NDB-Chef Markus Seiler macht Propaganda in eigener Sache
Geheimdienst auf indiskreter Mission

Mit einem Flyer weibelte NDB-Chef Markus Seiler bei seinen FDP-Kollegen für das neue Geheimdienstgesetz. Darauf finden sich sieben «Botschaften» fürs Stimmvolk. Dabei würden «wichtige Tatsachen verschwiegen», ärgern sich die Gegner über die NDB-Aktion.
Publiziert: 13.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:15 Uhr
Der Direktor des Nachrichtendiensts Markus Seiler verteilte am FDP-Fraktionsausflug Propaganda-Kärtchen mit den Kern-Botschaften für den Abstimmungskampf zum neuen Nachrichtendienstgesetz.
Foto: Keystone
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Ruedi Studer

Nach Jahren voller Pannen sieht sich Geheimdienst-Chef Markus Seiler am Ziel: Am 25. September soll das Stimmvolk das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) absegnen. Mit diesem bekommt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) mehr Mittel in die Hand. Die Staatsschnüffler dürften neu Wohnungen verwanzen, Telefonate abhören oder Computer hacken. Für den Schweizer Geheimdienst ein Quantensprung.

Seiler am FDP-Fraktionsausflug unterwegs

Und diesen will sich Seiler durch die NDG-Gegner nicht nehmen lassen. So weibelt der sonst so diskrete Geheimdienstchef schon jetzt für das Gesetz. Am FDP-Fraktionsausflug versorgte der Freisinnige Seiler seine Parteikollegen mit Werbematerial. So steckte er mal hier, mal dort einem Parlamentarier einen Flyer im Postkartenformat zu.

Darauf skizziert der NDB nicht nur die Ausgangslage, sondern lässt auch die Alarmglocken schrillen: «Die Akteure, die die innere und äussere Sicherheit der Schweiz bedrohen, sind zunehmend aggressiver, und die Bedrohungsformen für unser Land und unsere Bevölkerung werden immer komplexer.»

Seilers «Botschaften» fürs Stimmvolk

Auf der Rückseite listet der Werbezettel sieben konkrete «Botschaften» auf, welche die Parlamentarier offenbar unters Volk bringen sollen. Etwa jene, dass die «neuen Beschaffungsmassnahmen für die Schweiz mehr Sicherheit bringen».

Oder auch: «Die Grundrechte und die individuelle Freiheit der Schweizer Bürger werden mit dem Nachrichtendienstgesetz gewahrt, ebenso die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit.»

Damit liefert der NDB quasi die Befürworter-Textbausteine für Podien oder Interviews. Kritikpunkte werden keine erwähnt.

Grünen-Glättli: «Tatsachen verschwiegen»

«Offensichtlich hat der Geheimdienst doch Respekt vor der Abstimmung», sagt Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli – und kommentiert Seiles Aktion: «Offenbar ist der NDB-Chef besorgt, dass die freisinnigen Parlamentarier sich nicht genügend für das Gesetz einsetzen.»

Was Glättli jedoch ärgert: «Grundsätzlich sollten Bundesstellen neutral informieren – im Flyer werden aber wichtige Tatsachen verschwiegen.» So werde die Kabelaufklärung auch den Internetverkehr von Schweizern mit Schweizern umfassen, weil etwa bei einem ausländischen Webmail-Anbieter gespeicherte Mails die Landesgrenze überqueren würden.

«Wie der NDB bei einem Mail, das von hanna.32@gmail.com an hans.muster@gmail.com geschickt wird, herausfinden soll, ob hier zwei Schweizer miteinander kommunizieren oder nicht, konnte der NDB nie erklären», kritisiert Glättli.

Juso-Molina: «Parmelin muss Klarheit schaffen»

Enerviert über die NDB-Aktion reagiert auch Juso-Chef Fabian Molina, dessen Partei das Referendum gegen das neue Gesetz anführt. «Dass sich der Geheimdienst selber im Verborgenen und in derart penetranter Weise in den Abstimmungskampf einschaltet, ist ein Skandal», sagt er. «Es zeigt, dass dem NDB alle Mittel recht sind, um die Privatsphäre der Bevölkerung abzuschaffen.»

Seine Forderung ist klar: «Der NDB hat sich nicht in den Abstimmungskampf einzumischen. Guy Parmelin muss hier Klarheit schaffen.»

NDB: «Pocket Card dient der Information» 

Der NDB mache weder Werbung noch Propaganda, hält NDB-Sprecherin Isabelle Graber dagegen. «Weil wir immer mehr Anfragen zum neuen Nachrichtendienstgesetz von Journalisten, Politikern und Bürgerinnen und Bürgern bekommen, führen wir Merkblätter und Pocket Cards, um sachlich auf häufig gestellte komplexe Fragen zu reagieren.»

Der fragliche Flyer sei intern erstellt worden, diene der Information von Mitarbeitern und Parlamentariern und habe nur «etwas Tinte und Papier gekostet».

Und nervös sei man mit Blick auf die Abstimmung auch nicht, so Graber. «Im Gegenteil.»

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