahmen. Während andere Parteipolitik betrieben und entsprechende Beschlüsse im Nationalrat ablehnten, namentlich die SVP, die SP und die Grünen. Damit haben sie gezeigt, dass sie mit ihrer Haltung schnöde Parteipolitik betrieben und nicht die Interessen unseres Landes in den Vordergrund gestellt haben.

Sie haben auch einen Regress auf Managerboni gefordert. Wie soll das gehen? Unter Tidjane Thiam hat die Credit Suisse in den Jahren 2018, 2019 und 2020 über 8 Milliarden Franken Gewinn eingefahren, unter Thomas Gottstein Milliarden verloren – wegen Pleiten, die bereits vor Jahren angelegt waren. Wer soll nun Boni zurückzahlen? Namen bitte.

Wir haben im Aktienrecht die Möglichkeit, Mitglieder eines Verwaltungsrates zur Rechenschaft zu ziehen, sofern die Voraussetzungen gegeben sind. Und da erwarte ich schon, dass die Gläubiger und Aktionäre diese Haftungsmöglichkeit nutzen.

Sie sind also dafür, dass Thiam oder Gottstein von den Aktionären und Aktionärinnen eingeklagt werden? Oder eher VR-Präsident Urs Rohner?

Das ist der Entscheid der Gläubiger und der Aktionärinnen. Man kann auch diskutieren, ob es in diesem Fall staatliche Regelungen braucht, um Regress aufs Management nehmen zu können.

Die Hürden für Entscheidungsträger sind sehr hoch, siehe Swissair-Prozess. Zudem sind die Leute oft durch Versicherungen gedeckt.

Ich bin nicht Richter, und die Hürden sind tatsächlich hoch, aber ich bin gleichwohl der Ansicht, dass die Leute zur Rechenschaft gezogen werden müssen, wenn sie Fehler begangen haben. Unsere Marktwirtschaft basiert auf unternehmerischer Freiheit, auf dem Recht, Geld zu verdienen, aber im Gegenzug muss man auch Verantwortung übernehmen. Es geht darum, dass die Bevölkerung Vertrauen ins marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem hat. Wenn sie das verliert, schadet das der gesamten Volkswirtschaft.

Dieses Vertrauen sehen Sie angeknackst?

Selbstverständlich. Ich spüre in der Bevölkerung viel Wut, Unverständnis und Unsicherheit. Ich kann das nachvollziehen.

Wo hören Sie das, bei Ihrer FDP-Basis?

Als Ständerat bin ich nahe bei der Bevölkerung, also nicht nur bei der FDP. Ulrich Bremi hat einmal gesagt: Als Politiker muss man aggressiv zuhören und sanft reden, aber die meisten reden aggressiv und hören kaum zu. Dem Beispiel von Bremi versuche ich nachzuleben.

Jetzt müssen Sie vorab aggressiv reden, denn es steht Ihnen ein heisser Wahlherbst bevor. Da gehts auch um Ihre persönliche Aktie – Burkart-Hausse oder Burkart-Baisse.

Erfolg und Misserfolg hängt aber auch von der Person an der Spitze ab. Kommts gut, ist das der Erfolg der Partei.

Und wenn nicht, treten Sie zurück?

Eine Führungsperson kann sich nicht wegstehlen.

Die Mitte ist Ihnen hart auf den Fersen, gemäss Umfrage liegt sie knapp hinter der FDP.

Wir stehen vor der Mitte, und es gab keine Umfrage in den letzten Jahren, in denen sie vor uns lag. Und dann erinnere ich daran, dass wir letztes Jahr bei allen Prognosen zulegten und bei den kantonalen Wahlen auch.

Dann kam die CS-Pleite. Im Frühling 2023 blies Ihnen ein kalter Wind ins Gesicht.

Wir haben bis zum CS-Vorfall zugelegt, dieser ist nun vorbei, die Schweiz ist aus der Haftung raus. Ich bin überzeugt, wir werden nun wieder Fahrt aufnehmen.

Und wenn Sie Erfolg haben, sind Sie der Star?

Es geht nicht um mich. Es geht darum, ob das Erfolgsmodell Schweiz, das auf einer liberalen Politik basiert, die massgeblich vom Freisinn geprägt ist, erhalten bleibt – und ob wir es in die Zukunft führen können. Wollen wir ein Land sein, das wirtschaftlich erfolgreich ist, das sich ausgebaute Sozialsysteme leisten kann, wo sich Unternehmertum lohnt, das Innovationsweltmeister ist? Wenn wir dem zustimmen, brauchts mehr liberale Politik.

Wachstum gibt es vorab beim Staat, die Bürokratie grassiert, die Produktivität stagniert, die Staatsquote steigt, der unternehmerische Spielraum nimmt ab. Der Freisinn bringt seit Jahren die PS nicht auf den Boden, leider.

Es braucht gerade deshalb mehr Freisinn, damit diese Positionen gestärkt werden. Grün/Links tut alles, um unser Erfolgsmodell zu schädigen, und die SVP torpediert das Land bei der internationalen Einbettung. Dabei haben wir einen Grossteil unseres Wohlstands der wirtschaftlichen Vernetzung zu verdanken. Und dann zum Grundsätzlichen: Der Wille zum Kompromiss und zur Zusammenarbeit hat enorm abgenommen. Wenn die Parteien in einem Vielparteiensystem nicht mehr willens sind, über ihren Schatten zu springen, sondern das Parteiprogramm über alles stellen, schadet das unserem Land. Das haben wir bei der CS gesehen, als die Mehrheit den Notfallkredit für die Bank ablehnte.

Sie reden auch von der SVP.

Die SVP schadet zum Teil mit ihrem Verhalten dem Wirtschaftsstandort Schweiz. Wenn wir die bilateralen Verträge aufkündigen, würde das gigantischen wirtschaftlichen Schaden auslösen. Wenn man auf Protektionismus setzt, ist das negativ für unsere Volkswirtschaft. Wir sind als Exportnation auf offene Grenzen angewiesen. Im Übrigen sind wir gemäss Bertelsmann-Stiftung jenes Land, das in den letzten dreissig Jahren am meisten von der Globalisierung profitiert hat.

Die SVP ist ihr Partner in den Wahlen im Herbst – wie soll das gehen?

Die SVP ist Partner und manchmal kein Partner. Es gibt Themen wie etwa in der Finanz- und Steuerpolitik, wo wir gut zusammenarbeiten. Dann gibts andere, zum Beispiel die Waffenwiederausfuhr oder die europäische Zusammenarbeit, bei denen wir anderer Meinung sind. Der EU wollen weder die FDP noch die SVP beitreten, aber wir wollen geordnete Verhältnisse mit der EU, die SVP will den Bruch mit den wichtigsten Handelspartnern.

Gleichwohl streben Sie Listenverbindungen mit der Partei an.

Ich strebe keine Listenverbindungen an. Listenverbindungen sind Sache der Kantonalparteien, daran halte ich mich. Und es in unserem Wahlsystem so, dass diejenige Partei a priori einen Nachteil hat, die keine Listenverbindungen eingeht.

Die Mitte hat mit der GLP festgelegt, flächendeckend Listenverbindungen zu machen. Zum Nachteil der FDP.

Darum haben wir bei der Wahl unserer Listenverbindungspartner keine grosse Auswahl. Nun aber haben sich nicht alle Mitte-Parteien an die Order von Mitte-Präsident Geri Pfister gehalten. Darum haben wir da und dort Listenverbindungen mit der Mitte oder auch mit der Mitte und der SVP, etwa in Genf.

Sie müssen sich mit der SVP ins Bett legen, gleichwohl werden Sie von der SVP ständig angepflaumt.

Wir legen uns nicht mit der SVP ins Bett, wir vertreten weiter unsere FDP-Positionen, diese unterscheiden sich in gewissen Fragen stark von der SVP. Das ist nichts Ungewöhnliches. Die Grünliberalen zum Beispiel gehen zahlreiche Listenverbindungen mit den Grünen, der SP und der Juso ein – und das als sogenannt liberale Partei. Ausgerechnet mit der Juso, welche die Marktwirtschaft abschaffen will, für die Dreissigstundenwoche plädieren – das ist ungleich widersprüchlicher, als dass wir da und dort mit der SVP eine Listenverbindung eingehen.

Aussergewöhnlich ist, dass sich die SVP vorab auf Sie eingeschossen hat. Die «Weltwoche» tituliert Sie als Nato-Fan, als Einknicker und behauptet mal: «FDP-Burkart schlägt wild um sich.» Oder dann: «Er ist schlimmer als Gössi.»

Und kürzlich wurde ich von der Weltwoche als linkster der FDP-Präsident betitelt, und in anderen Medien heisst es, die FDP sei noch nie so rechts gewesen wie mit mir.

Eben.

Da ist so viel parteipolitisches Geschwätz dabei. Aber es führt in unserer Basis in der Tat zu Verstimmungen, wenn wir von der SVP unflätig angegriffen werden. Da muss sich die SVP ernsthaft überlegen, ob sie sich damit einen Gefallen tut. Denn so droht, dass bei uns Listenverbindungen mit der SVP, auch wenn sie rein arithmetisch sind, keine Akzeptanz mehr haben werden. Dann werden wir im aktuellen System Nachteile haben, aber die SVP auch. Am besten wäre ohnehin, wenn wir das System der Listenverbindungen abschaffen. Denn die Fragen, die sich bei uns stellen, betreffen eigentlich alle Parteien..

Die Schweiz konnte sich nach monatelangen Debatten nicht durchringen, Waffen an befreundete Nationen zu liefern, die die Ukraine mit Waffen beliefern. Ein hässliches Polittheater.

Dass wir nicht direkt Waffen liefern, wird aufgrund unseres Neutralitätsrechts verstanden. Aber dass wir andere daran hindern, Waffen oder Munition weiterzugeben, die sie vor Jahrzehnten zu ihrem eigenen Gebrauch in der Schweiz gekauft haben, stösst auf grosses Unverständnis und hat mit Neutralität eigentlich auch nichts zu tun.

Führt dieses Verhalten nicht zum Ende der Schweizer Waffenindustrie. Wer will Waffen und Munition noch kaufen, wenn man sie in der Nato oder in der EU nicht weiterverkaufen kann?

Wenn wir unsere Regeln nicht ändern, ist dies das Ende. Wenn man weiss, dass man Waffen oder Munition aus der Schweiz nicht weitergeben oder nicht einsetzen darf, dann kauft niemand mehr bei uns ein. Es gibt bereits einen Entscheid des niederländischen Parlaments, welcher der Regierung vorgibt, nicht mehr in der Schweiz einzukaufen. Das schadet der Schweizer Rüstungsindustrie und der eigenen Verteidigungsfähigkeit und dem Industriestandort Schweiz, weil wir so Knowhow nicht mehr im Land halten können. Das ist auch das Ende unserer bewaffneten Neutralität. Die Rüstungsindustrie in der Schweiz ist eine absolute Hightech-Branche.

Die SVP ist auf dieser harten Linie.

Die SVP hat früher stets zusammen mit der FDP gegen eine Verschärfung der Kriegsmaterialgesetzgebung gekämpft, weil klar war: Die Industrie muss exportfähig sein, sonst verliert sie Arbeitsplätze und Know-how. Damals standen wir vereint gegen Mitte-Links. Nun hat die SVP plötzlich ihre Position geändert, und zwar mit einem enorm engen Neutralitätsbegriff, wie es ihn in der Geschichte der Schweiz noch nie gab.

Ist der Rüstungsbetrieb Ruag MRO so noch überlebensfähig?

Ohne Export und internationales Geschäft kann das Unternehmen nicht überleben. Weil wir das strengste Kriegsmaterialexportgesetz haben.

Das Ausland macht Druck auf den Finanzplatz. Man sei zu lasch bei den Russland-Sanktionen.

Ich habe am 24. Februar 2022 als einer der Ersten gefordert, dass sich die Schweiz den Sanktionen des Westens anschliesst. Am 27. Februar hat der Bund ein Nachvollziehen der EU-Sanktionen beschlossen. Mein Eindruck ist, es wird sehr viel gemacht, um die Sanktionen einzuhalten und durchzusetzen. Vieles von der Kritik vom Ausland halte ich für billige Polemik.

Die Helsinki-Kommission in den USA ist besonders laut.

Der Bundesrat muss den USA klar aufzeigen, was und wie wir es machen.

Da wären FDP-Aussenminister Ignacio Cassis und SVP-Wirtschaftsminister Parmelin gefordert. Aber sie schweigen lieber.

Bundesrat Cassis ist in der Sache sehr aktiv. Seine Arbeit wird aber innenpolitisch torpediert, indem gefordert wird, dass die Schweiz bei der G7-Taskforce für die Jagd nach Oligarchengeldern mitmacht.

Zu dieser Taskforce muss man eingeladen werden, eine entsprechende Einladung ging in der Schweiz nie ein.

Ich finde es auch nicht zielführend, wenn der Kleinstaat Schweiz in ein Gremium drängt, in dem sieben Weltmächte zusammensitzen. Wir müssen die Sanktionen, zu denen wir uns verpflichtet haben, konsequent durchsetzen. Aber mit pauschalen Aussagen, die Schweiz mache viel zu wenig, kann ich nicht viel anfangen.

Wie gross ist Ihr Goodwill gegenüber der SVP? Bei der 200-Franken-Initiative, die der parastaatlichen SRG die Gebührengelder streichen will, sind Sie dabei. Sie haben jedenfalls vorgespurt und schrieben letzte Woche auf X: «Die Qualität von SRF sinkt laufend.» Und weiter: «Ich bin gespannt, welche Parole die FDP-Delegiertenversammlung zur Halbierungsinitiative fassen wird.» Sie sind für die Initiative?

Jetzt geht die Initiative in den parlamentarischen Prozess, dann wird man eine Analyse vornehmen und beraten, ob es einen Gegenvorschlag braucht – anschliessend werden die Delegierten der FDP einen Entscheid fällen.

Und ihre Meinung? Sie spuren vor, für die Initiative?

Wie gesagt, ich will nicht vorgreifen.

Für die Zehn-Millionen-Initiative, welche die Zuwanderung beschneiden will?

Diese Kündigungsinitiative liegt noch nicht auf dem Tisch. Aber klar ist, die SVP will die Personenfreizügigkeit aufkündigen. Da bin ich dagegen. Weil eine Kündigung massive Auswirkungen hätte: Beim Arbeitskräftemangel würden wir uns ins eigene Bein schneiden, die KMUs brauchen diese Leute. Darüber hinaus würden dann auch die Bilateralen aufgekündigt werden.

Sind Sie nicht alarmiert von den Einwanderungszahlen?

Tatsächlich ist die Einwanderungszahl hoch, deshalb müssen wir das inländische Arbeitskräftepotenzial ausschöpfen.

Konkret?

Wir haben zwei Direktrezepte: Wir setzen auf die Individualbesteuerung; gemäss einer Studie würde das dem Arbeitsmarkt 60’000 bis 80’000 Arbeitskräfte zuführen, darunter sehr viele Frauen. Das Zweite ist die Renteninitiative, welche Anreize für eine Arbeitstätigkeit über das Rentenalter hinaus schaffen würde. Unter dem Strich, sagt eine Studie, wären 23 Prozent weniger Einwanderung über die Personenfreizügigkeit nötig. Wir haben das Glück, dass wir immer älter werden – das aber führt zu einer Mehrbelastung der Altersvorsorge.

Eine Zehn-Millionen-Initiative der SVP ist knackiger als eine Abstimmung über die Renteninitiative der Jungen FDP, die das Rentenalter auf 66 Jahre erhöhen und an die Lebenserwartung koppeln will.

Das werden wir sehen. Auch hier stellt sich die Frage: Wollen wir reine Parteipolitik machen, die keine Rücksicht auf Verluste für unser Land nimmt, oder bringt man konstruktive Vorschläge. Die Maximierung des parteipolitischen Effekts ist nicht mein Ziel, sondern die Erhaltung des Wohlstands der Schweiz.

Sie haben sich kürzlich im NZZ-Interview als Bünzli geoutet. Nicht knackig ...

Ich lebe klassische Schweizer Werte wie Pünktlichkeit, Leistungsbereitschaft. Präzision. Das kann man als Bünzli-Mentalität bezeichnen.

Ihre Vorliebe für Heavy Metal passt nicht ganz zum Bünzli.

Ich gehe nächstens auch in ein klassisches Konzert, aber es stimmt, ich bin regelmässig an Heavy-Metal-Konzerten. Meine erste Musik, die ich hörte, war Rock und Heavy Metal.

Metallica?

Die Helden meiner Jugendzeit. Heute eher die Foo Fighters.

Rammstein?

Hörte ich auch ab und zu, das waren aber nie meine Favoriten.

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