Wahlbarometer: Ein Erdbeben bahnt sich an
SVP verliert – FDP holt zu SP auf

Tatsächlich: Die Freisinnigen schicken sich an, bei den Wahlen im Herbst an den Genossen vorbeizuziehen. Die SVP bricht ein und die Öko-Parteien sind im Höhenflug. Bundesrat Ignazio Cassis hat einen schweren Stand. Das zeigt das neue Wahlbarometer.
Publiziert: 21.02.2019 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2019 um 17:35 Uhr
Ja, da schaut man nicht gern hin: SVP-Präsident Albert Rösti will den Wähleranteil seiner Partei halten. Doch derzeit sieht es eher nach gröberen Verlusten aus. Minus 2,4 Prozent würde die SVP derzeit verlieren. Stärkste Partei bliebe sie aber.
Foto: Keystone
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Ruedi Studer, Nico Menzato, Pascal Tischhauser, Noa Dibassey und Sermîn Faki

Die SVP verliert Wähler! Hätten wir schon letzten Sonntag die Mitglieder des Eidgenössischen Parlaments gewählt, wäre die Sünneli-Partei der grosse Verlierer. Sie wäre aber nach wie vor die grösste Partei der Schweiz. Hinter ihr würden sich Genossen und Freisinnige um Rang 2 streiten. Das zeigt das neuste Wahlbarometer, das die Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG erstellt hat. Es verspricht einen spannenden eidgenössischen Wahlgang am 20. Oktober 2019.

SVP unter Druck

Die SVP ist Stand heute die grosse Verliererin – bleibt aber die mit Abstand stärkste Partei. Sie büsst gemäss Umfrage 2,4 Prozentpunkte ein und kommt noch auf 27 Prozent Wähleranteil. Der Abwärtstrend hält an: In Umfragen seit den Wahlen 2015 verliert die Rechtspartei je länger, je stärker.

Der Grund: Die wichtigsten SVP-Themen Ausländer und Migration ziehen derzeit nicht wirklich und sind im Sorgenbarometer weit unten zu finden. 2015 war dies mit der grossen Flüchtlingskrise ganz anders. Das spielte der Sünneli-Partei voll in die Hände.

Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 2

2015 machte der damalige FDP-Chef Philipp Müller (66) der SP eine mutige Kampfansage: Er wollte die Genossen als zweitstärkste Partei ablösen. Die Freisinnigen legten zwar zu, aber nicht genug. Die SP hatte mit 18,8 Prozent die Nase weiterhin klar vor der FDP mit 16,4 Prozent.

Jetzt versucht FDP-Präsidentin Petra Gössi (43) das Meisterstück: «Wir wollen die SP überholen», sagte sie schon letztes Jahr im BLICK. Und diesmal könnte der Coup gelingen. Gemäss Wahlbarometer liefern sich die beiden Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen – beide liegen mit 17,4 Prozent gleichauf. SP-Chef Christian Levrat (48) muss diesmal zittern!

Klimadebatte verhilft Öko-Parteien zu Höhenflug

Die grosse Siegerin in der Umfrage sind die Grünen. Sie legen mit 2,4 Prozentpunkten in der Wählergunst am meisten zu, gefolgt von den Grünliberalen. Die GLP verbucht ein Plus von 1,8 Prozentpunkten. Damit würden die Ökoparteien mit insgesamt 15,9 Prozent Wähleranteil zu einem wichtigen Faktor im Parlament. Zusammen mit der SP, die in Umweltfragen ähnlich tickt, wüssten sie einen Drittel der Wählerschaft hinter sich. Doch bis zum Wahltermin im Herbst könnte die Klimadebatte abgeflaut sein. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im März 2011 mussten die Grünen im Herbst darauf Verluste hinnehmen. Die GLP aber gehörte zu den Gewinnern.

Die rechte Mehrheit bröckelt

Die FDP hat der SP nicht nur den Kampf um Platz 2 angesagt, sondern sie will auch die Machtverhältnisse im Ständerat kippen. «Wichtig ist, dass wir zusammen mit der SVP die Mitte-links-Mehrheit von CVP und SP im Ständerat durchbrechen können», sagte FDP-Chefin Petra Gössi (43) im BLICK. Umgekehrt setzte sich SP-Chef Christian Levrat (48) als oberste Maxime, im Nationalrat «die rechte Mehrheit zu brechen».

Tatsächlich sorgten die unterschiedlichen Machtverhältnisse in den beiden Kammern immer wieder für ein zähes Ringen mit knappem Ausgang. So etwa bei der gescheiterten Rentenreform – oder nun auch beim CO2-Gesetz.

In Nationalrat verfügen die SVP- und FDP-Fraktion über eine hauchdünne Mehrheit von 101 von 200 Sitzen. Im Ständerat besetzen sie nur 18 von 46 Sitzen. Im Wahlbarometer verliert das SVP/FDP-Lager leicht an Wähleranteilen und kommt im Wahlbarometer auf 44,4 Prozent. Der links-grüne Block (26,9 Prozent), wie auch das Mitte-Lager (22,7 Prozent), legen leicht zu. Doch schon kleine Änderungen bei den Wähleranteilen können zu Sitzgewinnen oder -verlusten führen. Die rechte Mehrheit im Nationalrat bröckelt – und damit ist Levrat seiner Zielsetzung näher als Gössi.

Rahmenabkommen und Klimawandel beschäftigen die Leute

CVP und SP setzen im Wahljahr auf das Thema Gesundheitskosten. Mit gutem Grund: Die Krankenkassenprämien stehen auf dem Sorgenbarometer noch immer zuoberst. Fast jede zweite Person gibt die Prämienbelastung als Top-Herausforderung an.

Allerdings bekommt das Thema Konkurrenz: Die Beziehungen zur EU treiben die Stimmbürger mittlerweile ebenso stark um. Es scheint, als sei die Diskussion ums Rahmenabkommen nun auch in den Köpfen der Bevölkerung angekommen. Der zweite grosse Gewinner unter den Themen ist der Klimawandel. Die Schwedin Greta Thunberg und die streikenden Klimaschüler haben offenbar das Bewusstsein für die Klimapolitik gestärkt.

Weniger Problemdruck orten die Stimmbürger bei der Altersvorsorge sowie der Zuwanderung und bei Asyl. Letzteres dürfte auch das Abschiffen der SVP erklären.

Die Beliebtheit von Cassis krankt

Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP) ist der unbeliebteste Bundesrat. Selbst 21 Prozent der eigenen FDP-Wähler ist der Tessiner unsympathisch. Bei den Genossen ist Cassis mit 70 Prozent Ablehnung vollends unten durch, aber auch bei den Anhängern von SVP und CVP ist er unbeliebt. Ausser bei den Freisinnigen sind bei den anderen Parteien stets die eigenen Bundesräte vorne. In nicht einmal anderthalb Jahren im Bundesrat liegt die Beliebtheit des Arztes aus der Südschweiz damit auf der Intensivstation. Am beliebtesten ist Innenminister Alain Berset (46, SP), vor den Neo-Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter (55, FDP) und Viola Amherd (56, CVP).

Männer und Frauen immer noch rechts-links gespalten

Wie gewohnt wählen Frauen etwas linker als Männer. Vor allem die SP lebt von ihrem grossen Wählerinnenanteil. 21 Prozent der Frauen wählen die rote Partei, wo hingegen nur 14 Prozent aller Männer sich mit den Sozialdemokraten identifizieren.

Aber auch die CVP und die BDP werden auf dem Wahlzettel häufiger von Frauen angekreuzt. Bei der SVP sowie auch bei der FDP sind jedoch klar die Männer am Hebel mit einem bedeutend höheren Wähleranteil (20 Prozent bei der FDP und 31 Prozent bei der SVP).

Die Grünen und auch die Grünliberalen sind die geschlechterausgewogensten Parteien.

Generationen-Gap deutlich sichtbar

Die unter 26-Jährigen wählen überdurchschnittlich häufig grün – oder freisinnig. Der Anteil der Jungwähler der FDP (19 Prozent) liegt sogar etwas höher als jener bei der SP und der SVP (je 17 Prozent).

Neben der Partei der Jungen ist die FDP aber auch die Partei der über 65-Jährigen. Die SVP ist nach wie vor ebenfalls eine attraktive Partei für ältere (30 Prozent der über 65-Jährigen). Je jünger die Wähler aber sind, desto weniger wählen sie die Sünneli-Partei. Ganz im Kontrast zu den Grünen und Grünliberalen, welche gegenwärtig vor allem ein junges Publikum ansprechen und dafür bei den älteren Wählern nicht so gut ankommen.

Die SP, sowie auch die CVP und die BDP weisen eine ziemlich ausgeglichene Altersverteilung auf, werden tendenziell aber auch eher von älteren Altersgruppen bevorzugt.

SP will die rechtsbürgerliche Mehrheit brechen
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«Wir müssen deutlich zulegen»:SP will die rechtsbürgerliche Mehrheit brechen

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Die Forschungsstelle Sotomo führte die Befragung fürs Wahlbarometer im Auftrag der SRG online vom 1. bis und mit 7. Februar 2019 durch. Die Angaben von 12'085 Stimmberechtigten flossen in die Auswertung ein. Sotomo gibt den Stichprobefehler mit +/-1,5 Prozent an.

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Bald geht die heisse Phase der Wahlschlacht so richtig los. BLICK erklärt im Formtest, wo die Parteien im Moment stehen und womit sie zu punkten versuchen.

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