Überragender Wahl-Triumph der Grünen und Grünliberalen führt zu Klimawandel im Bundeshaus
Das blüht jetzt der Schweiz

Die Grünen machen einen Riesensprung und schliessen im Nationalrat fast zur FDP auf. Auch die GLP überrascht mit einem grossen Satz.
Publiziert: 20.10.2019 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2019 um 17:13 Uhr
Regula Rytz ist mit ihren Grünen die strahlende Wahlsiegerin vom Sonntag.
Foto: AFP
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Von der BLICK-Bundeshaus-Redaktion

Es war der grosse Tag der Ökoparteien. Sie legten am Wahlsonntag so stark zu, nicht einmal sie selber hatten das im Vorfeld für möglich gehalten. Die Grünen gewinnen ganze 17 Sitze – das ist historisch. Neu kommt die Umweltpartei von Regula Rytz (57) auf 28 Sitze. Die GLP kann laut SRF-Endresultat neun zusätzliche Nationalräte nach Bern schicken, die Grünliberalen haben damit neu 16 Nationalräte.

Erwartungsgemäss musste die SVP Federn lassen. Sie verliert 12 Sitze und kann neu noch 53 Nationalräte stellen. Die Klimawelle hat nicht nur viele Grüne und Grünliberale ins Parlament gespült, sondern auch das Migrationsthema und das EU-Dossier überdeckt, was die Verluste der SVP erklärt.

Dass aber SP und FDP auch stark verlieren, während die CVP sich fast halten kann, hatte niemand auf dem Radar. Für die SP lief es anders als bei den Wahlen 2011, bei denen die Grünen in der Folge des Reaktorunglücks von Fukushima nicht profitieren konnten. Jetzt gewinnen die Grünen, und die SP verliert vier Sitze. Sie kommt neu noch auf 39 Nationalräte. Die FDP büsst vier Nationalräte ein und kommt noch auf 29 Sitze.

Bundesratsfrage stellt sich

Damit stellen die Freisinnigen bloss noch einen Nationalrat mehr als die Grünen. Die FDP hat jedoch zwei Bundesräte, die Grünen noch keinen. Die Diskussion um einen Grünen in der Landesregierung ist lanciert.

Grünen-Präsidentin Rytz fordert Sitz im Bundesrat
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Nach Wahl-Erfolg:Grünen-Präsidentin Rytz fordert Sitz im Bundesrat

Gar existenzgefährdend sind die Wahlen für die BDP ausgefallen. Sie hat keine fünf Nationalräte mehr, die sie für eine eigene Fraktion bräuchte. Parteichef Martin Landolt (51) will dennoch nicht vom Ende der Partei sprechen. Für ihn beendet die Niederlage lediglich das erste Kapitel der BDP – die Gründungsphase.

Die Evangelische Volkspartei, die sich in der CVP-Fraktion nach Aussagen ihrer Parteichefin Marianne Streiff-Feller (62) nicht uneingeschränkt wohlfühlt, hat um einen Sitz auf drei Nationalratssitze zugelegt. BDP und EVP können ab heute darüber diskutieren, ob sie sich zu einer neuen Fraktion zusammenfinden.

Rechte Vorherrschaft ist Geschichte

SP-Chef Christian Levrat (49) gab in der Elefantenrunde im SRF zu bedenken, dass die Linke 17 Nationalratssitze gewonnen habe, während die Rechte wohl 16 Sitze abgibt. Damit haben SVP und FDP ihre Vorherrschaft im Nationalrat klar eingebüsst. Bislang kamen die beiden zusammen auf 101 der 200 Sitze. Neu sind sie mit 82 Nationalräten weit weg von einer Mehrheit in der grossen Kammer.

Allerdings: Auch wenn Grüne und SP zusammen neu auf 67 Nationalräte kommen – die Linke ist noch immer schwächer als der Rechtsblock.

Eine wichtige Rolle bei der Suche nach Mehrheiten kommt damit der politischen Mitte zu. Zusammen haben CVP, GLP, BDP und EVP 47 Sitze im Nationalrat. Mitte-links hat also eine Mehrheit.

Ob es Mitte-links gelingt, die kommenden vier Jahren zu prägen, wird sich weisen: In der Klimafrage ist die Chance jedenfalls gross, dass diese Mehrheit griffige Massnahmen beschliesst – zumal auch grosse Teile der FDP-Fraktion in vielen Fragen mitziehen dürften.

GLP tickt bei manchen Themen rechts

Anders sieht es in der Finanz- und der Sozialpolitik aus. Hier ticken die Grünliberalen anders und gesellen sich oft zum Rechtsblock. Und wie die CVP bewiesen hat – so bei der Reform der Ergänzungsleistungen –, ist auch sie nicht immer ein verlässlicher Partner der Linken.

Zu erwarten ist aber, dass der Nationalrat vermehrt im Gleichschritt mit dem Ständerat politisiert und sich die beiden Kammern nicht mehr so häufig blockieren wie in den letzten vier Jahren.

Die Wahrscheinlichkeit ist somit gross, dass in der kommenden Legislatur nicht nur der Kampf gegen den Klimawandel forciert wird, sondern es auch bei anderen Themen – der Sicherung des Rentensystems, beim Wachstum der Gesundheitskosten und in den Beziehungen mit der EU – vorwärtsgehen könnte.

Beim EU-Dossier wird es nicht zu einem Kampf der politischen Blöcke kommen. Vielmehr zeichnet sich ab, dass die bisherigen grossen Parteien SP, FDP und CVP zusammen mit der neuen grossen Partei, den Grünen, die Diskussion um das Rahmenabkommen bestimmen werden. Sie alle treten in dieser Frage und in der Abstimmung um die Kündigungs-Initiative, welche die Personenfreizügigkeit mit der EU kappen will, gegen die grösste Partei an. Gegen die SVP also.

EU-Quartett bestimmt

Das EU-Quartett dürfte aber auch die Grünliberalen zurückbinden, die auf einen möglichst raschen Abschluss des Rahmenvertrags mit Brüssel drängen. Das Quartett will Klärungen in drei Punkten: Bei den staatlichen Beihilfen, in der Frage der Unionsbürgerrichtlinie, die einen rascheren Zugang zur Sozialhilfe für EU-Zuwanderer ermöglichte, aber auch bei den flankierenden Massnahmen zum Schutz gegen Lohndumping.

Es ist davon auszugehen, dass die Grünliberalen das im Wahlkampf postulierte Alleinstellungsmerkmal «sofortige Unterschrift, ohne nach links und rechts zu schauen» nach den Wahlen nicht mehr brauchen und sich konzilianter zeigen.

Denn klar ist: Mit der Stärkung von Links-Grün ist der Rahmenvertrag gegen die Linke erst recht nicht zu haben. Zusammen mit der SVP kann sie einen Abschluss blockieren. Und auch vor dem Volk dürfte es gegen die Linke schwer werden.

National- und Ständeratsratswahlen 2019

Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.

BLICK bietet rund um die Uhr die aktuellsten Informationen zum Wahlkampf, der politischen Themenagenda der Parteien und Kandidaten, der Sitzverteilung im Parlament und den Wahlergebnissen.

Für die Ständeratswahlen sind die Kantone zuständig. Bei den Nationalratswahlen arbeiten Bund, Kantone und Gemeinden eng zusammen.

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